howling ll: your sister is a werewolf (philippe mora, großbritannien/usa 1985)

Veröffentlicht: Januar 30, 2011 in Film
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Nach den Ereignissen aus HOWLING: Ben White (Reb Brown) wohnt der Beerdigung seiner Schwester bei, als der mysteriöse Stefan Crosscoe (Christopher Lee) ihm offenbart, dass diese ein Werwolf war, der den Freitod gesucht hatte. Ben ist ungläubig, doch die Reporterin Jenny Templeton (Annie McEnroe), eine Arbeitskollegin seiner Schwester, überzeugt ihn, zusammen mit Crosscoe nach Transylvanien zu reisen, von wo aus die Werwolfkönigin Stirba (Sybil Danning) die Weltherrschaft der Werwölfe anstrebt …

Die Erstbegegnung mit diesem Film via RTLplus-Videoaufzeichnung in unschuldigen Teenagerjahren war ein denkwürdiges Erlebnis. Erwartet hatte ich einen straighten Werwolfhorrorfilm (Joe Dantes Original war mir nur nominell bekannt), was ich zu sehen bekam, sprengte aber die Grenzen gewöhnlichen Genrekinos mit sexploitativen Elementen und einer sich durch den Film ziehenden, nur wenig greifbaren fremdartigen Atmosphäre – nicht, dass ich das damals so hätte beschreiben können, da war ich einfach nur sprachlos und meine, mich daran erinnern zu können, mehr als nur etwas beschämt von HOWLING II gewesen zu sein. Diese Reaktion scheint aber eine durchaus gängige Rezeptionserfahrung für Zuschauer des Films zu sein: Durchforstet man das Web nach Rezensionen und Texten zu Moras Film, findet man zahlreiche, die ihn als abstrusen Trash in die So-bad-it’s-good-Kategorie einsortieren, damit aber weniger den Film charakterisieren, als vielmehr die eigene Verwirrung demonstrieren. Klar, HOWLING II (der auch noch den schönen Alternativ-Subtitel STIRBA, WEREWOLF BITCH trägt) ist ein ziemlich wüstes Teil und als Horrorfilm nur mäßig erfolgreich. Aber dafür leistet Mora in anderer Hinsicht Beachtliches: Er verquickt der Exploitation-Sphäre angehörende Elemente, wie einen Christopher Lee mit modischer Sonnenbrille, einen New-Wave-Titelsong, einen um sich ballernden Reb Brown, eine in Fetischklamotten gewandete Sybil Danning, groteske Splattereffekte und viel sleazig inszenierten Sex, mit einer dem Arthouse- und Avantgarde-Kino zuzurechnenenden Montagetechnik und einer traumgleich-surrealen Narration und irrirtiert de Betrachter damit nachhaltig. Es gibt nur wenige Filme – jedenfalls fallen mir nicht allzu viele ein – bei denen die gängigen Werkzeuge der Filmkritik so wenig dazu geeignet sind, das Filmerlebnis treffend zu beschreiben. HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF ist mehr als das, was auf der Leinwand zu sehen ist. HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF ist Kunst.

Kommentare
  1. HomiSite sagt:

    Oh, das hört sich interessant an – muss ich sehen. „Stirba“, löl.

  2. Frank Stegemann sagt:

    Du sprichst mir aus der Seele.

  3. Oliver sagt:

    @ HomiSite

    Aber unbedingt und zwar ratzfatz!

    @ Frank

    Weiß ich doch. 🙂

  4. […] Toleranz verwandelt und in 15 Minuten Filmzeit 30 Jahre abdeckt, muss man den Kniefall proben. Wenn HOWLING II: YOUR SISTER IS A WEREWOLF Moras CITIZEN KANE des Werwolffilms ist, dann ist HOWLING III: THE MARSUPIALS sein TOUCH OF […]

  5. HomiSite sagt:

    So, hab den Streifen jetzt gesehen. Gut unterhalten wurde ich auf jeden Fall, denn das Sammelsurium von schlechtem Schauspiel, wirrer Story, sinnlosen Sequenzen, schlechten SFX, Musik in Endlosschleife, affigem Werwolfgehabe und Sybil Dannings Titten ist wirklich bemerkenswert und in Teilen tatsächlich unglaublich! Wenn man nur die Brüste, äh, Musikvideosequenz des Abspanns sehen würde, ist man sicher auf den ganze Film gespannt – der aber genauso irritierend ist =).
    So weit zu gehen, dem Film eine Immunität gegen „gängigen Werkzeuge der Filmkritik“ zu attestieren, würde ich aber nicht. Auch frage ich mich, ob bei dem Film wirklich eine tiefere Bedeutung bzw. Intention des Autors vorhanden ist, um ihn zur Kunst zu erklären – die „So-bad-it’s-good-Kategorie“ trifft sicher auch auf den Film selbst zu.

