
Ich weiß gar nicht genau, welchen Ruf PREDATOR 2 – ein Höhepunkt meiner minderjährigen Videothekenzeit – so unter Genrefilmfreunden genießt. Auf der IMDb hat er ein unauffälliges Durchschnittsrating, er scheint mir heute im Gegensatz zum Original fast ein bisschen in Vergessenheit geraten, wird selten fieberhaft diskutiert, wie das bei anderen populären Genrefilmen der Fall ist, und noch nie habe ich gar vernommen, dass ihn jemand besser fände als das Original, was seltsam ist, wenn man bedenkt, was im Internet sonst für absurdes Zeug behauptet wird, um Aufmerksamkeit zu erregen. Obwohl PREDATOR 2, nach dem Riesenerfolg des ersten Films mit großen Erwartungen gestartet, von der Kritik weitestgehend verrissen wurde, war er an den Kinokassen durchaus erfolgreich, spielte bei einem Budget von 35 Millionen Dollar weltweit ca. 60 Millionen Dollar ein. Trotzdem betrachtete man dieses Ergebnis als Enttäuschung, was dazu führte, dass sein Titelheld danach vorerst nur in den beiden Verfilmungen eines Spin-off-Comic-Crossovers in Erscheinung trat, ein dritter Teil ganze 20 Jahre auf sich warten ließ. Meine Ratlosigkeit gegenüber dieser – zumindest von mir so wahrgenommenen – Gleichgültigkeit wird nach meiner ersten Sichtung seit vielen Jahren nur noch größer: Denn auch wenn Hopkins‘ Film an seinen Vorgänger nicht herankommt (welcher Film tut das schon?), handelt es sich doch um ein ausgesprochen originelles, fesselndes und zupackendes Stück großen Actionkinos, gespickt mit grandiosen Einfällen, einprägsamen Performances und Momenten, die mir nach x Sichtungen ganz unbemerkt in Fleisch und Blut übergegangen sind. An der Schwelle zwischen zwei Jahrzehnten entstanden, kurz bevor James Cameron mit T2: JUDGMENT DAY die Spielregeln für großbudgetiertes Actionkino ein für allemal verändern sollte, steht er inszenatorisch noch in der Tradition des vorangegangenen Jahrzehnts und bringt daher ein Höchstmaß an physischer Kraft und Kinetik mit sich. PREDATOR 2 ist beileibe kein perfekter Film oder gar ein Meisterwerk, aber er gehört zu jenen seltenen Glücksfällen, die von ihren kleinen Schwächen noch profitieren.
PREDATOR 2 nutzt als Aufhänger einen kleinen, eher unauffälligen Dialogsatz aus dem Vorgänger, der erklärte, dass sich der außerirdische Jäger mit Vorliebe besonders heiße Orte aussuche. Suggeriert der Auftakt mit dem Geschrei von Urwaldtieren, exotischen Trommelrhythmen und dem Blick auf dichte regenwaldartige Vegetation eine Rückkehr an den Schauplatz des Vorgängers, entpuppt ein Schwenk der Kamera nach oben diesen Glauben als Irrtum: am Horizont ragen die Wolkenkratzer von Los Angeles in den dunstigen Smoghimmel, der harte Schnitt hin zur bereits bekannten temperatursensitiven Subjektive des Predators macht klar, dass er sich nun den sprichwörtlichen Großstadtdschungel eines unter einer Hitzewelle schwitzenden LA als Jagdgebiet ausgesucht hat. Nach dem nächsten Schnitt sind wir mitten im urbanen Straßenkrieg, einer erbitterten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen kolumbianischen Drogendealern und der Polizei. Vom Kokain berauschte Schwerverbrecher, denen der Wahnsinn aus den vom Koks geweiteten Augen springt, ballern mit Maschinengewehren auf die Polizei, die sich unter den Kugeln wegduckenden Fernsehreporter bellen etwas von „War Zone“ und „Martial Law“ in ihre Mikrofone, Explosionen peitschen gen Himmel und die Toten fallen auf beiden Seiten wie die Fliegen, bevor Lieutenant Harrigan (Danny Glover) mit einem waghalsigen Manöver zumindest vorübergehend für Entlastung sorgt. Die Schurken fliehen in ein Hochhaus, wo sie nur Sekunden später von einer unsichtbaren Gestalt aus dem Weg geräumt werden. Das LAPD findet nur noch das Ergebnis eines Blutbads vor sowie einen Überlebenden, der voller Angst ins Nichts starrt, bevor auch er den Weg alles Irdischen geht.
