Mit ‘Splatter’ getaggte Beiträge

In meinem Text zu Raimis ARMY OF DARKNESS hatte ich angekündigt, mich in Kürze zum EVIL DEAD-Remake äußern zu wollen. Das habe ich mittlerweile getan und zwar auf Hard Sensations. So viel vorab: Der Film ist mitnichten die Sensation, die manche in ihm sehen wollen, aber er ist schon eine recht, ähem, erfreuliche Angelegenheit geworden. Sofern man das so über einen Film sagen kann, in dem Amputationen, Selbstvertümmelungen und andere Nettigkeiten in all ihrer blutigen Pracht auf der Leinwand zu sehen sind und das Wort „Fotze“ eine tragende Rolle spielt. Mehr zum Thema gibt’s hier.

Juan (Alexis Díaz de Villegas) ist ein Faulpelz und Lebenskünstler. Gemeinsam mit seinem besten Freund Lazaro (Jorge Molina) hält er sich mit kleinen Gelegenheitsarbeiten und Gaunereien über Wasser, genießt die kubanische Sonne auf seinem Dach hoch über den Straßen von Havanna, arbeitet an einer Mauer aus leeren Rum-Flaschen, vögelt die heiße Nachbarin und trauert Frau und Tochter hinterher, die sich auf der Suche nach einem besseren Leben gen USA verdrückt haben. Letztere weilt just in dem Moment wieder auf Kuba, als die Straßen der Hauptstadt plötzlich von Zombies unsicher gemacht werden und im Chaos versinken. Juan, der die Wiedervereinigung mit seiner Familie noch nicht aufgegeben hat, sieht zunächst vor allem die Gelegenheit, mit einem Todesschwadron etwas Geld zu verdienen. Doch bald erkennt er, dass es Zeit ist, Verantwortung für seine Lieben zu übernehmen …

Eine kubanische Zombiekomödie mit einem von SHAUN OF THE DEAD inspirierten Titel? Man sieht schon mit Grausen die neueste Funsplatter-Unzulänglichkeit vor dem eigenen Auge ablaufen, einen Film „von Fans für Fans“, der Unterhaltung mit beständigem Nerd-Jerking verwechselt, dessen Macher das Genrekino von Romero bis Jackson in sich aufgesogen, aber nicht verstanden und auch sonst nichts mitbekommen haben. Sprich: Genau einen jener Filme, die man gerade nicht gemeinsam mit der anvisierten Zielgruppe sehen möchte, weil man sich dabei ungefähr so fühlt wie ein praktizierender Satanist beim Kirchentag. Doch die Befürchtungen sind unberechtigt, JUAN DE LOS MUERTOS ist minichten der neueste Beitrag zum wohl spießigsten Subgenre des Horrorfilms, sondern eine sehr charmante und lebenskluge Horrorkomödie, die nicht als minderbemittelte Nummernrevue hohler Zoten funktioniert, sondern tatsächlich über die liebenswerten Charaktere und seinen lakonischen, manchmal tiefschwarzen, aber dabei immer sehr menschlichen Witz. Dazu kommt, dass Brugués  seinen Romero tatsächlich verstanden hat. Die Zombies sind in allererster Linie Projektionsfläche, ihr unverkennbar allegorisches Potenzial wird niemals voll ausformuliert, tatsächlich muss die Frage nach dem Wie und Warum hinter der Zombieinvasion gar nicht geklärt werden. Man versteht auch so, dass dieses Kuba, das seit 50 Jahren vom sozialistischen Regime Castros geknechtet wird, ein Land ohne Morgen ist. Was JUAN DE LOS MUETOS von den ernsteren Romero-Filmen abhebt und gleichzeitig zu einem eigenständigen, sympathischen und wahrscheinlich wirklich zu einem genuin kubanischen Zombiefilm macht, das ist die Gelassenheit, mit der er diese Erkenntnis teilt. Das Land mag vor die Hunde gehen, aber: das Meer! die Sonne! der Rum! Jaja, etwas muss sich verändern, aber das kann doch auch bis morgen warten.

