Mit ‘Franz Josef Gottlieb’ getaggte Beiträge

Es war natürlich arg naiv von mir, anzunehmen, dass ausgerechnet Franz Josef Gottlieb einen brauchbaren Eurospy-Film abliefern würde. MISTER DYNAMIT – MORGEN KÜSST EUCH DER TOD ist sehr typisch für das filmische Schaffen des Österreichers: Vordergründig bunt, turbulent und witzig, ist sein Bond-Abklatsch seelen- und leblos und noch dazu grauenvoll langweilig. Auch die Besetzung mit Old Shatterhand Lex Barker in der Hauptrolle und einem prominenten Stelldichein deutscher Stars sowie Kurzauftritte von Blacky Fuchsberger, Ralf Wolter und Eddi Arent kann daran nichts ändern. Dabei hatte die Verfilmung eines Romans aus der erfolgreichen Mister-Dynamit-Reihe aus dem Pabel-Verlag eigentlich ein mindestens ebenso lukratives Franchise lostreten sollen. Der Plan scheiterte nicht etwa am kargen Niveau, sondern daran, dass man Barker mit der Gage verprellte: Nachdem der sein Gehalt vor Gericht einklagen musste, hatte er auf weitere Fortsetzungen keine Lust mehr und die MISTER DYNAMIT-Reihe war Geschichte.

Nimmt man den ersten Teil als Orientierungspunkt ist das, wie gesagt, kein Verlust. MISTER DYNAMIT – MORGEN KÜSST EUCH DER TOD dreht sich um den Raub einer Atombombe und die sich daran anschließende Erpressung der Vereinigten Staaten durch den italienischen Superschurken und Märklin-Enthusiasten Bardo Baretti (Amedeo Nazzari). Auf ihn angesetzt wird der deutsche BND-Superagent Bob Urban (Lex Barker), der die Bombe finden und sicherstellen soll. Ausgerüstet wird er vom zerstreuten Tüftler Prof. Strahlmann (Eddi Arent), zwischenzeitlich hilft ihm der CIA-Kollege Cliff (Brad Harris), als blonde Verführung agiert Lu Forrester (Maria Perschy). Bardo Baretti sitzt meist an seiner Modelleisenbahn, bevor er dann eine ganze Flasche eines nicht weiter definierten Getränks auf Ex in sich hineinschüttet und sich in einen Teppich einrollt. Auf die Frage, warum er das tut, gibt Gottlieb leider keine Antwort. Anzunehmen, dass er das einfach lustig fand.

Der Verlauf, den die Geschichte um die gestohlene Atombombe nimmt, ist eigentlich interessant und hätte unter anderen Voraussetzungen Stoff für einen spannenden Film gegeben, aber für einen solchen war Gottlieb der falsche Mann. MISTER DYNAMIT findet nie seinen Rhythmus, scheitert kläglich im Messen an den großen Vorbildern aus Großbritannien und versäumt es, so etwas wie Zug zu entwickeln. Das selbstzweckhafte Location-Hopping ersetzt eine funktionierende Dramaturgie, die Szenen im Strategiezimmer des Weißen Hauses wirken hölzern, Lex Barkers ausgestellte Souveränität erstickt jeden Anflug von Spannung schon im Keim, selbstverliebte Auftritte von Fuchsberger (als Militärpolizist) und Ralf Wolter, der die Zuschauer am Ende im Stile eines Peter Lustig zum Abschalten auffordert, enttarnen das ganze Projekt als zynisches cash grab, das sein Versprechen großen Entertainments nie auch nur annähernd einlösen kann. Man hat während der langen 105 Minuten nie den Eindruck, dass irgendjemand eine echte Idee hatte, die über marktwirtschaftliche Erwägungen hinausging. „Lass mal einen Agentenfilm ins Kino bringen, die sind gerade beliebt und wir verdienen uns damit eine goldene Nase.“ Mehr scheint hinter MISTER DYNAMIT – MORGEN KÜSST EUCH DER TOD nicht zu stecken. Schade um die vertane Chance und den Einsatz solcher Schauspieler wie Ullrich Haupt, Siegfried Rauch, Dieter Eppler oder Wolfgang Preiss, die kaum etwas zu tun bekommen und von der Regie komplett im Regen stehen gelassen werden.

Wer sich für die literarischen Ursprünge des Films interessiert und von einem echten Fachmann in die Welt der Mister-Dynamit-Romane entführt werden will, der hat hier die Gelegenheit dazu, einen ausführlichen Text von Kollege Martin Compart zu lesen. Die Zeit ist da in jedem Falle sinnvoller investiert als bei der Sichtung des Films (der tatsächlich eine DVD-Veröffentlichung erfahren hat).

 

zaertliche_chaoten_dEine „romantische Komödie“, geschrieben von Thomas Gottschalk, das ist tatsächlich so krank und pervers, wie es sich anhört. Ricky (Thomas Gottschalk), Walker (Michael Winslow) und Schmidgruber (Helmut Fischer) fliegen vom Set des neuen Winnetou-Films – Hauptdarsteller: Pierre Brice, Regie: Harald Leipnitz –, wo sie als Old Shatterhand, Soundmann und Caterer versagt haben. Auf der Heimfahrt begegnen sie der Blondine Rosi (Dey Young), die völlig hilflos neben ihrem liegengebliebenen 2CV steht. Die drei sind sofort hin- und weggerissen von der dümmlich-netten Dame und machen ihr fortan den Hof, betrachten das gleichzeitige Buhlen als eine Art Wettbewerb, den sie vor ihr noch nicht einmal verheimlichen. Rosi schaltet mitnichten die Polizei ein, um sich die drei Stalker vom Leib zu halten, sondern findet ihr Verhalten offensichtlich ganz normal und sogar „süß“. Nach einer gemeinsam durchsoffenen Nacht, bei der die Freunde eine Art „Nichtangriffspakt“ abschließen, heuern sie im Schlosshotel am Wörthersee an, wo sie bald eine Nachricht von ihrer Holden bekommen: Sie ist schwanger und hat keine Ahnung, wer der Vater ist. Die Drei entscheiden, Rosi bis zur Entbindung gemeinsam zu unterstützen, dann soll der Schuldige für den „Vertragsbruch“ von den beiden anderen verdroschen werden. Doch bis dahin sind noch viele Hürden zu nehmen, weil unqualifizierte Vollhonks auf dem Arbeitsmarkt nicht gerade gefragt sind …

