Als die eben der Minderjährigkeit entwachsene, aber den ganzen Film über als ebenso orientierungs- wie zügellos gezeichnete junge Gattin des perversen Graf Anatol (Wolfgang Lukschy), die titelgebende „nackte Gräfin“ Verena (Ursula Blauth), am Ende endlich mit einem gleichberechtigten und gleichaltrigen Partner im Bett gelandet ist, einem, der sie nicht für irgendwelche manipulativen Sexspielchen benutzt, dem braven Kfz-Mechaniker Toni (Gunther Möhner), greift der nach einem Metalldöschen neben dem Bett. „Nicht,“, sagt die Schöne mit plötzlich ganz ernstem, besorgtem Tonfall, um bedeutungsschwer anzufügen: „Das ist Hasch.“ Er, ganz entspannt im Hier und Jetzt, den süßen Geschmack von Sex inklusive Ehebruch und also „Sünde“ genießend, antwortet nur etwas gleichgültig: „Na und? Ist doch OK.“, woraufhin sie, berührt von einer neuen Ernsthaftigkeit, wie sie eindeutiges Symptom der wahren Liebe sein muss, entgegnet: „Ich will das nicht.“ Der Kontrast zwischen dem Wörtchen „Hasch“, das so klingt, als sei in ihm alles Übel der Welt geronnen, von dem man weit, weit Abstand halten sollte, und seiner inhärenten Verlockung, das Wechselspiel von push and pull also, ist charakteristisch für den „aufklärerischen“ Sexfilm, wie er im Zuge des SCHULMÄDCHEN-REPORT populär wurde, und somit auch für Kurt Nachmann DIE NACKTE GRÄFIN, der sich aber stilistisch vom Gros des Genres deutlich unterscheidet.
Der Film beginnt mit dem Bild eines unterhalb einer Marienfigur am Abhang einer Böschung liegenden Sportwagens, an dessen Steuer ein Toter liegt, eben jener Kfz-Mechaniker Toni, den nicht die eigenen Fahrkünste, sondern eine Kugel aus dem Leben gerissen hat. Kommissar Gabriel (Kurt Nachmann), der die Ermittlungen leitet, landet schnell auf dem Anwesen des Grafen, dem der Sportwagen gehörte: In den psychedelisch eingerichteten Räumen seines Hauses, deren Zentrum ein Triptychon von Hieronymus Bosch bildet – Nachtigall, ick hör dir trapsen -, findet gerade ein Get-together lauter verkommener Bonzen statt, das ganz gewiss einer entfesselten Orgie vorausgeht. In der eifersüchtigen Hausdienerin und dem angewiderten Butler findet der Kriminalbeamte zwei redselige Zeugen, die ihm die einzelnen Episödchen, aus denen der Film montiert ist, diktieren. Da ehelicht der Graf nach dem Tod seiner ersten Frau ein einfaches Bauernmädchen, von dem der ganze Ort weiß, dass sie „gut zu bumsen“ ist, macht er sich im Folgenden einen Spaß daraus, sie seinem erweiterten Freundeskreis anzudienen – gegen Bezahlung natürlich – und sie in zahlreiche seltsame Spielchen zu verwickeln, an denen er stumm mit Fotoapparat und Filmkamera teilnimmt. Einmal zieht er eine Glasscheibe im Schlafzimmer ein, lässt sie auf der einen Seite ein nacktes Tänzchen aufführen, während die Handwerker auf der anderen mit ans Glas gedrücktem Gemächt um ihre Gunst buhlen, ein andermal müssen sich drei arme Trottel (unter ihnen Michel Jacot) durch einen Raum voller Luftballons kämpfen, um als erste zu ihr zu gelangen.
In Szene gesetzt ist das unter großzügiger Zuhilfenahme von Weitwinkelobjektiv und mit zahlreichen Montagesequenzen aus collagenartig zusammengesetzten, oft ans surreale grenzenden Bildern, die in aufdringlichem Symbolismus Gedanken und vergangene Ereignisse repräsentieren oder auch einfach nur mitteilen, wie man das Gezeigte gefälligst einzuordnen hat. Heute (bzw. bis vor ca. zehn Jahren) würde man wohl von Videoclipstil sprechen, damals war das stilistische Vorbild wahrscheinlich eher in den sich im Umfeld von linker Studentenbewegung und Hippiekultur entwickelnden Kunstrichtungen zu suchen, die – ich versteige mich mit Blick auf des Regisseurs sonstiges Schaffen zwischen Heimatfilm und Schlagerkomödie zu dieser Aussage – Nachmann wahrscheinlich eher nicht verstand. Der von ihm verkörperte Gabriel versteht auch nicht viel, was ihn aber nicht daran hindert, am Ende trotzdem ein sehr eindeutiges Urteil über die Sexsüchtigen um den Grafen Anatol zu fällen. „Sie bestrafen sich selbst“, ist alles, was der wie sieben Tage Regenwetter dreinguckende Lustfeind zu sagen weiß.
Na gut, Anatol und seine ekelhafte Bonzenschar – ihre Party wird von einem klagenden Schlager über die sieben Todsünden untermalt – sind tatsächlich nicht satisfaktionsfähig. Lukschy gibt sich alle Mühe, den alternden Grafen als mephistophelischen Versucher zu zeichnen, der die arme, beeinflussbare Verena ins Unglück geführt hat, aber es ist ja nicht die chauvinistische Unterwerfung der Frau, die ins Fadenkreuz der Kritik gerät, sondern die Freude an Sex und Ausschweifung generell. Das urtümliche eichenholzige Wirtshaus, wo zu Beginn der tote Toni aufgebahrt liegt, wird in deutlichem Kontrast zur New-Age-Abscheulichkeit von Anatols Lustschloss inszeniert: Es ist der Ort, an dem sich Nachmann/Gabriel sichtlich wohlfühlen, ein Ort voller ehrlicher Einfach- und Bescheidenheit, ein Ort, an dem nicht der Schein das Sein überlagert, ein Ort, wo alte Werte und Überzeugungen gehegt und gepflegt werden, man sich sicher sein kann, sein Bier nicht mit einem Hasch rauchenden Sex- und Geldprotz trinken zu müssen, dessen schädlicher Einfluss einen womöglich mit in den Höllenschlund zerrt. Aber diese Spießigkeit ist natürlich voll im Rahmen des deutschen Sexfilms jener Zeit und mithin kein Argument gegen DIE NACKTE GRÄFIN. Im Gegenteil: In seinem Stilwillen ist er schon ziemlich bemerkenswert. Und darüber hinaus toll anzuschauen.