JUAN DE LOS MUERTES ist ein Film über die Underdogs und Underachievers, über den einfachen Kubaner, der es seit Jahrzehnten gewohnt ist, vom Schicksal verarscht zu werden.  Juan und seine Freunde geben sich längst keinerlei Illusionen über die Lage ihres Landes mehr hin, nehmen diese aber mit Humor. Die Zombieinvasion schockt sie dann auch nicht besonders, man ist bereits einiges gewohnt. Not macht erfinderisch und weil ihr Leben beständige Not ist, sind sie darin besonders gut: Gegen Bezahlung versprechen sie, zombiefizerte Verwandte in die ewigen Jagdgründe zu schicken, ein Job, der ein paar Piepen einbringt, die dummerweise aber nichts mehr nutzen, weil die Zivilisation bereits kollabiert ist. So streifen sie durch die Straßen der „ausgestorbenen“ Stadt, bestreiten ihre kleinen Scharmützel und ziehen sich abends auf ein Glas Rum auf Juans Dachterrasse zurück. JUAN DE LOS MUERTOS ist in erster Linie Stimmung: Ein Gefühl der Bedrohung stellt sich nie ein, weil die Protagonisten es längst gewöhnt sind, sich gegen widrige Umstände zu behaupten. Da lässt man sich auch von Zombies nicht mehr aus der Ruhe bringen. Diese Gelassenheit ist das herausragende Merkmal des Films und sie bindet den Zuschauer an die Figuren, die nicht hysterisch werden oder ihr Leid klagen, sondern die Ärmel hochkrempeln und – Vorsicht: Phrase – die Misere als Chance begreifen. Während Horrorkomödien oft zur Hysterie und zum Klamauk neigen, da besticht dieser JUAN DE LOS MUERTOS durch einen immer sicheren Rhythmus. Hier wird nicht mit Gewalt, Kettensägen-Close-ups und inflationärem Kuntsbluteinsatz um die Gunst der Nerds gebuhlt, sondern sich ganz auf die Kraft der Geschichte verlassen. Gags werden einem weder mit dem Hammer eingeprügelt noch penetrant abgefeiert und sie haben ihren Ursprung immer in den Charakteren des Films. So funktionieren hier auch solche Witze, die in einer US-Produktion regelmäßig Anlass zur Fremdscham geben: Dass eine Transe etwa als Mensch wahr- und ernstgenommen wird, ihr Tod einen der tragischeren Momente des Films bildet, darf man durchaus als begrüßenswerten Glücksfall betrachten. Sogar der eine wahscheinlich unvermeidliche Schwulenwitz trifft ins Ziel, weil er vor allem die latente Homophobie aufs Korn nimmt, anstatt ausschließlich die eigene Verbohrtheit auszustellen. Großen Anteil an diesem Gelingen haben die Darsteller, die allesamt perfekt sind in ihren Rollen und beweisen, wie wichtig gutes Casting ist. Vor allem Juan-Darsteller Alexis Dáiz de Villegas muss hervorgehoben werden: eine echte Entdeckung.

JUAN DE LOS MUERTOS, den ich insgeheim schon als unerträglichen Kinderkram vorverurteilt hatte, hat sich als absoluter Glückstreffer erwiesen: Er ist wahrscheinlich die beste Horrorkomödie seit Jahren und die zunächst unverschämt erscheinende SHAUN OF THE DEAD-Referenz trifft tatsächlich ziemlich ins Schwarze, weil sich beide Filme im Geiste sehr ähnlich sind. Nimmt man dann noch den kleinen Exotenbonus dazu, der zwar nicht ausschlaggebend sein sollte, aber ja dann doch nicht ganz unwesentlich ist, dann kann man JUAN DE LOS MUERTOS nur noch als Gewinner bezeichnen: Die Bilder des maroden Havanna und seiner Einwohner allein sorgen schon für einzigartige Atmosphäre, der man sich nur schwerlich entziehen kann. Doch JUAN DE LOS MUERTOS ist weit mehr, er ist ein im besten Sinne humanistischer Film, weil er echte Empathie für seine Protagonisten erzeugt , ohne sie zu Krücken einer Ideologie zu degradieren oder mit fragwürdigen Methoden um Mitleid für sie zu betteln. Diese Leistung ist kaum überzubewerten. Und wenn man nach 90 unterhaltsamen, witzigen, herzerwärmenden und turbulenten Minuten von einer großartig animierten Zeichentricksequenz zu Sid Vicious‘ Version von Sinatras „My way“ aus dem Film entlassen wird, möchte man eigentlich noch nicht gehen, sondern bei Juan bleiben und ihm dabei zusehen, wie er die Hürden des Lebens nimmt.