ZÄRTLICHE CHAOTEN ist, wie oben erwähnt, der (gleichermaßen spektakulär wie kläglich gescheiterte) Versuch einer leichten romantischen Komödie, der deutlich von dem französischen 85er-Erfolgsfilm TRES HOMMES ET UN COUFFIN inspiriert ist (dessen US-Remake THREE MAN AND A BABY im selben Jahr wie ZÄRTLICHE CHAOTEN in die deutschen Kinos kam). Dem traditionellen Rollenverständnis und dem Schmelz dieses Genres setzen Gottschalks analphabetisches Drehbuch und Gottliebs mechanistische Regie aber ein geradezu soziopathisches Liebesverständnis und puren Autismus entgegen, der die Sexfilme eines Jürgen Enz wie aufrichtige Sozialdokumentationen erscheinen lässt. Wie die drei Hauptfiguren vom Fleck weg ihr Herz an diese durch und durch langweilige Person verschenken, dann miteinander in einen offenen Wettbewerb um sie treten, bei dem die Auserwählte, überglücklich über die Zuneigung dreier verhaltensgestörter Komplettversager, auch noch mitspielt, ist schon befremdlich genug, aber die typischen LISA-Film-Beigaben setzen dem ganzen noch die Kotkrone auf. Mit dem „Umzug“ ins bekannte Schlosshotel beginnen die episodischen Zoten mit ihrem berückend simplizistischen Humor, den popkulturellen Referenzen – der damalige Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff ist Teil einer besonders blöden Slapstick-Nummer – und den wahllos hineingeworfenen Gimmicks. Der beste Wortwitz ist Gottschalks Kommentar zu einem alten Paar Turnschuhe, das er im neuen Quartier der Freunde findet: „Turnschuhe gebraucht, Marke: Gorgonzola“. Aber was will man auch von einem Film erwarten, der ein One-Trick-Pony wie Michael Winslow zu seinem „Star“ macht? Der Amerikaner hatte seine Masche 1987 bereits in vier POLICE ACADEMY-Filmen ausgereizt und darüber hinaus nicht viel zu bieten. Neben einem Antischauspieler wie Gottschalk sieht er freilich immer noch wie die schwarze Reinkarnation Robert DeNiros aus, aber das Lustigste an ZÄRTLICHE CHAOTEN ist eigentlich der indignierte Gesichtsausdruck von Helmut Fischer, der mit zunehmender Resignation vergeblich versucht, seine Würde zu bewahren.

Die finale Pointe schlägt dem Fass dann endgültig den Boden aus: Es stellt sich heraus, dass die brave Rosi in jener alkoholberauschten Nacht mit ihren drei Verehrern nicht etwa nur von einem, sondern gleich von allen dreien begattet wurde. Mit viel Goodwill könnte man das ja als Ja zu einem nicht-traditionellen Familienbild und zur polygamen Beziehung werten, aber damit täte man diesem Film, bei dem Harry Nilssons anästhesiertes Liebesbekenntnis „Without you“ in Dauerschleife rotiert, entschieden zu viel des Guten. Man weiß nicht, ob die Masterminds hinter dem Film schier zu blöd waren, um die eindeutige Implikation hinter ihrem genialen Plottwist zu bemerken, oder ob nicht doch eher Gottschalks eigenes höchst konservatives Rollenbild dahintersteckt: Für die Dreifach-Befruchtung einer betrunkenen Frau durch drei verschiedene (miteinander befreundete) Männer in einer Nacht hätten Rechtsanwälte sicherlich einen passenden strafrechtlich relevanten Begriff parat, der ironischerweise auch beschreibt, was ZÄRTLICHE CHAOTEN mit dem Zuschauer anstellt. Kein Wunder, dass das Offensichtliche nicht ausgesprochen wird, denn in Rosis dumpfer Dankbarkeit, Empfänger eines lupenreinen Gangbangs geworden zu sein, spiegelt sich ja auch die schafherdengleiche Blödheit des deutschen Publikums, das in Scharen ins Kino rannte und dafür sogar mit einer Fortsetzung belohnt wurde. ZÄRTLICHE CHAOTEN ist so vollkommen idiotisch und bescheuert, dass man ihn sich als Bewohner dieses Landes wenigstens einmal angesehen haben muss. Empfindsame Seelen sollten jedoch Abstand von der Sichtung nehmen oder sich dafür wenigstens qualifizierten Beistand suchen.

Man könnte SUNNYBOY UND SUGARBABY nicht zuletzt aufgrund seiner Herkunft, er entstand in der umtriebigen LISA-Schmiede, irrtümlich für eine weitere Sexkomödie halten, doch in Wahrheit handelt es sich bei Gottliebs Werk um einen besonders avancierten Vertreter des übel beleumundeten deutschen „Problemfilms“. Nach der Definition des „Lexikons der Filmbegriffe“ handelt es sich bei diesem Genre

„um eine unspezifische Gruppe von Filmen, die klassen- oder gruppenspezifische oder individuelle Problem- bzw. Konfliktlagen thematisieren, für die es in der dargestellten Welt keine adäquate Lösung gibt (basierend auf Klassendifferenz, Armut, sozialen Konventionen). Bevorzugte Motive und Themen dieser durchweg realistisch motivierten Filme sind Sucht und Drogen, Armut, Ehekonflikte, Behinderung (Verstümmelung) und Krankheiten.“

SUNNYBOY UND SUGARBABY erfüllt diese Kriterien nicht nur lückenlos, er treibt das Wesen des Problemfilms auch noch in nie dagewesener Radikalität auf die Spitze. Man könnte sagen, seine Protagonisten sehen sich nicht nur einem für sie nicht zu bewältigenden Problem gegenüber, vielmehr ist es ihr ganzer Lebensinhalt (und der der Nebenfiguren), Probleme zu haben. Somit erzählt Gottliebs SUNNYBOY UND SUGARBABY weniger eine Geschichte, er folgt keinem zielgerichteten Plot, vielmehr präsentiert er ein nicht abreißende Folge von Problemen, die entweder überhaupt nicht bewältigt werden (können oder wollen), oder aber immer nur zu neuen Problemen führen. Bis zum Ende jedenfalls, bei dem die drei Antihelden des Films die einzig logische Konsequenz aus ihren Nicht-Erfahrungen ziehen: Sie erheben das Problem, das sie in 90 Minuten von Kitzbühel bis nach Manila, aus der Zivilisation bis in einen vorzivilisatorischen Urzustand trieb, zur wesentlichen, unhinterfragbaren Voraussetzung ihres ganzen Seins. Wenn es einem nicht gelingt, nach den von außen auferlegten Konventionen zu leben, muss man vielleicht die Konventionen über Bord schmeißen. Was hier noch nach Befreiung und Utopie klingt, entpuppt sich in SUNNYBOY UND SUGARBABY als lauer Kompromiss unverbesserlicher Dummköpfe.

Stefan (Ekkehard Belle) und Claus (Claus Obalski) sind beide verschossen in Eva (Sabine Wollin), und weichen ihr im Urlaubsort Kitzbühel nicht von der Seite. Eva, ganz selbstsüchtiger Cocktease, genießt die doppelte Aufmerksamkeit und mag sich deshalb gar nicht für einen ihrer beiden Verehrer entscheiden. In einer nicht enden wollenden Folge gegenseitiger Demütigungen und Irreführungen versuchen Stefan und Claus ihren jeweiligen Konkurrenten auszubooten, um die Angebetete endlich für sich zu haben. Das Absurde an der ganzen Situation: Die drei sind trotz allem die dicksten Freunde! Als Eva die Nachricht bekommt, dass ein Onkel verstorben sei und ihr sowohl sein Taxiunternehmen in Hongkong als auch diverse Restaurants in Manila vermacht habe, setzt sich das böse Spiel mit den beiden würdelosen Lustsklaven in Asien fort. Dummerweise entpuppt sich die großzügige Erbschaft als Nullnummer, die das gesamte Budget der Drei aufzehrt …