    PS: Gibt’s eigentlich eine Zusammenstellung von Christopher Lees besten Filmoutfits? Ich dachte, sein wildes Aussehen und späteres Mädchenkostüm im Wicker Man wäre schon das Ende der Fahnenstange, aber seine Rave-Verkleidung hier spielt mindestens in derselben Liga.

    • Oliver sagt:

      Den Verweis auf eine Intention des Filmemachers bzw. das Beharren auf einer solchen als Voraussetzung dafür, einem Film einen höheren Status zu gewähren, ist meine Sache nicht. Woher weiß ich, was Mora mit dem Film wollte? Selbst, wenn er dazu Stellung nehmen würde, wäre das ja auch nur eine Aussage zu seinem Film, die dann neben meiner bestünde. In dem Moment, in dem ein Künstler sein Werk auf die Welt loslässt, ist es frei, gehört es nicht mehr ihm, hat er demzufolge auch keine Deutungshoheit mehr.
      Ich habe HOWLING II – sicher etwas hyperbolisch, sonst macht die Schreiberei ja auch keinen Spaß – als Kunst bezeichnet bzw. in den Dunstkreis des Kunstfilms gerückt, weil der Film sich m. E. einem Zugriff mit den traditionellen Instrumenten der Filmrezeption und -rezension entzieht. Die Kritikpunkte, die du anführst – schlechtes Schauspiel, wirre Story, sinnlose Sequenzen, schlechte FX etc. – lassen sich vielleicht anwenden (ich würde das zumindest in Teilen bestreiten), doch gehen sie für mich total an dem vorbei, was der Film leistet. Es macht einfach keinen Sinn, ihm Logiklöcher vorzuwerfen. So wie das bei einem Argentofilm keinen Sinn macht, so wie es idiotisch wäre, Leone vorzuwerfen, seine Filme seien zu lang, oder Godard dafür zu kritisieren, dass seine Charaktere nur Folien seien. That’s the whole point.

      „So bad it’s good“: Mit dieser Kategorie habe ich generell Probleme, weil mit ihr vorausgesetzt oder suggeriert wird, es gäbe feste Kriterien, die ein Film erfüllen müsse, um als „gut“ eingestuft zu werden, und ein Abweichen davon mache einen Film dann automatisch schlecht. Das ist eine Negativdefinition. Ich finde es produktiver zu fragen, was ein Film leistet, als ihn danach zu beurteilen, was er nicht leistet. Vielleicht hindert einen gerade das Festhalten an solchen Kriterien daran, einen Film als das zu erkennen, was er ist. Wenn ich etwa die Filme von Ed Wood sehe, dann sehe ich nicht die miesen Effekte, schlechten Schauspieler oder sonstigen Inszenierungs-„Fehler“, für die er berühmt ist, sondern das Werk eines Regisseurs, der auf die Limitierungen geschissen und seine Ideen umgesetzt hat. Ich finde es arg herablassend, ihn dafür immer wieder als Idioten zu deklarieren. Tim Burton hat das in seinem Film ja wunderbar aufgezeigt: Man muss die suspension of disbelief leisten, einen Film für die Dauer seiner Laufzeit als bare Münze nehmen. Wenn ein Film innerhalb des von ihm getsekcten Rahmens funktioniert, warum sollte man dann auf außen liegende Kriterien verweisen? Für mich macht es schon die Empathie unmöglich, einen Film wie HOWLING II als „Trash“ einzustufen. Der Film ist originell und anders als alles, was ich kenne. Was interessiert es mich da, dass er meinetwegen keine soziale Relevanz hat o. Ä.? Mora hat mehr als einmal bewiesen, dass er sein Handwerk verstand. Wie kann ich da davon ausgehen, er habe sich bei HOWLING II nur vertan?

      Du sagst, der Film sei „bemerkenswert und in Teilen tatsächlich unglaublich“. Warum reicht das nicht?

