il giustiziere della strada (giuliano carnimeo, italien/spanien 1983)

Veröffentlicht: Mai 28, 2015 in Film
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il-giustiziere-della-strada-1983-exterminators-of-the-year-3000.35345An den ersten beiden MAD MAX-Filmen hatte ich kürzlich hervorgehoben, dass sie ohne jede Exposition und Erklärung auskommen. George Miller wirft den Zuschauer unvorbereitet in die skelettierte Handlung, reduziert alles auf die Konfrontation zwischen dem Helden und den Schurken vor dem Hintergrund einer unbarmherzigen postapokalyptischen Welt. Warum diese sich als neobarbarische Wüstenei darstellt, muss nicht weiter ausgeführt werden: WIe sich die Menschen gegenüber einander verhalten, ist Erklärung genug. Mit seiner Zukunftsvision traf Miller damals den Nerv der Zeit, nicht zuletzt, weil ihr Style gut in eine von Punk, Postpunk, New Wave und DIY-Credo dominierte Popkultur passte. Besonders inspiriert zeigten sich die findigen Produzenten aus Italien: Nach dem Motto „Besser gut geklaut als schlecht selbst erfunden“ schossen die Rip-offs aus dem Boden Cinecittàs und profitierten dabei nicht zuletzt davon, dass Miller im Original selbst nicht mit Millionen um sich hatte werfen können, sondern im Wesentlichen auf Erfindungsgeist und Improvisationstalent zurückgreifen musste. Talente, die man auch in Italien im Überfluss zur Verfügung hatte.

Motivisch wie inhaltlich orientierten sich die italienischen Endzeit-Filme stark am australischen Vorbild, ließen in Leder, Blech und Felle gekleidete Helden in aufgebrezelten Schrottkarren vor dem Panorama der andalusischen Wüste gegen overactende Punks und aus dem Dominastudio geflohene Sadomasochisten antreten, meist mit dem Ziel, irgendeine knappe Ressource zu sichern. Dem fast dekonstruktivistischen Gestus setzten sie allerdings ein meist klassisches Erzählverständnis gegenüber: Man kann die italienischen Endzeitfilme in gewisser Hinsicht als „kommentierte Ausgaben“ von Millers Filmen begreifen, die die Lücken stopfen, die Miller absichtlich klaffen lässt, die Figuren mit Träumen und Hoffnungen ausstatten, wo bei Miller nur Phantome existieren, und die sich in ihrer Naivität einer besseren Zukunft entgegenträumen, während Max Rockatansky ohne Ausweg in der ewigen Gegenwart gefangen ist. MAD MAX und MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR sind Ursprungsmythen, die Italo-Endzeitler die Geschichten, die auf ihrem Boden entstehen. IL GIUSTIZIERE DELLA STRADA ist ein gutes Beispiel dafür: In seiner postapokalyptischen Welt geht ein paar braven Siedler das Wasser aus. Zwischen ihnen und einer neuen Quelle steht der Wüstenpirat Crazy Bull (Fernando Bilbao), doch der kleine John (Luca Venantini) kann den Vagabunden Tiger (Roberto Jannucci) dazu überreden, ihm zu helfen. Am Ende, als der Schurke besiegt, aber trotzdem alle Bemühungen der Protagonisten ergebnislos geblieben sind, öffnet sich wie auf göttliche Initiative hin der Himmel und der erste Regen seit Jahren fällt zu Boden. Davor macht der Zuschauer noch Bekanntnschaft mit dem alternden Mechaniker Peperoni (Luciano Pigozzi), der dem staunenden John von früher erzählt, von der Natur mit ihren Düften und natürlich von schönen Frauen, sowie mit Trash (Alicia Moro), einer tapferen Kämpferin. Nicht nur der finale Regen, auch die Gemeinschaft von Tiger, Trash und John weist den Weg in eine bessere Zukunft mit Vater, Mutter und Kind, der Keimzelle der menschlichen Gesellschaft.

Wer das italienische Kino, insbesondere das italienische Genrekino, liebt, der liebt ohne Zweifel seine Verträumtheit, seinen Enthusiasmus, seine Naivität und die unverstellte Romantik. Auch in IL GIUSTIZIERE DELLA STRADA, einem Vertreter des vielleicht zynischsten, resigniertesten, defätistischsten Subgenres jenseits des Rape-and-Revenge-Films, kommen diese Eigenschaften auf wundersame Weise zum Tragen. Lässt Miller seinen Film im Nichts anfangen und dort auch wieder enden, liegt im postapokalyptische Wasteland Carnimeos (und auch dem seiner Landsleute) stets der Samen des Wunders verborgen, darauf wartend, endlich zu keimen. Max Rockatansky lässt die Siedler am Ende von MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR wie einst Shane zurück, weil er weiß, dass das antizivilisatorische Chaos in ihm tobt. Tiger beschließt ILGIUSTIZIERE DELLA STRADA hingegen als väterlicher Freund und künftiger Ehepartner, nachdem er das göttliche Zeichen erhalten hat. Die italienische Tagträumerei kommt am deutlichsten in den zahlreichen Verfolgungsjagden und Autostunts zum Vorschein, denen es zwar nicht an Mut fehlt, wohl aber an der halsbrecherischen Geschwindigkeit der Miller’schen Vorbilder. Bleifußfetischisten werden angesichts des gemütlichen Schritttempos, das da vorgelegt wird, eher nicht auf ihre Kosten kommen, aber irgendwie macht Carnimeos Entdeckung der Langsamkeit im Kontext des Films durchaus Sinn. Mehr als um den Rausch, den Kick, den Affekt geht es hier um die quasireligiöse Hoffnung, die Ermutigung, standhaft zu bleiben, den Glauben nicht zu verlieren. Miller will dem Zuschauer an die Eier, Carnimeo in sein Herz.

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