Jay-Z wusste von sich einst stolz zu sagen „I got 99 problems but a bitch ain’t one“, bei Claus und Stefan wird andersrum ein Schuh draus: Jedes ihrer zahlreichen Probleme hört auf den Namen Eva. Claus wird von Stefan ins Wasser geschmissen, als der die dösende Herzdame liebkost, dann hetzt er dem eine Fußverletzung vorgaukelnden Stefan zur Rache die Sanitäter auf den Hals, die ihn just in dem Moment abtransportieren, als er bei Eva endlich zur Sache kommen will. Weil der Satz vom Klügeren, der immer nachgibt, in der Welt von SUNNYBOY UND SUGARBABY nicht bekannt ist, wird Claus von Stefan wiederum ohne Hose in der Toilette eines Gasthofes eingesperrt, kann der Bredouille aber entkommen, weil er einem ahnungslosen Urlauber (Walter Kraus mit dem Problem, den Vertrag für diesen Film unterzeichnet zu haben, ohne zu merken, dass er den „Mann auf Toilette“ spielen muss) die seine entwendet. In Hongkong lernen Claus und Stefan beim Dschingis-Khan-Konzert (!) (hier hat ausnahmsweise einmal der Zuschauer ein Problem, nämlich jenes, den gleichnamigen Hit der Karnevalstruppe um VW-Hauskomponisten Leslie Mandoki in voller Länge ertragen zu müssen) zwei Chinesinnen kennen, die sie sogleich nach Hause schleppen. Nach vollzogenem Akt erwartet die in voller Zahl anwesende Chinesenfamilie am nächsten Morgen ein materielles Dankeschön der Kolonialherren, sodass die beiden erneut ohne Klamotten weiterziehen müssen. Eines der größten Alltagsprobleme in LISA-Filmen ist der Verlust der Hose, ein Umstand, dessen eingehende Analyse von der Filmwissenschaft bislang bedauernswerterweise versäumt wurde. (Claus lacht sich beim Sex mit der Chinesin auch noch einen Tripper an, weil der Film mit grobem Rassismus ausnahmsweise ausdrücklich kein Problem hat.) Ein abrupter Szenenwechsel versetzt den verdutzen Zuschauer – Orientierungsproblem – nun nach Manila. Erst nach einigen Minuten versteht man, dass Eva noch eine Cousine hat, die auch erben soll (Verständnisproblem). Interessanter sind aber die beiden deutschen Touristen (einer von ihnen Otto W. Retzer), die am Swimming Pool ihres Hotels schöne Asiatinnen begrabschen und sich über die konsequent auf sie herniederprasselnden Abfuhren wundern (Induktionsproblem?). Die Reise nach Manila finanzieren die drei mittellosen Hauptdarsteller (Geldproblem) unterdessen mithilfe einer mondänen Dame, die 2.000 Dollar dafür zahlt, Sex mit Claus zu haben. Doch es ist gar nicht sie, die etwas von ihm will, sondern ihr fetter, schwuler Ehemann (Identitätsproblem). Da fließen die verschiedenen Individualprobleme dann zu einer großen, amorphen kritischen Problemmasse ineinander, die nur in einer schlecht choreographierten, mit allerlei lustigen Geräuschen untermalten Keilerei aufgelöst werden kann. Weil Eva mittlerweile ein Problem damit hat, dass ihre beiden besten Freunde ein Problem mit ihr haben, zieht sie mit dem Urlaubsfreund von Otto W. Retzer von dannen, der daraufhin das Problem hat, allein zurückzubleiben. Statt Entspannung von ihrem Beziehungsproblem zu finden, hat Eva jedoch – wie unerwartet – gleich ein Neues, nämlich ihren Begleiter, der sich verständlicherweise Hoffnungen bei dem Mädchen macht, das da so mir nichts dir nichts in seinen Jeep gehüpft ist (Erwartungshaltungs-Problem). Während sie einem kleinen Philippino, der ihr nicht von der Seite weicht, ihre Wohlstandsprobleme beichtet, frönen Claus und Stefan derweil der Vielweiberei im tropischen Urlaubsparadies. Als Eva endlich zurückkommt, einigen sie sich auf die Dreiecksbeziehung, weil offensichtlich keiner von ihnen in der Lage ist, Konsequenzen aus den eigenen Unzulänglichkeitsgefühlen zu ziehen. Der Zuschauer ahnt, dass Eva, dieses dumme Luder, die beiden Klappspaten bei erstbester Gelegenheit sitzen lässt, um sich einem philippinischen Perlentaucher (no pun intended) an den muskulösen Body zu werfen. In einem Paralleluniversum existiert wahrscheinlich ein Found-Footage-Film, der zeigt, wie die mittlerweile in Unwürde ergrauten Claus und Stefan ihre hepatitisgeplagten Körper auf dem Straßenstrich von Manila feilbieten. Aber das ist zum Glück nicht mein Problem.

Vivi (Olivia Pascal) arbeitet für ein Möbelhaus und hat den Auftrag, die Tageseinnahmen von 17.000 DM zur Bank zu bringen. Unterwegs wird sie von ihrer Freundin Bea (Gesa Thoma) aufgehalten, die ihr das Geld abnimmt, ihrerseits jedoch von ihrem Macker Bob (Karl Heinz Maslo) davon abgehalten wird, es einzuzahlen. Bob ist seinerseits Lagerarbeiter bei Vivis Arbeitgeber, gibt sich vor Bea aber als Sohn des Chefs aus. Als die beiden bei ihrem Schäferstündchen im Möbellager gestört werden – die Betten, auf denen sie sich verlustieren, müssen dringend ins Hotel Zavattini am Wörthersee gebracht werden –, verliert Bea den Umschlag mit dem Geld, den der echte Chefsohn Bobby (Benny) nun mitsamt der Betten nach Velden fährt. Als Vivi erfährt, was passiert ist, bricht sie mit Bea ebenfalls nach Österreich auf, um das Geld zurückzubekommen. Unterwegs treffen sie auf den dicken Jonny (Zachi Noy), der im Hotel Zavattini eine Stelle als DJ antreten soll …

POPCORN UND HIMBEEREIS ist so etwas wie ein Best-of-Lisa-Film, beinhaltet er doch alle Elemente, die die Sexkomödchen der umtriebigen Produktionsgesellschaft zu jener Zeit auszeichneten – und das zudem auf einem vergleichsweise, ähem, hohen Niveau: Der Zuschauer bekommt eine hinreichend turbulente Geschichte serviert, die wiederum den willkommenen Rahmen für zahlreiche Verwechslungen, Tanz- und Partyszenen, unterleibszentrierte Zoten, nackte Tatsachen, grellen Slapstick, einen Hauch Action und etwas Romantik liefert. Elemente, die sich hier wohldosiert abwechseln, sodass einem nicht langweilig wird, sofern man mit dieser Form der Lowest-common-denominator-Unterhaltung denn etwas anfangen kann. POPCORN UND HIMBEEREIS hat einigen Schwung, profitiert von seiner bekannten Urlaubskulisse (überhaupt: die besten LISA-Filme wirken immer, als wären sie nebenbei, während einer Urlaubsreise entstanden) und den Darstellern, die wenn schon keine brillanten Mimen, so doch immerhin brauchbare und hier sogar recht sympathische Projektionsflächen sind. Olivia Pascal raubte Halbwüchsigen damals als erreichbar scheinendes, nicht zu loses Mädchen von nebenan den Verstand, Zachi Noy verkörpert frisch nach dem Erfolg des ersten ESKIMO LIMON den Typus des vom Pech verfolgten Losers in Perfektion und Schlagerbarde Benny bietet den jungen Zuschauerinnen etwas zum Anhimmeln, ohne das männliche Publikum dabei allzu sehr zu nerven. Neben diesen agiert das gewohnte LISA-Ensemble: Otto W. Retzer gibt den Halbstarken, Herbert Fux einen Priester, Alexander Grill den trotteligen Hotelchef und Walter Kraus den unfreundlichen Berliner Gast. Für das regelmäßige Herzeigen der Brüste engagierte man die allgegenwärtige Bea Fiedler (als Politesse, die die Tanzfläche nach Dienstschluss im Leoparden-Bodysuit unsicher macht), Ursula Buchfellner und Christine Zierl, ein Volksfest nutzte man frech, um Niki Lauda als prominentem Stargast ungefragt die Kamera ins Gesicht halten zu können. So machte man damals Filme!