Für die Filmgazette habe ich eine Rezension zu FINAL DESTINATION 5 geschrieben. Wer es noch nicht gemerkt hat: Die Reihe hat sich vom netten, flüchtigen Spaßhorror längst zu einer etablierten Größe im Genrekino gemausert, die der Konkurrenz regelmäßig eine lange Nase dreht und aus der sequeleigenen Not eine absolute Tugend gemacht hat. Unbedingt ansehen! Klick: hier.

syndikat_des_grauens_dasNeapel: Luca Di Angelo (Fabio Testi), dem erweiterten Kreis der Mafia zugehörig, verdient sich seine Brötchen mit dem Schmuggeln, meist von Zigaretten – ein Beruf, der ihm und seiner Familie einigen Wohlstand beschert hat, aber vor allem aus der Armut der neapolitanischen Bevölkerung heraus geboren ist. Als Lucas Bruder Micky (Enrico Maisto) erschossen wird, vermutet er zunächst den Lokalrivalen Scherino (Ferdinando Murolo) hinter der Tat, doch bald stellt sich heraus, dass die Bedrohung von außerhalb kommt: Der Marsigliese (Marcel Bozzuffi) will Neapel an sich reißen, um die Stadt mit seinen Drogen zu überfluten, und dabei sind ihm die konservativen Kräfte der Stadt im Weg …

Lucio Fulci hat in rund 30 Jahren mehr als 50 Filme gedreht, in der kollektiven Erinnerung wird er wahrscheinlich für einen Bruchteil seines Schaffens bleiben: seine Zombie- und Splatterfilme, vielleicht einige seiner Italowestern. Dass LUCA IL CONTRABBANDIERE auch zu jenem erlauchten Kreis gehört, kann man vor allem an einem Begriff festmachen: Bunsenbrenner. Die Szene, in der der Marsigliese einer Frau, die ihn betrügen will, mit eben jenem Gerät zu Leibe oder vielmehr zu Gesichte rückt, bleibt nachhaltig im Gedächtnis und wirkt auf den gesamten Film zurück, der dadurch eine Schärfe und Drastik erhält, die der merkwürdig lax erzählte Film sonst kaum aufwiese. Aber auch das kennt man ja von Fulci, dessen Splatterepen sich aller grafischen Härte zum Totz vor allem über eine traumgleiche, ätherische Qualität definieren, die es dem Zuschauer nahezu unmöglich macht, das Gesehene im Anschluss kohärent wiederzugeben. Was an ZOMBI 2, PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTI oder L’ALDILÀ wortwörtlich greifbar ist, sind seine spektakulär blutigen (oder einfach nur durchgeknallten) Set Pieces: Haifischzombie, Augensplitter, Gedärmekotzen, Hirnquetschen, Spinnenattacke, Säuregesicht – alles andere ist menschlicher Logik enthobener Rausch, der Triumph der Akausalität, der sich dem sprachlichen Zugriff konsequent widersetzt. (Meines Erachtens nach übrigens noch mehr als bei Argento, dessen Bilder sich ja immer in den Kontext der Kunstgeschichte eingliedern, sich also rational begreifen lassen.)

Und diese Eigenschaft macht dann auch LUCA IL CONTRABBANDIERE, der unmittelbar auf den phänomenalen Erfolg von ZOMBI 2 folgte, zu etwas Besonderem: Nicht, dass der Gangster- oder Mafiafilm nicht schon vorher über seine dem Sujet geschuldeten Härten verfügt hätte, aber wie Fulci seinen Film etwa ab der Hälfte immer wieder heftig Richtung Splatterfilm kippen lässt, ist schon beachtlich. Es lässt sich nicht genau sagen, ob Fulci seiner Gangwar-Geschichte über diese Szenen die Schärfe und Dringlichkeit einimpfen wollte, die der Film sonst vermissen lässt, oder ob der Rückgriff auf diese Splattereffekte aus kommerziellen Erwägungen erfolgte und eine funktionierende Struktur aufweichte.  Die strukturellen wie auch dramaturgischen Mängel des Films sind jedenfalls offenkundig: Es gibt zu viele handelnde Personen, die fremd bleiben müssen und deren Ableben demzufolge keinerlei Spuren hinterlässt, und in der für diese Art von Geschichten so wichtigen Inszenierung des Raumes bzw. der Stadt Neapel (als gesellschaftlichem Raum) muss man Fulci fast Versagen attestieren: Es gelingt ihm einfach nicht, das Bild einer verschworenen Gemeinschaft zu malen, in die jemand mit aller Macht eindringen will, um sie zu zerstören. (Es gibt etwa kaum Establishing Shots der Stadt, nie hat man das Gefühl, als Zuschauer einen „Überblick“ zu haben.)

