pillow talk (michael gordon, usa 1959)

Veröffentlicht: Dezember 26, 2015 in Film
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poster20-20pillow20talk_02PILLOW TALK ist wohl einer der manipulativsten Filme, die ich in der jüngeren Vergangenheit gesehen habe. Wie er sich seinen Protagonisten und vor allem Doris Day gegenüber verhält, ist schon eine ziemliche Unverschämtheit. Darüber hinaus liefert er natürlich einen aufschlussreichen Einblick in die Geschlechterpolitik der späten Fünfzigerjahre, als die Welt sexuell noch wohlgeordnet war, zumindest in Hollywoodkomödien. Als aufgeschlossener und aufgeklärter Zuschauer bekommt man hier eine teilweise ziemlich harte Nuss zu knacken, aber gerade auch deshalb fand ich den Film so toll. Dass er diese wunderbar farbenfrohe Optik und den typischen Schwung und Drive von Hollywood-Komödien jener Zeit hat, schadet gewiss auch nicht. Und das wichtigste: PILLOW TALK ist trotz – oder gerade wegen – aller Vorbehalte ziemlich lustig.

Seine Prämisse ist wie folgt: Die erfolgreiche und alleinstehende Inneneinrichterin Jan Morrow (Doris Day) muss sich mit dem Komponisten und Filou Brad Allen (Rock Hudson) eine Telefonleitung teilen. Selbst kommt sie kaum zum Telefonieren, weil Brad ständig die Leitung mit seinen unzähligen Eroberungen blockiert, denen er im Stile eines Casanovas sweet nothings ins Ohr säuselt. Jan ist nicht nur genervt, sie ist auch von der durchsichtigen Masche des Junggesellen und der Naivität seiner Gespielinnen schockiert und hält mit dieser Meinung ihm gegenüber nicht hinterm Berg. Für ihn hingegen ist klar, dass Jan eine frustrierte Jungfer ist, die dringend mal einen richtigen Kerl braucht. Als Jans wohlhabender Kunde und Verehrer Jonathan (Tony Randall), gleichzeitig ein Freund Brads, diesem von seinem neuesten Schwarm berichtet, und Brad begreift, um wen es da geht, wird er neugierig: Er nähert sich Jan unter Vorspiegelung einer falschen Identität und erobert das Herz der Frau, die natürlich irgendwann hinter den Betrug kommt …

Die größte Unverfrorenheit von PILLOW TALK steht gleich am Anfang, wenn der Film sich Brads Meinung über Jan komplett zu eigen macht. Mag ihr Gehabe auch etwas humorlos und verkniffen sein, ihr Ärger über den Mann, der ihre Telefonleitung in Beschlag nimmt, ist durchaus verständlich, sie deshalb zur sexuell frustrierten Lustfeindin zu erklären, reinster Sexismus. Nach Auffassung von PILLOW TALK ist eine Frau, die nicht die heilige Ehe und das Hausfrauendasein an der Seite eines erfolgreichen Mannes anstrebt und den ganzen Tag darauf wartet, sich von ihrem Hengst begatten zu lassen, nur eine halbe. Sogar Jans Haushälterin, die schon morgens sturzbesoffene Alma (Thelma Ritter), ist der Überzeugung, ihre Arbeitgeberin solle sich nicht so anstellen und mal ordentlich durchziehen lassen. Das hedonistische Machogehabe Brads hingegen, der allen seinen floozys erzählt, was sie hören wollen, sie glauben lässt, sie wären sein ein und alles, ist im höchsten Fall ein Kavaliersdelikt, eigentlich aber sogar insgeheim adorable. PILLOW TALK kommt im weiteren Verlauf zu einer etwas diplomatischeren, differenzierteren Betrachtung, schlägt sich bis dahin aber in einer Art und Weise auf die Seite Brads, dass einem die Spucke wegbleibt.

Er wird durch das Drehbuch in eine gegenüber seinem weiblichen Gegenüber privilegierte Situation gebracht: Er weiß, wer Jan ist, ohne dass diese eine Ahnung über seine wahre Identität hat. Als texanischer Tourist Rex nähert er sich ihr als wahrer Gentleman, schaltet sich aber als Brad immer wieder in ihre Telefonate mit dem virtuellen Rex, um sich einen Spaß mit der nichts ahnenden Frau zu machen – und sich selbst als Rex wiederum in eine bessere Position zu bringen. Einmal warnt er die in Männerdingen ja so unbeschlagene Jan: Er kenne solche „gentlemen“ zu Genüge, in Wahrheit wollten auch sie nichts anderes, als ihre Eroberung in ein Hotelzimmer und dann auf die Matratze zu zerren. Tatsächlich nimmt „Rex“ Jan beim nächsten Date mit in sein Hotelzimmer, doch anstatt sie dort zu überfallen, zeigt er ihr nur die Aussicht über den Central Park. Als Jan dies gegenüber Brad geradezu triumphierend mitteilt, suggeriert er ihr, dass Rex ein heimlicher Schwuler sein könnte, der unter einem Mutterkomplex leide. Das Drehbuch hält Jan den ganzen Film über in der passiven Rolle der manipulierten Frau und freut sich mit Brad über dessen „gelungenen“ Streich. Dass er sich tatsächlich in sie verliebt hat, ist eher der Konvention geschuldet, als es das Machtverhältnis umdrehen würde. Erst ganz am Schluss gestattet der Film seiner Protagonistin die Rache, als sie Brads Wohnung in einen innenausstatterischen Albtraum voller Ethnokitsch, grauenhafter Statuen, ausgestopfter Tiere und von der Decke hängender Vorhängn und Troddeln verwandelt. Aber da hat sie selbst insgeheim schon beschlossen, mit ihm zusammen sein zu wollen.

In einer sehr bizarren Episode versteckt sich Brad in der Praxis eines Entbindungsarztes und sieht sich gezwungen, bei der verdutzten Sprechstundenhilfe einen Termin wegen diffuser Magenprobleme zu machen. Als er die Praxis danach wieder verlässt, bekommt die arme Frau den Ärger des Arztes ab, der in dem vermeintlich schwangeren Mann ein Wunder der Medizin vermutet. Der Gag wird später noch einmal aufgegriffen, wenn die Sprechstundenhilfe Brad aus einer Frauentoilette kommen sieht. Dieser kleine Exkurs lässt vermuten, dass sich PILLOW TALK über die rigiden gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen für Mann und Frau bewusst ist, aber wirklich distanzieren kann er sich nicht davon. Eher ist er davon überzeugt, dass das, was vor 1.000 Jahren schon „richtig“ war, auch heute nicht umgeworfen werden muss. Das Typecasting von Doris Day und Rock Hudson tut sein Übrigen: Die Rollenklischees werden mit Augenzwinkern zur Kenntnis genommen, aber dann doch wieder zementiert. Die herzlichsten Lacher gehen auf das Konto von Thelma Ritter und Tony Randall. Beste Szene: Ritters Alma säuft Hudsons Brad am hellichten Tag unter den Tisch. Seine konsternierte Zusammenfassung des Erlebnisses: „I stayed with her through a bottle of Scotch and then lost her half way through the Vodka.“

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