Ich kann nicht anders, als für diese Art von Exploitation große Sympathien zu hegen, auch wenn POPCORN UND HIMBEEREIS ungefähr so zwingend ist wie die 25. Sorte Magnum auf der Langnese-Eistafel. Der Plot ist mit ganz heißer Nadel und ohne Rücksicht auf Logik gestrickt: Da transportiert Vivi 17 große Scheine in einer Plastiktüte auf dem Fahrrad durch München und keinen der Geschäftsführung scheint das auch nur im Mindesten zu bekümmern. Da macht das Riesenmöbelhaus tatsächlich „Betriebsferien“ und schließt für zwei Wochen seine Pforten. Und da gerät die Hatz auf das Geld zwischendurch mal ganz aus dem Blick, weil ja auch was für die Libido getan werden muss. Überhaupt: Könnte man die Situation nicht ganz einfach erklären und freundlich um Erlaubnis bitten, in die Betten schauen zu dürfen? Nein, stattdessen müssen die Protagonisten unter den fadenscheingsten Vorwänden in die Zimmer schleichen, um sie dort zu zerwühlen – und dabei natürlich regelmäßig in die Bredouille zu geraten. Der arme Jonny stört die dicke Frau des Hotelchefs beim Schäferstündchen mit dem Berliner Bronzky, beide werden wiederum vom Hotelchef ertappt, der nun die Möglichkeit sieht, den Weg für seine Beziehung zu der nymphomanen Yvonne (Ursula Buchfellner) zu ebnen. Herrje. Am Ende findet sich das Geld im Bett eines Totkranken im Krankenhaus, doch stattdessen greift man dessen geliebte Mettwurst, die durch Zufall ebenfalls in einer gelben Plastiktüte steckt. Nach 90 Minuten wildestem Hedonismus – einer der Songs, die den Film antreiben, heißt „Zufrieden mit mir“ – kommt Schwippschwager Humanismus auf einen Kurzbesuch vorbei und überlässt besagtem Totkranken die 17.000 DM, der sich davon die lebensrettende Operation leisten kann. Diesen Bogen muss man auch erst einmal spannen, ohne sich dabei ins Auge zu schießen.

Der schurkische Machredsch von Mossul (Djordje Nenadovic) hat den vermeintlichen Todessturz am Ende von DURCHS WILDE KURDISTAN wie durch ein Wunder überlebt und sinnt auf Rache. Er schließt sich mit dem Bandenführer Abu Seif (Sieghardt Rupp) zusammen, um sich den von der Chaldäerin Marah Durimeh (Anne-Marie Blanc) bewachten Schatz unter den Nagel zu reißen. Seinen Vorgesetzten, den Padischah (Fernando Sancho), überzeugt er indessen davon, dass Kara Ben Nemsi (Lex Barker) hinter eben jenem Schatz her sei, um ihn sich vom Hals zu schaffen und die schöne Igdscha (Marie Versini), die Enkelin der Schatzbewacherin entführen zu können …

„Trist“ nannte Hofbauer-Kommandant Christoph Draxtra diesen Film, den er im gleichen Atemzug als Tiefpunkt der von Wendlandt und Brauner initiierten Karl-May-Welle bezeichnete. Ich kann ihm da nur schwerlich widersprechen, wenngleich IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN nicht richtig schlecht ist. Man merkt ihm einfach überdeutlich an, dass es den Machern nur noch darum ging, möglichst schnell einen weiteren Film rauszuhauen, solange das Publikum noch bereit war, bares Geld für Karl-May-Umsetzungen zu bezahlen. Man hätte hier, ähnlich wie bei dem gleichermaßen enttäuschenden Mexiko-Zweiteiler DER SCHATZ DER AZTEKEN und DIE PYRAMIDE DES SONNENGOTTES, gut daran getan, den Rotstift anzusetzen, das Drehbuch kräftig zu kürzen und dann einen, vielleicht etwas längeren, Film daraus zu machen. IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN hat im Grunde genommen gar nichts mehr zu erzählen, nur noch lose Enden zu verknoten. Der ganze Film ist eine einzige Aneinanderreihung von Kämpfen, Verfolgungsjagden und Schlachten, die überaus ermüdend ist und sich darüber hinaus total redundant anfühlt. Warum konnte man den bösen Machredsch mit seinem kurdischen Felsensturz im Vorgänger nicht einfach sterben lassen? Seine Wiederauferstehung erscheint angesichts der Ziellosigkeit von IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN höchst selbstzweckhaft und absolut unnötig. Auch dass man sich bei der „Konstruktion“ des Ganzen sehr frei aus allen möglichen Büchern Mays bediente, diese losen Elemente dann reichlich sinnfrei unter einem ganz anderen Titel vereinte, kaschiert Franz Josef Gottlieb sehr viel ungeschickter als seine Vorgänger. Es reicht ein kurzer Ritt der Helden, um sie vom wilden Kurdistan in die Sahara und zu jenem tückischen Salzsee zu führen, mit dessen gefährlicher Überquerung Karl May in seinem Band „Durch die Wüste“ den Orientzyklus eröffnete. Nicht, dass ich mich hier für strikte Vorlagentreue oder die Wahrung geografischer Gegebenheiten stark machen will, aber in solcher Ungenauigkeit zeigt sich das Manko des ganzen Films: IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN ist lieblos zusammengeschustert, ohne jedes Gefühl für eine innere Dramaturgie, ohne Rücksichtnahme auf die Logik und vor allem eben: ohne jedes Ziel. Die zeitgenössische Kritik, die den Karl-May-Filmen von Anfang an ebensowenig wohlgesonnen war wie den zur gleichen Zeit reüssierenden Wallace-Filmen und sich damit in deutlicher Opposition zum begeisterten Publikum befand, war sich hier weitestgehend einig, beklagte „Willkür“ und „Handlungsdurcheinander“ (Evangelischer Filmbeobachter, 5. März 1966) für „anspruchslose Zuschauer“ (film-dienst, 9. Februar 1966) und den Griff in „filmische Routine-Töpfe“ (Der Tagesspiegel). Während Horst Wendlandt sich zu diesem Zeitpunkt noch in den Vorbereitungen zu WINNETOU UND DAS HALBBLUT APANATSCHI und WINNETOU UND SEIN FREUND OLD FIREHAND befand, die ebenfalls nicht mehr den ganz großen Ertrag brachten, ließ Brauner sein Engagement in Sachen Karl May nach IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN für drei Jahre ruhen und verabschiedete sich dann mit WINNETOU UND SHATTERHAND IM TAL DER TOTEN. Und das werde ich in Kürze auch tun.

durchs_wilde_kurdistanAhmed El Corda (Gustavo Rojo), Sohn des Scheichs der Haddedihn (Charles Fawcett), legt sich mit dem Machredsch von Mossul (Djordje Nenadovic) an, als der seine Männer aus einem Wasserloch des Beduinenvolks trinken lässt. Sie verhaften ihn und bringen ihn nach Burusco, wo ihn im Gefängnis des Mütesselin (Werner Peters) die Hinrichtung erwartet. Scheich Mohammed bittet seinen Freund Kara Ben Nemsi (Lex Barker) und dessen treuen Gehilfen Hadschi (Ralf Wolter) um Hilfe. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg durch das „wilde Kurdistan“, um Ahmed zu retten. Unterwegs begegnen ihnen außerdem der unverdrossene Sir Lindsay (Dieter Borsche) und sein Butler Archie (Chris Howland) sowie die schöne Ingdscha (Marie Versini) …