Was sich wie ein Verriss anhört, soll keiner sein: LUCA IL CONTRABANDDIERE ist ein merkwürdiger Grenzgänger, ein Film, der einerseits noch vom Spirit des italienischen Polizei- und Gangsterfilms der Siebzigerjahre beseelt ist, aber bereits zu neuen Mitteln greift. Jede blutreich zelebrierte Exekution zerreißt den bekannten Flow, strebt die Emanzipation vom Ganzen an und fragmentiert den Film schließlich in einen „klassisch“ erzählerischen Teil und viele kleine geschmacklose Vignetten, die sich unweigerlich ins Gedächtnis brennen. Ja, das könnte man Dekonstruktion nennen.

EDIT: Ich habe den Film noch einmal gesehen, im Kino, und bin zu einem gänzlich anderen Ergebnis gekommen als hier. Bitte also auch diesen Text lesen!

scarecrows (william wesley, usa 1988)

Veröffentlicht: April 29, 2011 in Film
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Nach dem Überfall auf eine Militärbasis flieht die fünfköpfige Räuberbande mit der Beute von 3,5 Millionen Dollar und einem entführten Flugzeug. Als einer von ihnen mit dem Geld über einem Feld abspringt, zwingt er die anderen damit ebenfalls zur Landung. Erzürnt machen sie sich auf die Suche nach dem Verräter, doch der muss sich bereits mit einem gefährlicheren Gegner herumschlagen …

Dem hübschen SCARECROWS hat man bei seiner Vermarktung in Deutschland alle nur erdenklichen Knüppel zwischen die Beine geworfen, damit er hier bloß nicht sein Publikum findet: Erst wurde er von jeglicher Gewalt befreit, dann auf den nichtssagenden Titel PARATROOPER getauft und sein Cover schließlich mit einem dazu passenden Söldnermotiv verziert, wahrscheinlich um damit ahnungslose Actionfans zu ködern, die sich nach Ansicht des Films fürchterlich verprellt gefühlt haben müssen. Dabei hätte SCARECROWS durchaus etwas mehr Anerkennung verdient, denn die Geschichte, die Wesley in knapp 75 Minuten erzählt, ist originell und seine Schwächen sind leicht zu verschmerzen, weil solche kompakten kleinen Filme, die ihren Stiefel eiskalt runterspielen, ohne sich zu verzetteln, einfach viel zu selten sind.

Strukturell erinnert SCARECROWS am ehesten an eine Folge der seligen TALES FROM THE CRYPT-Reihe: Der Plot ist denkbar einfach und lässt sich am ehesten als Schuld-und-Sühne-Parabel oder Crime-does-not-pay-Warnfabel lesen und wird angetrieben von einem singulären Bild, der lebendigen Vogelscheuche. Wesley hat einige Schwierigkeiten, seinen Kurzgeschichten-Plot auf 75 Minuten auszudehnen, sodass es zwischendurch mal ein bisschen langweilig wird, ein größeres und grundsätzlicheres Problem besteht darin, dass es keinen echten Protagonisten gibt, mit dem der Zuschauer mitfiebern könnte. Sympathisch ist keiner der fünf Räuber, was den Impact des Films doch erheblich beeinträchtigt. Dafür gibt es aber eben einen atmosphärisch dichten Horrorfilm, der zum einen mit einem Monster aufwarten kann, das man nicht schon tausendmal gesehen hat, zum anderen keinerlei Anstalten macht, alles kaputtzuerklären, wie so viele Horrorfilme in den letzten Jahren. SCARECROWS entlässt einen dann trotz aller Leichtigkeit doch mit einem ziemlich mulmigen Gefühl. Wer weiß denn schon, was da draußen alles lauert …