Der Auftakt platziert PREDATOR 2 in einer zwar Actionfilm-typisch überformten, aber dennoch als solcher erkennbaren Realität. Der „War on Drugs“ war 1990 genauso ein Riesenthema wie kolumbianische Drogenkartelle (Pablo Escobar wurde erst drei Jahre später ermordet), Los Angeles war zwar nicht die murder capital der USA, aber in der Außenwahrnehmung dennoch Brutstätte des Verbrechens und der Banden: ein Ruf, den die LA Riots 1992 bestätigten. Und auch wenn PREDATOR 2 aus seiner Idee, die Titelfigur als unsichtbaren Dritten in einem Drogenbanden-Krieg mitmischen zu lassen, nicht das Optimum herausholt, ihm der Wille zum Epos, den der Stoff durchaus gut vertragen hätte, abgeht, er sich damit zufriedengibt, von der ersten Sekunde an ohne größere Verschnaufpausen und in stetiger Beschleunigung auf sein Finale zuzusteuern, so reichen die vielen guten, zudem gut umgesetzten Ideen aus, um ihn die Konkurrenz überragen zu lassen. Getragen wird PREDATOR 2 von einer mit Händen greifbaren Atmosphäre der Überhitzung und der wachsenden Angst, die auch die Kürzungen, die der Film noch vor dem Start über sich ergehen lassen musste, nicht zerstören können. Der bodenständige, verwundbare Danny Glover, eigentlich nicht der prädestinierte Actionheld, wird hier zum Vorteil und markiert auch den wesentlichen Unterschied zwischen McTiernans Vorgänger und Hopkins‘ Fortsetzung. Wo PREDATOR auf den archaischen Grundkonflikt reduziert war, fast schon Metakino, ist PREDATOR 2 handlungslastiger, klassischer, weniger abstrakt. Und er weiß die sich dadurch bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Wunderbar die in wenigen skizzierte Wandlung von Paxtons Jerry vom selbstverliebten Heißsporn hin zum opferbereiten Teamplayer. Ich bin immer wieder über den lebendigen Eindruck erstaunt, den Paxton gemessen an dem wenigen Raum, der ihm zur Verfügung steht, hinterlässt. Seine Todesszene und die Actionsequenz, an die sie anschließt, zählen für mich zu den großen Momenten des Neunziger-Actionkinos: „Want some candy?“ Ein kleines, eigentlich albernes Gimmick wird hier mit maximalem Effekt genutzt. (Die Soundeffekte des Films sollten genauso wenig unterschätzt werden wie Alan Silvestris Score.) Gleiches gilt für den Blick des Predators auf den Bauch von Leona (Maria Conchita Alonso), der ein Geheimnis preisgibt und den Jäger als moralisches Wesen erkennen lässt, oder Diesen Moment, in dem Glovers Harrigan nach einem Telefonat aufblickt, sich im Schaufenster eines Tierpräparators spiegelt und plötzlich zu wissen scheint, was los ist: Es sind dies perfekte Beispiele für die Art, wie bildgewaltig Hopkins arbeitet, wie er jedes einzelne Bild mit Suggestion auflädt.
Gary Busey ist als dubioser FBI-Mann Peter Keyes fantastisch und würde gemeinsam mit seinem Partner Garber (Adam Baldwin) glatt einen eigenen Film rechtfertigen (die Rolle des Keyes war ursprünglich Schwarzeneggers Dutch zugedacht und wurde nach dessen Absage umgeschrieben). Beide beginnen als typische Federal-Arschlochtypen, die den ehrlichen Cops dazwischenpfuschen, gewinnen dann zum Ende aber an Profil und Tiefe, ohne ihr Geheimnis jedoch ganz preiszugeben. Bei dieser Sichtung hatte ich zudem das Gefühl, dass sie möglicherweise ein Verhältnis miteinander haben könnten: Wie der durchtrainierte Garber seinem akkurat frisierten Boss nicht von der Seite weicht, mutet schon sehr schwul an und ihr militaristischer Hitlerjugend-Schneid trägt nicht gerade dazu bei, den keimenden Verdacht zu zerstreuen. Dann ist da das Finale, das mancher vielleicht als letdown empfindet: Aber es ist eine sehr weise Entscheidung, den Film nicht im Kampf Harrigans gegen den außerirdischen Besucher enden zu lassen. Ein Triumph Harrigans wäre schlicht nicht glaubwürdig gewesen, sein Tod wahrscheinlich noch unbefriedigender als der Verzicht auf beides, das Vertagen einer Entscheidung, das die Geste des Predators bedeutet. Es ist ein schönes Ende, das nur daran krankt, dass der dritte Teil, der den Staffelstab aufnimmt und weiterträgt, nie entstanden ist. So bleibt mir nur noch eins zu sagen: Ich liebe PREDATOR 2. Und ihr solltet es auch tun.
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