DURCHS WILDE KURDISTAN schließt an DER SCHUT an, obwohl er jenem als Roman vier Bände vorausging, und wurde wie zuvor DER SCHATZ DER AZTEKEN und DIE PYRAMIDE DES SONNENGOTTES als Zweiteiler angelegt. Die Fortsetzung namens IM REICHE DES SILBERNEN LÖWEN entstand mit derselben Besetzung parallel und verdankte ihren Titel einem späteren Karl-May-Roman, der mit der ursprünglichen sechsbändigen Orientreihe nichts zu tun hatte. Zum ersten Mal wurde nicht in Jugoslawien gedreht, sondern im Italowestern-erprobten Andalusien und auf dem Regiestuhl nahm mit Franz Josef Gottlieb ein Karl-May-Debütant Platz. Der Österreicher hatte für Produzent Artur Brauner zuvor bereits diverse Bryan-Edgar-Wallace-Filme und DER FLUCH DER GELBEN SCHLANGE inszeniert. Die gemeinsame Geschäftsbeziehung endete jedoch mit den Dreharbeiten zum Orient-Zweiteiler: Gottlieb wurde entlassen (wer die Filme an seiner Stelle vollendete, ist nicht überliefert), leistete sich im Folgenden einen drei Jahre dauernden Rechtsstreit mit Brauner und arbeitete danach nicht mehr mit ihm zusammen. Auch mit dem Star Lex Barker bekam Brauner Probleme, denn der sah gar nicht ein, dass er nur für einen Film bezahlt werden sollte, wenn er doch an zweien mitwirkte. Die Gerichte gaben ihm verständlicherweise Recht, Brauner musste zahlen. Dass der für die Rolle des Scheichs Kadir Bei vorgesehene Hans Nielsen kurz vor Drehbeginn verstarb, bedeutete eine weitere Unwegbarkeit, die Charles Fawcett durch Übernahme einer zusätzlichen Rolle beseitigte. Dem Film merkt man diese Probleme wie durch ein Wunder nicht an, dennoch erreicht DURCHS WILDE KURDISTAN nicht die Klasse von DER SCHUT.

Gottlieb, der sich anschließend fast ausschließlich auf Klamaukfilme verlegte, ist für einen epischen Abenteuerstoff wie diesen nur bedingt der richtige Mann. Unter seiner Regie zerfällt der Film in kleinere Episödchen, der Humor, der wohldosiert für feine Akzentuierungen sorgen sollte, gerät zu stark in den Vordergrund und erodiert so den Glauben des Zuschauers an die „Wahrheit“ des Gezeigten. Wenn eh alles nur Spaß ist, warum sich dann um das Leben der Figuren sorgen? Zugegebenermaßen sind gerade Dieter Borsche als Sir Lindsay und vor allem Werner Peters als dauerbesoffener Gefängnisvorsteher Mütesselin wunderbar, bringen genauso neues Leben in die kaum zu übersehene Karl-May-Routine wie Gottlieb mit seiner Regie, deren oberstes Paradigma „Keine Zeit verlieren“ zu sein scheint, aber spannend ist DURCHS WILDE KURDISTAN nun endgültig überhaupt nicht mehr. Man merkt deutlich, dass die Karl-May-Filme nur noch mit der Maßgabe gefertigt wurden, die Kuh so lange zu melken, wie sie noch Milch gibt und dabei möglichst wenig überflüssigen Aufwand zu betreiben. Die einmal etablierte Schablone wurde hier zum xten Mal zur Hilfe genommen und das erstickt eben jeden innovativen und aufregenden Ansatz im Keim. Ganz ohne Charme ist auch DURCHS WILDE KURDISTAN nicht: Endlos niedlich ist die mit Miniaturmodellen realisierte Ballofahrt von Lindsay und Konsorten und die finale Verfolgung des schurkischen Machredsch durch die schroffe Felsenlandschaft lässt noch einmal aufmerken, aber den Eindruck der routinierten Beliebigkeit kann Gottlieb nicht zerstreuen. So reicht es dann für nicht mehr als schmerzlose Kurzweil, was besser als nichts, aber eben nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

In diesem Film passieren Sachen.

Das mag als Inhaltsangabe eine eher dürftige Aussage sein, zudem die Frage aufwerfen, inwiefern diese simple Tatsache DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU von anderen Filmen abhebt, in denen schließlich auch Sachen passieren. Ganz einfach: In anderen, im positiven Sinne „gewöhnlichen“ Filmen passieren Dinge entweder als Resultat vorangegangener Ereignisse oder eben als Ursache nachfolgender Wirkungen. Diese „Dinge“ oder „Ereignisse“ sind meistens Handlungen in dem Sinne, dass sie von Menschen bewusst ausgeführt werden, als genuiner Ausdruck ihrer Persönlichkeit, der dem Betrachter etwas über ihn verrät. Und die Kausalketten, die diese Charaktere mit ihren Handlungen auslösen, sind nicht beliebig, sondern haben ihrerseits wieder eine erzählerische Funktion, indem sie sie in Situationen bringen, in denen sie sich weiter entfalten können oder, weniger wertend ausgedrückt, einer Entwicklung ausgesetzt sind.

All das gibt es nicht in Gottliebs drittem TANTEN-Opus (nach WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN und TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE) und wenn doch, so ist das nur eine Täuschung. Alles, was in diesem Film passiert, ist reiner Selbstzweck, steht im luftleeren Raum und spielt lediglich als beliebig austauschbare Variable in einer Formel ohne Ergebnis eine Rolle. Ein Beispiel? Damit Andy (Ilja Richter) als „Mädchen“ in einem Mädcheninternat landen kann, muss er den Mantel von Eva (Mascha Gonska) anziehen. Damit er den Mantel von Eva anzieht, muss er einen Grund haben, seine eigene Kleidung abzulegen. Damit er seine eigene Kleidung ablegt, muss ihn eine Kuh vollscheißen. Damit ihn eine Kuh vollscheißen kann, muss er sich unter ihren Arsch legen. Warum sich Andy unter den Arsch einer Kuh legen sollte? Damit sie ihn vollscheißen kann. DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU ist voll mit solchen Zirkelschlüssen, Non-sequiturs und Konstrukten, bei denen man meist das Gefühl hat, dass sie von hinten aufgezäumt wurden. Irgendwie muss man Richter und Carrell im Verlauf des Films dazu bringen, sich in Frauenkleider zu schmeißen – dies darf man nicht weiter hinterfragen, es ist gewissermaßen die conditio sine qua non der TANTEN-Filme –, also wird alles so gedreht, dass sie möglichst bald einen Grund dazu haben. Dass es noch lang nicht ausreichend ist, einem Mann einen Damenmantel überzuziehen, damit er tatsächlich für eine Dame gehalten wird, interessiert nicht: Wer Frauenkleider trägt, ist eine Frau und wird auch als solche wahrgenommen – zumindest von Männern: Das muss so sein, das ist das ungeschriebene Gesetz der LISA-Film.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem hier durchschlagenden Humorverständnis. Witz ist nicht das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener in Beziehung zueinander stehender Parameter (die technische Formulierung soll nicht in Abrede stellen, dass Witz etwas sehr Spontanes ist), sondern einfach das planlose Bedienen bestimmter Reflexe. Natürlich ist es nicht per se unwitzig, wenn jemand ins Wasser fällt, mit Scheiße beschmissen wird, mit dem Fuß gegen etwas Hartes tritt: Umwitzig ist es nur deshalb, weil der Film keinen Grund dafür liefert, warum es witzig sein sollte. Betrachtet man die TANTEN-Filme, so kommt man zu dem Schluss, dass es Dinge gibt, die ganz unabhängig von ihrem Kontext lustig sind und diese Dinge werden daher ad infinitum wiederholt: Menschen fallen ins Wasser, Menschen werden beschmutzt, Menschen verletzen sich selbst oder werden verletzt, Menschen fallen irgendwo runter. Eine besonders bescheuerte Kausalkette des Films geht folgendermaßen: Rudi Carrell steigt mit Trude Herr in ein Ruderboot. Der freche Hansi Kraus bindet das Ruderboot an ein Motorboot und zieht es hinter sich her. Warum? Egal. Auf dem See steht natürlich eine Rampe. Hansi Kraus fährt vorbei, doch Rudi und Trude schießen über sie und landen … nein, nicht auf dem Wasser, sondern auf einem LKW. Als der unter einem aum durchfährt, bleiben Rudi und Trude an einem Ast hängen. Eine weitere dreht sich um das riesige Gipsbein von Gunter Philipp, um Rudi Carrell, der sich an der Seilwinde, die es oben hält aus dem Fenster abseilt, Philipp so wiederum fast an die Zimmerdecke zieht, schließlich aber errettet wird und von Hans Terofal eine Riesenspritze in den Hintern bekommt. Terofal lacht, doch dann fällt Philipps Gipsbein auf seinen Schädel. Und der Blödsinn findet sein Ende in einer unfassbar mies choreografierten Schlägerei, in der die durch „Kraftpillen“ angeschwollenen Carrell und Richter es mit einem ganzen Schlägertrupp aufnehmen.