Filme aus Südkorea sind vor ca. zehn Jahren der heißeste Scheiß gewesen. Völlig unerwartet überwältigte uns das kleine Land mit Filmen wie SHIRI oder J.S.A. und ist heute neben Japan und Hongkong als wahrscheinlich drittstärkste Kraft in Südostasien etabliert. Leider jedoch musste man irgendwann feststellen, dass das südkoreanische Kino auch nur mit Wasser kocht und sich dem US-Kino doch ziemlich angenähert hat: Große, fett aussehende Produktionen, die das Publikum mit abgeschmackten, aber aufdringlichen Ideen ködern sollen, überwiegen. Kim Jee-woon ist ein perfektes Beispiel jener Filmemacher, die ihr großes technisches Vermögen immer wieder unter Beweis stellen, sich aber nun schon seit Jahren damit begnügen, im Grunde genommen aufgeblasene B-Filme zu machen. Für die Nerds scheint das zu reichen, wenn man sich die Bewertungen in diversen Foren oder auf Datenbanken durchliest. Ich finde, dass I SAW THE DEVIL kaum verbergen kann, dass die perfekt gestylte Oberfläche vor allem dazu da ist, zu verbergen, dass sich kaum etwas dahinter verbirgt. Wirklich schlecht fand ich ihn nicht, aber irgendwie fällt mir dazu trotzdem vor allem ein Begriff ein: Angeberkino. Meinen (vorletzten) Text zu den Fantasy Filmfest Nights 2010 gibt es auf F.LM – Texte zum Film zu lesen und zwar hier.

Spring Break steht vor der Tür und Tausende vergnügungssüchtiger Teens werden am Lake Victoria in Arizona zu den jährlichen Feierlichkieten erwartet. Kurz vorher öffnet ein Erdbeben eine Höhle, in der ein Schwarm von seit Jahrtausenden für ausgestorben gehaltener Urzeit-Piranhas die Zeiten überdauert hat, und verschafft ihnen so Zugang zum Badesee. Sheriff Julie Forester (Elisabeth Shue) hat alle Hände voll zu tun, das Ausmaß der Katastrophe zu begrenzen und ihre Kinder zu retten, die auf dem gekenterten Boot des Pornoproduzenten Derrick Jones (Jerry O’Connell) festsitzen …

Viel gibt es zu Ajas Remake von Dantes JAWS-Epigone PIRANHA eigentlich nicht zu sagen, außer, dass man hier ausnahmsweise einmal nicht in den kulturpessimistischen Sermon von der Ideenlosigkeit Hollywoods und der Verflachung des Horrorkinos anstimmen muss. Aja entschlackt John Sayles Originaldrehbuch etwas, spart sich das Militärcamp und den Fluss, den die Fische erst einmal hinter sich lassen müssen, um ans Buffet zu gelangen, konzentriert sich stattdessen auf das, was gemeinhin die Kernkompetenzen der Exploitation sind: Sex & Violence. Das steht dem Film ausgesprochen gut zu Gesicht: Der aus unzähligen vergleichbaren Filmen hinreichend bekannte Plot wird dem Zuschauer nicht unter Zuhilfenahme blödsinniger und ablenkender Beigaben als Ei des Kolumbus verkauft, vielmehr seine Kenntnis der greifenden Mechanismen vorausgesetzt und somit umso entspannter mit den einzelnen Elementen umgegangen. Die Spring-Break-Kulisse bietet reichlich Gelegenheit, wogende Brüste, nasse T-Shirts und glänzende Körper mehr als üblich ins Licht zu rücken, die Splatterattacken kommen heftig und detailliert, wecken hinsichtlich ihrer Quantität und ihres Erfindungsreichtums wehmütige Erinnerungen an den unübertroffenen Splatter-Endpunkt BRAINDEAD und heben sich von den scheußlichen CGI-Orgien, an die man sich zuletzt mehr und mehr gewöhnen musste, wohltuend ab. Zwar kommen etliche Effekte aus dem Computer zum Einsatz, vor allem bei Unterwasser-Szenen mit den Piranhaschwärmen, doch erinnern diese eher an Cartoos: Ihre Künstlichkeit habe ich jedenfalls nicht als Makel empfunden, sondern eher als Selbstironie. Wobei das mit dem Humor so eine Sache ist: In die Niederungen des Pennälerhumors, der so viele Splatterkomödien so überaus unerträglich macht, sinkt PIRANHA nie, auch dann nicht, wenn Penisse abgebissen und ausgekotzt werden, weil Aja zum einen zu gut inszeniert, zum anderen nie vergisst, dass da auf der Leinwand Menschen sterben. Die Unterwasserbilder Dutzender im blutroten Wasser treibender verstümmelter Torsi erinnern schon fast an religiöse Darstellungen der Apokalypse oder an die Gemälde Hieronymus Boschs. In solchen Momenten transzendiert Aja die Trashwurzeln seines Films und erreicht eine fast poetisch zu nennende visuelle Qualität. Hinzu kommen die kleinen unaufdringlichen Gags und Kniffe in der Inszenierung, die das Geschehen auch dann noch interessant halten, wenn man doch genau weiß, was als nächstes passieren wird. So bietet Aja etwa im Subplot um die beiden kleinen Kinder gleich mehrfach überaus suggestive Kameraeinstellungen auf, nur um die Spannung dann durch einen Schnitt oder eine Verschiebung des Bildausschnitts aufzulösen. Und das gute Casting hat dem Film natürlich auch nicht geschadet.