      • HomiSite sagt:

        Dass wir jetzt so über den Film diskutieren, bestätigt irgendwie deine ursprüngliche Aussage :-). Auf jeden Fall sind hierbei Missverständnisse durch verschiedene Begriffsdefinitionen vorprogrammiert. Allein „Kunst“ – was ist das? Ich hatte einfach die simple Definition benutzt, dass Kunstobjekte bewusst Meinungen/Statements/whatever der Künstler repräsentieren/transportieren – ob der Künstler sein Werk nun erläutert (viele weigern sich ja) oder nicht.

        Nur ist man da in der ewigen Diskussion, die du auch ansprichst, wie man wissen kann, was die Aussage ist (Erinnerungen an viele Interpretationen aus dem Deutschunterricht werden wach). Warum ist ein Kackhaufen auf einer Leinwand einmal Kunst, dann wieder nicht? Ist nicht jeder kreative Akt (was bspw. irgendwie auf quasi alle Filme zutreffen dürfte) Kunst? Andersrum kann man natürlich vieles unter dem Kunstdeckmantel rechtfertigen/schönreden – das IMO objektiv schlechte Schauspiel des Protagonistenpärchens in Howling II kann man so einfach als beabsichtigt deklarieren. Am Ende dreht man sich im Kreis :-).

        Die von mir aufgezählten vermeindlichen Verfehlungen des Films sollten weniger eine Sezierung sein, als eher die Besonderheit erklären. Ich habe mich ja nicht bspw. über den Handlungsverlauf geärgert, weil’s keiner aktuell als professionell anerkannten Lehrmeinung oder so entspricht, sondern mich amüsiert; das Gesamtpaktet des Films ließ keine andere Reaktion zu. Wie schon im urspr. Text von dir angerissen verfolgen ja so manche Videorezensionen im Netz einen ziemlich analytischen (Hollywood-)Blick, den ich auch nicht so mag (witzig sind solche Reviews dann trotzdem oft). Da spielt dann auch „So bad it’s good“ rein (was man auch weniger negativ sehen kann als „mehr als die Summe der Einzelteile“ – auch wenn man dafür halt wieder analytisch seziert. Das wäre dann aber wohl meine Herangehensweise an den Film, damn).

        Na ja, mir reicht der außergewöhnliche Eindruck/Unterhaltungswert, den Howling II mir vermittelt hat. Ich muss ihn nicht auf jedes einzelne filmhandwerkliche Teilgebiet abklopfen oder intellektuell betrachten. Das wollte ich mit meinem Kommentar auch nicht ausdrücken. Nur sucht der Mensch eben nach Mustern und Erklärungen… 🙂

        PS: Vertrittst du die Meinung, dass jemand, der mehrmals sein Können bewiesen hat, gegen Ausfälle immun ist (was aber meist wieder nur im Auge des Kritikers liegt)?

      • Oliver sagt:

        Ich versuche mal, der Reihenfolge nach auf dich einzugehen:

        Ich denke, jeder Versuch „Kunst“ zu definieren, muss fehlschlagen, weil Kunst die Möglichkeit, von Normen abzuweichen, zwingend voraussetzt. In dem Moment, wo man sie mit einer Definition zu fassen versucht, entgleitet sie schon. Die einzige Möglichkeit, den Begriff einzuengen und sich auf eine Definition zu einigen, ist die des Diskurses: Was im Museum hängt, ist Kunst, weil das Museum eben der Ort für Kunst ist, wir Dinge die dort ausgestellt sind, als Kunst rezipieren. HOWLING II ist Kunst, weil wir darüber reden, ob er Kunst sei. Ein Brötchen vom Bäcker oder ein Sofa aus dem Möbelhaus mögen nach allen Regeln der Handwerkskunst gefertigt sein, aber sie sind eben keine Kunst, weil sie der Sphäre der Nahrungsmittel oder Einrichtungsgegentsände angehören. Ein Urlaubsfoto von mir ist ein Erinnerungsstück, ein Foto von Newton ist Kunst, eben weil es einen Konsens darüber gibt, dass er ein Fotokünstler ist und ein Foto von ihm wertvoller als eines von mir. Ein Verkehrsschild an der Straßenecke ist keine Kunst, weil ein Verkehrsschild nunmal in erster Linie den Verkehr regeln soll. Als Bestandteil einer Ausstellung kann ein Verkehrsschild aber sehr wohl Kunst sein, weil es dann in einem Kontext erscheint, der es ermöglicht, von seiner ursprünglichen Funktion abzusehen.