Die Prämisse von Gottliebs TANTEN-Filmen ist uralt: Männer in Frauenkostüme zu stecken ist lustig, weil es die Rollenbilder gewissermaßen ins Fließen bringt, das Männliche im Weiblichen und das Weibliche im Männlichen hervorgekehrt und die zementierten Mauern zwischen den Geschlechtern niedergerissen werden. Der Witz von Billy Wilders SOME LIKE IT HOT besteht nur zu einem Teil in der Tatsache, dass Lemmon und Curtis in Frauenkleidern albern aussehen. Der eigentliche Witz ist der, dass sie als Frauen bessere Männer sind (oder zu besseren Männern werden). DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU hingegen begnügt sich damit, den spargeligen Ilja Richter in Frauenkleider zu stopfen und ihn zu demütigen oder sich darüber zu freuen, dass gestandene Männer wie Theo Lingen ihn nicht erkennen hinter der Verkleidung. Über Geschlechterrollen sagt dieses Spielchen Nullkommanichts, da die TANTEN-Filme mit unserer Welt und der Gesellschaft rein gar nichts zu tun haben. Sie sind grotesk redundant und tautologisch: Ein Mann ist ein Mann, weil ein Mann Männerkleidung trägt, Frauen sind hingegen Frauen, weil Frauen Frauenkleidung tragen. Dieses mit krummen Nägeln, morschem Holz und einem Schaumgummihammer zurechtgezimmerte Weltbild gerät dann verständlicherweise schon ins existenzielle Wanken, wenn bloß die Klamotten ausgetauscht werden. Dann brechen alle Dämme und dem Irrsinn werden Tür und Tor geöffnet. Die TANTEN-Filme sind Grenzerfahrungen. Das zeigen schon die unglaublichen „Hits“ des Films: Peter Orloff sieht aus wie ein griechischer KFZ-Mechaniker auf Date-Rape-Mission, der gruselige Wolfgang singt ein seltsam einlullendes Liedchen über den „Trödler Abraham“ und der serienmördereske Danyel Gerard huldigt einem „Butterfly“. Kein Wunder, dass DIE TOLLEN TANTEN SCHLAGEN ZU atmosphärisch an das Endzeitkino der frühen Achtzigerjahre denken lässt.

 

Paul (Ilja Richter) arbeitet im Münchener Reisebüro „Exklusiv Reisen“ von Herrn Storz (Hubert von Meyerinck), der sich rühmt, als einziger in der Bayernmetropole Reisen ins Schlosshotel Velden am Wörthersee anzubieten. Dummerweise hat Paul die Kooperation mit dem Hotel aus Versehen gekündigt und wird von seinem wutentbrannten Chef nach Österreich geschickt, um den Fehler auszubügeln. Sein Kumpel Rudi (Rudi Carrell) hat eh nichts Besseres zu tun und fährt deshalb kurzentschlossen mit. Die beiden haben jedoch ein Problem: Sie können sich zünftiger Musi noch weniger entziehen als schwachsinnigen Filmabenteuern und halten deshalb in einem kleinen Bergdorf, wo „The Cent Boys“ soeben ihren Granatenhit „Mensch, Meier!“ zur Freude aller Anwesenden intonieren. Es dauert keine zwei Minuten, da ist Rudi auch schon in die Lederbuxe geschlüpft und geht mit den Mädels auf Tuchfühlung, derweil das Weißbier gleich literweise fließt. Das Ergbnis: Rudi und Paul liegen wenig später sternhagelvoll unter der Bank und der Drogenschmuggler Ted Cocci (Jochen Busse) klaut ihr Auto.

Aufgrund eines kurzen Schlaganfalls weiß ich leider nicht mehr, wie die beiden dann doch noch zum Wörthersee gekommen sind, meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als sie zur Abkühlung ein schönes Bad im Freien nehmen. Ein des Weges daherfahrender Trecker nimmt leider ihre Klamotten mit, sodass sie nackt bis auf die Unterhose im Grünen stehen. Nach einer Spritztour auf einem gestohlenen Motorrad fällt ihnen als Wink des Schicksals ein großer Koffer vor die Füße, in dem sich – natürlich – haufenweise Frauenkleider befinden, die beide sofort anziehen und nach kurzer Wartezeit einen bereitwilligen Anhalter finden. Im Schlosshotel angekommen, checkt Rudi als die vom Hoteldirektor Poldi (Gunther Philipp) bereits sehnsüchtig erwartete, wohlhabende Frau Himmelreich ein und gibt Paul als sein persönliches Zimmermädchen aus. An diesem Punkt verliert sich die Spur eines Plots im tosenden Rauschen angerissener Episödchen, heiterer Musiknummern, ausgewalzter Slapsticknummern, kitschiger Romanzen und hysterisch abgespulter Klischees aus dem jahrhundertealten Schatz der deutschen Schwänke und Burlesken, die von einem nicht enden wollenden Strom von Nebenfiguren, Stargästen und Schmierenkomödianten dargeboten werden.