PIRANHA ist so betrachtet ein ziemlich großer Glücksfall: Was sehr wahrscheinlich ein strunzlangweiliger, überflüssiger und seelenloser Aufguss eines Aufgusses oder maximal ein netter Timewaster ohne größeren Nährwert hätte werden können, ist tatsächlich zu einem der Horror-Highlights des vergangenen Jahres avanciert. Dass Aja ausgerechnet mit diesem Film an das Versprechen anknüpft, das er vor nunmehr sieben Jahren mit HAUTE TENSION gab, war nun wirklich nicht vorherzusehen. Hut ab!

Auf F.LM – Texte zum Film kann man meine Rezension zu Steven R. Monroes Remake von Meir Zarchis I SPIT ON YOUR GRAVE lesen, einem der Klassiker des kontroversen Kinos. Der Film ist besser als man das erwarten durfte, aber natürlich kaum weniger streitbar als der Vorgänger – wenngleich auch aus komplett anderen Gründen. Die Sichtung im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights war trotzdem ein furchteinflößendes Erlebnis: Was es über den Zustand der Menschheit aussagt, dass einige Vollhonks die unappetitlichen und keineswegs lustigen Gewaltszenen frenetisch bejubelten, so als säßen sie in einem Funsplatterfilm, möchte ich mir lieber nicht ausmalen. Die Empfehlung, ihn sich lieber nicht im Kino anzusehen, um solchen Mutanten zu entgehen, kann ich mir aber sparen, denn Monroes Film wird mit Sicherheit niemals ein deutsches Kino von innen sehen.

Nach den Ereignissen aus HOWLING: Ben White (Reb Brown) wohnt der Beerdigung seiner Schwester bei, als der mysteriöse Stefan Crosscoe (Christopher Lee) ihm offenbart, dass diese ein Werwolf war, der den Freitod gesucht hatte. Ben ist ungläubig, doch die Reporterin Jenny Templeton (Annie McEnroe), eine Arbeitskollegin seiner Schwester, überzeugt ihn, zusammen mit Crosscoe nach Transylvanien zu reisen, von wo aus die Werwolfkönigin Stirba (Sybil Danning) die Weltherrschaft der Werwölfe anstrebt …