        Dass ein Werk eine Botschaft/Aussage haben muss, scheint mir eine relativ neue Erfindung zu sein. Welche Aussage hat die Sixtinische Kapelle? Welche Aussage hat Picassos „Guernica“? Welche Aussage hat eine Komposition von Mozart? Welche Aussage hat Hitchcocks PSYCHO? Kunst sollte irgendetwas erzeugen, das über den bloßen Sinneseindruck hinausgeht. Ob das eine Bedeutung in dem Sinne sein muss, dass man sagen kann „Kunstwerk abc bedeutet für mich das und das“, möchte ich bezweifeln. Dass der Eindruck im Betrachter den Wunsch weckt, eine Bedeutung zu suchen und sie mittels einer Interpretation zutage zu fördern, heißt ja nicht, dass diese zwingend zum Werk gehört.

        Es geht nie um Absicht und Intention. Wenn ich darauf eingegangen bin, dann deshalb, weil du den Begriff ins Spiel gebracht hast und ich dir zeigen wollte, warum ich ihn für unerheblich halte. Es spielt keine Rolle, ob die Schauspieler in HOWLING II mit Absicht schlecht spielen oder weil sie es nicht besser können. Die Frage wird sich sowieso nie beantworten lassen, also braucht man sie nicht zu stellen. Im Rahmen des Films ist das schlechte Spiel m. E. „richtig“. Es ist gar kein anderes denkbar. Ich weiß aber, dass es schwierig ist, auf den Begriff der Intention zu verzichten, weil wir glauben wollen, dass Hitchcock alles das, was über seine Filme gesagt wurde, in diesen selbst angelegt hat; weil hängen eben dem abendländischen Glauben des Genies an. Weil es aber unmöglich ist, das zu verifizieren, ist die einzige Möglichkeit, den Begriff aufrechtzuerhalten, die, jedem Regisseur erst einmal Absicht zu unterstellen. So wie ich davon ausgehe, dass du mich nicht anlügst, wenn du mir hier reinschreibst, dir hat ein Text gefallen. Wenn wir dies nicht annähmen, würde es glaube ich gar keinen Sinn machen, sich überhaupt einen Film anzusehen.

        Kurz zu deiner „So bad it’s good“-Interpretation: Der Begriff wird ja meist nicht so verwendet, dass der Film, der so schlecht ist, dass er schon wieder gut ist, tatsächlich „gut“ ist, meinetwegen so gut wie ein weithin anerkanntes Meisterwerk. Er bedeutet ja lediglich, dass ein Film, so mies ist, dass es gerade deshalb Spaß bereitet, ihn sich anzusehen. Schadenfreude ist da meines Erachtens der im Vordergrund stehende Aspekt. Deswegen finde ich den Begriff meist blöd: Weil er einen imaginären Konsens darüber voraussetzt, was „gut“ und was „schlecht“ ist. Da sind wir wieder bei der Normierung.

        Glaub‘ mir, ich sitze nach HOWLING II auch nicht versonnen über irgendwelchen philosophischen Wälzern und sinnieren über seinen verborgenen Subtexte. Aber ich lache mich auch nicht über ihn kaputt, vielmehr bewundere ich ihn dafür, wie er so komplett von jeder Norm abweicht. Wenn ich hier schreibe, er sei Avantgarde, tue ich das auch, weil ich es unproduktiv finde, als 1534. Schreiber festzustellen, dass der ja ganz schön stulle ist. Der Film hat viele Eigenschaften, die es mir unmöglich machen, ihn nur als lustigen Schrott abzutun. Dass er als solcher auch funktioniert, verstehe ich eher als Bonus. 🙂

        Und zum Schluss: Nein, ich glaube, dass ein Regisseur durchaus mal danebenlangen kann. Aber ich halte es für absolut ausgeschlossen, dass ein Handwerker es plötzlich nicht mehr schafft, einen Nagel in die Wand zu kloppen, ohne das er verbiegt. Und ich halte Mora für so intelligent, dass er nicht geglaubt haben kann, HOWLING II sei ein ganz normaler Horrorfilm.

      • HomiSite sagt:

        Danke für deine ausführliche Antwort! Das sind alles Dinge, die ich immer mal wieder einem Geisteswissenschaftler an den Kopf werfen würde (wenn ich nicht mehr oder weniger selbst ein angehender bin =), hehe. Bis zum nächsten Film!

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