Dem schönen Hoteldiener André (Chris Roberts) stellen die beiden Zwillingsschwestern Uschi und Muschi (Ulli & Gaby König) nach, die sich jedoch als eine Person ausgeben und als Telefonistin im Schlosshotel anheuern. Wann immer André sie an ihrem Arbeitsplatz auftaucht, muss eine von beiden hinter dem Schrank verschwinden. Er kommt sie sehr häufig besuchen, doch dieses ganze wahrhaft urkomische Geschichtchen läuft trotzdem ins Nichts, wo sich auch parallele Geraden treffen. Dann ist da noch Inspektor Grassinger (Rainer Basedow), der dem Drogenschmuggler Cocci auf der Spur ist und die große Karriere wittert, als ihm die eigentlichen Besitzer des von diesem gestohlenen Wagens in die Hände fallen. Gunther Philipp verliebt sich genauso in die „schöne“ Frau Himmelreich wie der bald eintreffende Herr Storz. Beide offensichtlich mit schwindendem Augenlicht oder einem ausgesprochen miesen Frauengeschmack ausgestattet, machen dem Rudi ihre Aufwartungen und werden so zu Opfern unzähliger „Späße“, die jedoch niemals das Niveau von „Angelhaken im Po“ oder „ins Wasser fallen“ überschreiten. Dann ist da auch noch ein wie Val Kilmer im gelangweilten Stadium seiner Karriere aussehender Christian Anders als eigentlicher, neuer, aber inkognito bleiben wollender Hotelbesitzer: Der wie ein angehender Serienmörder wirkende Barde tritt mit einer schönen Blonden im Schlepptau die Reise nach Velden an, legt aber zwischendurch immer wieder mal Pausen ein, um ihr pathetische, selbsvergessene Ständchen zu halten, die jede normale Frau in die Flucht schlügen, aber ganz sicher nicht in seine Arme trieben. Am Ende trifft natürlich die echte Frau Himmelreich ein, um die Verwirrung komplett zu machen, und Alexander Grill läuft auch rum, ich weiß aber nicht mehr, in welcher Funktion. (Es ist ja erwiesen, dass das Bewusstsein abschaltet, wenn der Organismus sonst in Gefahr geriete.) Zwischendurch schippert Graham Bonney über den Teich und schmettert ein Liedchen von seiner „Marie“ ins Firmament und Kurt Stadel  intoniert ein Medley, bei dem er diverse Hits und Interpreten imitiert. Chris Roberts singt natürlich auch, zum Beispiel „Du bist nicht mit Gold zu bezahlen“ oder „Ein Mädchen nach Maß“, zwei Titel die das Breite Spektrum seiner Erwartungen an Frauen illustrieren. Ich schätze, Uschi ist das Mädchen nach Maß, während die Muschi nicht mit Gold zu bezahlen ist, aber ich stecke natürlich nicht drin im Schlagerschädel.

Insgesamt fand ich diesen ersten Film der „Tanten“-Reihe um Richter und Carrell etwas erträglicher als seinen direkten Nachfolger, den Hirnblutungen verursachenden TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE, aber das mag auch einfach daran liegen, dass ich bei der Sichtung jenes filmischen Giftgasangriffs schon einige IQ-Punkte eingebüßt getutet habe. Vertraue ich meinem Hirn jedoch, so scheint mir WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN etwas weniger schrill, nicht ganz so zielsicher beim Griff in den cineastischen Kot, in seinen komödiantischen Ergüssen nur halb so ätzend wie der laugige Zweitling. Strebte man mit dem Sequel den Durchbruch in neue Galaxien an, wo noch nie ein Witz überlebt hat und niemand einen lachen hört, schuf man dort etwas, was mit menschlichen Vorstellungen von „Humor“ nur noch Rudi-mentäre Ähnlichkeiten hat, viel eher wie von künstlichen Intelligenzen simuliert anmutet oder gar wie die Kunstversuche von Insassen einer Heilanstalt, so erkennt man im Erstling noch die Wurzeln in Schwänken der Fünfzigerjahre, in denen dann ein Peter Alexander oder Heinz Erhardt den Takt vorgab. Ein Stück Restmensch ist gewissermaßen noch enthalten, auch wenn das unserer Rasse auch kein besonders gutes Zeugnis ausstellt. Auch dieses nach verschwitzten Polyesterblusen oder seit 40 Jahren nicht mehr geöffneten Reisekoffern müffelnde Stück Zelluloidverpestung ist bestens dazu geeignet, leicht zu beeindruckenden Gemütern den Schlaf oder gar den Verstand zu rauben. Die Sichtung sollte – wie die Einnahme von schweren halluzinogenen Drogen oder Medikamenten – daher ausschließlich unter Aufsicht geschulten und erfahrenen Personals oder auf ausdrückliche medizinische Empfehlung erfolgen oder von gefestigten, stabilen Personen getätigt werden. Schäden an Leib und Seele sind sonst nicht auszuschließen.

Gerda Börner (Elisabeth Krogh) und ihre Freundin Karin (Mascha Gonska) sind außer sich: Gerda hat von ihrer Tante Trude aus Buxtehude (der erste von unzähligen Riesengags des Films) eine Million DM geerbt. Die Ernüchterung folgt, als der vermeintliche Geldkoffer bei ihr ankommt: Statt dicker Bündel Geldscheine findet sie einen Haufen hässlicher Kleider, die der klapprige Kumpel Moritz (Ilja Richter) sofort verkaufen geht. Dummerweise stellt sich dann jedoch heraus, dass die exzentrische Tante den Schlüssel zu einem Schließfach in eines der Kleider eingenäht hat. Die Jagd nach ihm führt die zwei Mädels gemeinsam mit Moritz und dem smarten Rudi (Rudi Carrell) nach Kitzbühel, wo der Boutiquenbesitzer Tony (Chris Roberts) mittlerweile versucht, die Designerstücke an den Mann zu bringen. Bis die Million in Karins Händen liegt, sind zahlreiche Hürden zu nehmen, Verwechslungen aufzudecken, Musiknummern zu durchleiden und hirnrissigste Slapstick-Einlagen zu überstehen …

Ein Monument des Leids. Hatte ich im Falle von DIE SUPERNASEN zuletzt noch versucht, eine Lanze für die deutsche Gaga-Komödie zu brechen, so muss ich hier kampflos die Waffen strecken. Mit TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE – einer Art Sequel zum vorangegangene Carrell/Richter-Film WENN DIE TOLLEN TANTEN KOMMEN – hat Regisseur Gottlieb eine echte Stinkbombe vorgelegt, einen Film, der so durch und durch daneben ist, dass es schwer fällt, eine Erklärung für das sich dem Betrachter bietende Chaos zu finden. Dass Gottlieb über Wochen das Trinkwasser der agierenden Darsteller mit halluzinogenen Drogen versetzte oder sie mit einem aggressiven Hirnparasiten infizierte, scheint durchaus plausibel. Das unfassbare Elend beginnt schon mit der Gestalt Ilja Richters: Der absolviert hier nicht nur den Basiskurs in Slapstick, indem er mit dem Kopf vor alle sich irgendwie darbietenden Hindernisse rennt, ständig in Ohnmacht fällt oder anderen „lustigen“ Unfug treibt, er entblößt gleich mehrfach seinen pathologisch dürren Körper, der blankes Entsetzen (und Ekel) beim empathiebefähigten Zuschauer hervorruft. Aber er ist natürlich nicht alleinverantwortlich für den Angriff auf körperliche und geistige Unversehrtheit, den TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE darstellt.