Die Erstbegegnung mit diesem Film via RTLplus-Videoaufzeichnung in unschuldigen Teenagerjahren war ein denkwürdiges Erlebnis. Erwartet hatte ich einen straighten Werwolfhorrorfilm (Joe Dantes Original war mir nur nominell bekannt), was ich zu sehen bekam, sprengte aber die Grenzen gewöhnlichen Genrekinos mit sexploitativen Elementen und einer sich durch den Film ziehenden, nur wenig greifbaren fremdartigen Atmosphäre – nicht, dass ich das damals so hätte beschreiben können, da war ich einfach nur sprachlos und meine, mich daran erinnern zu können, mehr als nur etwas beschämt von HOWLING II gewesen zu sein. Diese Reaktion scheint aber eine durchaus gängige Rezeptionserfahrung für Zuschauer des Films zu sein: Durchforstet man das Web nach Rezensionen und Texten zu Moras Film, findet man zahlreiche, die ihn als abstrusen Trash in die So-bad-it’s-good-Kategorie einsortieren, damit aber weniger den Film charakterisieren, als vielmehr die eigene Verwirrung demonstrieren. Klar, HOWLING II (der auch noch den schönen Alternativ-Subtitel STIRBA, WEREWOLF BITCH trägt) ist ein ziemlich wüstes Teil und als Horrorfilm nur mäßig erfolgreich. Aber dafür leistet Mora in anderer Hinsicht Beachtliches: Er verquickt der Exploitation-Sphäre angehörende Elemente, wie einen Christopher Lee mit modischer Sonnenbrille, einen New-Wave-Titelsong, einen um sich ballernden Reb Brown, eine in Fetischklamotten gewandete Sybil Danning, groteske Splattereffekte und viel sleazig inszenierten Sex, mit einer dem Arthouse- und Avantgarde-Kino zuzurechnenenden Montagetechnik und einer traumgleich-surrealen Narration und irrirtiert de Betrachter damit nachhaltig. Es gibt nur wenige Filme – jedenfalls fallen mir nicht allzu viele ein – bei denen die gängigen Werkzeuge der Filmkritik so wenig dazu geeignet sind, das Filmerlebnis treffend zu beschreiben. HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF ist mehr als das, was auf der Leinwand zu sehen ist. HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF ist Kunst.

Das jungdynamische Erfolgspärchen Camilla (Carey Lowell) und Phil (Dwier Brown) ist jüngst nach Los Angeles in ein schickes Designerhaus umgesiedelt, als sich auch schon Nachwuchs ankündigt. Weil beide ihre Karriere nicht vernachlässigen wollen, engagieren sie eine Kinderfrau: die attraktive und sinnliche Camilla (Jenny Seagrove), die sich fortan rührend um den kleinen Jake kümmert. Doch in Wahrheit führt sie Böses im Schilde …

William Friedkin interessierte sich laut Audiokommentar für den Kontrast zwischen einem im Leben stehenden, modernen Paar und dem altertümlichen Unerklärlichen, das in dessen Leben Einzug hält: Camilla ist nämlich eine Bäume anbetende Druidin, die ihrem Heiligtum frische Babys zuführt. Das klingt schon nicht so, als habe Friedkin wirklich große Pläne für THE GUARDIAN gehabt, und so kommt der Film dann auch über effektives, aber natürlich famos inszeniertes Genrekino nicht hinaus. Dass Friedkin mit seinem Vorsatz, den genannten Zusammenprall des Gegensätzlichen abzubilden, scheitert, liegt vor allem daran, dass Camillas Druidenkult eine Leerstelle bleibt. Was sie von den Babyopfern hat, welche Macht sie tatsächlich hat und wer sie überhaupt ist, lässt der Film völlig unbeantwortet.

Aber dieser erklärerische Mangel hat auch den Vorteil, dass THE GUARDIAN ohne Durchhänger und Längen zur Sache kommt. Dazu trägt Friedkin natürlich einen nicht unerheblichen Teil bei: Er weiß einfach, wie man ökonomisch erzählt, und eine eigentlich banale Sequenz wie das Kinderfrauen-Audtioning mausert sich so unter seiner Regie zu einem der Highlights des Films, bei dem sich zahlreiche Regisseure hinsichtlich Timing und Pointierung noch etwas abschauen können. Weil darüber hinaus auch die happigen Splattereffekte und die atmosphärisch fotogafierten Gruseleinlagen ausgezeichnet sind, darf man THE GUARDIAN trotz aller Schwächen durchaus zu den besseren Horrorfilmen seiner Zeit zählen. Aber ich bin mir sicher, dass Friedkin noch deutlich mehr hätte herausholen können, hätte er sich mehr auf sein Protagonistenpärchen konzentriert, dass ein Kind in die Welt setzt, aber mit dessen Erziehung offensichtlich nichts zu tun haben möchte. Im Bild des Karrierepärchens, das die Arbeit einer Kinderfrau überlässt, während es sich mit seinen hippen Karrierefreunden über das Elterndasein austauscht, dann aber eilig zur Kettensäge greift, als ihr „Besitz“ plötzlich in Gefahr schwebt, ist THE GUARDIAN nämlich wirklich gruseliges Spätachtziger-Horrorkino.