Schlagerschönling Chris Roberst muss sicherlich auch noch genannt werden: In einem Film, dessen in den schönsten augenkrebsverurschenden Farben schillernden Kostüme bereits Legende sind, ist er der König der Geschmacklosigkeiten. Egal ob er einen leberwurstfarbenen Rollkragenpulli in Hüfthöhe mit einem Ledergürtel umschlingt, pinke Polyesterhemden mit sonnengelben Asbest-Pullundern kombiniert oder schließlich im zitronengelben Veloursmantel mit Plüschbesatz herumstolziert, er sieht immer scheiße aus. Und als gäbe er sich so noch nicht genug der Lächerlichkeit preis, sind seine Lieder ausnehmend für Gehirnamputierte komponiert: „Mein Name ist Hase“ ist sicherlich das seltsamste Ständchen, das man einer prinzipiell paarungswilligen Dame halten kann. Tatkräftige Unterstützung in Sachen musikalischer Geschmacksverwirrung bekommt er von Ramona: Die könnte rein physisch nicht nur die Zwillingsschwester von Ilja Richter sein, ihr wahrscheinlich nach 12 Litern zähflüssigsten Espressos eingehämmerter Hit „Alles, was wir woll’n auf Erden“, den sie darbietet, als erleide sie einen epileptischen Anfall oder stehe unter Strom, verkörpert die entfesselte Aggressivität und die buchstäblich ätzende Qualität des Films perfekt. Richters eigenes Ständchen, geadelt von dem Refrain „Ich will barfuß über den Broadway tanzen und am Straßenrand Blümchen pflanzen“ macht gewisermaßen „den Deckel drauf“.

Alles, wirklich alles, was man am Genre der deutschen Schlagerkomödie grauenvoll findet, findet man in TANTE TRUDE AUS BUXTEHUDE in geballter, vielfach potenzierter Form. Männer tragen Frauenkleider und sehen sich sogleich den Avancen diverser Idioten ausgesetzt, eine breit ausgedehnte Gagreihe dreht sich um ein Plastikskelett, das ohne erkennbaren Grund auftaucht und an immer neuen Orten Angst und Schrecken verbreitet, und als Lebenselixier gibt es unzählige Verwechslungen, Verwechslungen, Verwechslungen. Das kulminiert dann darin, dass am Ende gleich drei Männer als „Tante Trude“ in der Bank vorstellig werden und die Million für sich beanspruchen.  Außerdem droht das Liebesglück von Gerda und Toni zu scheitern, weil sie aufschnappt, dass „Toni“ die blonde Ricki heiraten will. Bei diesem Toni handelt es sich dann aber nicht um ihren feschen Schlagerbarden, sondern um das Ski-As Toni Sailer, der hier als Gaststar auftritt, bei Ricki wiederum um des Roberts Schwester, die in TANTE TURUDE AUS BUXTEHUDE keinen anderen Zweck erfüllt, als für eben diese Verwechslung zu sorgen. Neben Sailer-Toni machen alle „Größen“ des Genres ihre Aufwartung: Theo Lingen spielt den zunehmend verzweifelteren Chefportier eines Hotels, Rainer Basedow einen streitsüchtigen Gast in einer Kneipe, Gunther Phillip einen wahnsinnigen Arzt, Hans Terofal gibt den dusseligen Friseur (der von Carrell mit Chloroform betäubt wird), Alexander Grill den minderbemittelten Hoteldiener, der mantraartig gesteht: „Des woas I net“, Rudolf Schündler den Satzteile verwechselnden Notar, Jochen Busse einen „Kleiderhändler“ und Herbert Fux einen Ganoven – vielleicht der einzige Lichtblick des Films. Es gibt eine immerhin spektakulär choreografierte Skinummer, ansonsten ist der ganze Film eine einzige Qual, bei der man sich fragt, womit man das verdient hat. Und was ist eigentlich in Gottlieb, der doch mit DAS SIEBENTE OPFER bewiesen hatte, dass er sich durchaus auf Humor versteht, der nicht das Gehirn beschädigt. Ich habe mir diesen Albtraum jetzt zum zweiten Mal angetan. Ein drittes Mal wird es in diesem Leben nicht geben.

Rund um die zwielichtige Animierkneipe „Sansibar“ kommt es zu brutalen Messermorden. Weil man bei einer Leiche eine afrikanische Götzenfigur findet, beauftragt Scotland-Yard-Chef Sir Phillip (Hans Söhnker) den Afrika-Experten Hugh Patton (Dieter Borsche) mit der Ermittlung. Der findet heraus, dass die Opfer etwas miteinander gemeinsam hatten: Alle waren sie an Bord einer Yacht, die unter ungeklärten Umständen unterging. Zu den Verdächtigen gehört Joanna Filiati (Elisabeth Flickenschildt), die querschnittsgelähmte Besitzerin der „Sansibar“, aber auch Sir Phillip, der eine Liebesbeziehung mit der Krimischriftstellerin Clarinda Smith (Barbara Rütting) eingeht, verhält sich seltsam …

Nur der Tatsache, dass DAS PHANTOM VON SOHO mit seinen 92 Minuten vielleicht einen Hauch zu lang geraten ist, habe ich es zu verdanken, dass ich mein voreilig gefälltes Urteil, DAS SIEBENTE OPFER sei Gottliebs bester Gruselkrimi, nicht revidieren muss. Hier verkneift er sich humorige Einsprengsel weitestgehend – Peter Vogel gibt das obligatorische Comic Relief, geht dabei aber wesentlich zurückhaltender vor, als man das von Eddi Arent oder Chris Howland gewohnt ist – und erzählt seinen Whodunit straight und ernst herunter. Sehr zu Gute kommen ihm dabei das wunderbare Set Design (das auch im Nachfolger DAS UNGEHEUER VON LONDON-CITY noch einmal Verwendung findet), die Fotografie von Richard Angst, der die (wahrscheinlich) im Studio aufgebauten Straßenzüge und das dekadent-verr(a)uchte Interieur der „Sansibar“ mithilfe von Nebelmaschinen und Scheinwerfern (für effektive Schattenwürfe) angemessen atmosphärisch ablichtet, und die erneut famose Besetzung. Wallace-erprobte Mimen wie Elisabeth Flickenschildt, Hans Nielsen, Werner Peters (als Masseur und „Modearzt“, der „einflussreiche Personen in den höchsten Gesellschaftskreisen massiert“), Dieter Borsche, Barbara Rütting und Stanislav Ledinek schaffen im Handumdrehen dieses gewisse Flair, in dem man sich sofort zu Hause fühlt, und spielen ihre Rollen mit heiligem Ernst. DAS PHANTOM VON SOHO weicht vom bewährten Konzept insofern ab, als das mondän-aristokratische Milieu mit seinen traditionsreichen Adelssitzen und den Lords, Sirs und Ladys, in die einen die Wallace-Krimis sonst entführen, zugunsten des Abstiegs in den Sündenpfuhl von Soho verworfen wird. Hier nimmt Gottlieb schon die Entwicklung vorweg, die die Rialto-Wallaces ab 1966 mit Alfred Vohrers DER BUCKLIGE VON SOHO einschlagen würden.

Tanja Berg weist während der Title-Sequenz mit ihrem verführerisch hingehauchten Song „Soho“ den Weg für die folgenden 90 Minuten und die Auflösung hat auch nichts mehr mit den materialistischen Erbschaftsgeschichten zu tun, die die Belegschaft der Wallace-Krimis sonst in Tod und Verdammnis führen. Hier geht es stattdessen um Menschenraub, Mädchenhandel und organisierte Massenvergewaltigung unter Drogeneinfluss sowie den Einfluss, den diese Verbrechen auf die Psyche der Opfer haben. Nachdem Gottliebs Film dem Zuschauer zwar leicht angesleazte, aber dennoch weitestgehend unschuldige Unterhaltung geboten hat, ist das Finale ein ziemlicher Downer, das einen ganz schön schlucken lässt. Man möchte fast glauben, dieser Kontrast war Absicht.