maximum risk (ringo lam, usa 1996)

Veröffentlicht: Juli 4, 2011 in Film
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Der französische Polizist Alain Moreau (Jean Claude Van Damme) erfährt von der Existenz seines Zwillingsbruders Mikhail erst, als er dessen Leiche gegenübersteht. Um herauszufinden, wer sein Bruder war, und um seinen Tod aufzuklären, begibt sich Alain nach New York. Dort findet er heraus, dass Mikhail Mitglied der Russenmafia war, aber offensichtlich kurz davor stand, auszusteigen: Dazu machte er gemeinsame Sache mit dem FBI …

Mitte der Neunzigerjahre schlug in Hollywood die Stunde der Hongkong-Regisseure. Mit John Woo, Tsui Hark und Ringo Lam feierten die drei berühmtesten Actionfilmemacher aus der Noch-Kronkolonie zwischen 1993 und 1996 ihre US-Debüts (ein Jahr später sollte auch noch Ronnie Yu folgen) und es schien, als könnte etwas von dem Glanz des Hongkong-Kinos, das Actionfreunde seit einigen Jahren in Bann schlug, auf das in Big-Budget-Bullshit zu ersticken drohende US-Actionkino abstrahlen. Dass es wohl eher darum ging, die unliebsamen Konkurrenten dem eigenen Standard anzupassen, als diese tatsächlich Einfluss nehmen zu lassen, kam schon in in der an Einfallslosigkeit kaum mehr zu überbietenden Entscheidung zum Ausdruck, jedem dieser drei Filmemacher für sein Debüt die „Muscles from Brussels“ zur Seite zu stellen, fast so, als sei das ein geheimer Initationsritus, den importierte Actionregisseure zu überstehen haben, um ihre Eignung für Tinseltown zu beweisen. Nach Woos HARD TARGET und Harks DOUBLE TEAM war Lam mit MAXIMUM RISK also der dritte im Bunde (er blieb dem Belgier auch über diesen treu und drehte mit ihm noch den zwiespältigen REPLICANT und den famosen IN HELL) und machte seine Sache durchaus ordentlich, wenngleich er keinen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen konnte. Sein Film war in seiner Anlehnung an das europäische Agententhrillerkino über weite Strecken zu unaufgeregt, um zwischen den Megablockbustern bestehen zu können, aber auch zu flach, um die trauernden Liebhaber des Hongkong-Kinos über den Abschiedsschmerz hinwegzutrösten.

Wenn es in MAXIMUM RISK knallt, dann merkt man, was Lam zu leisten im Stande ist: Die Eröffnungssequenz, eine Verfolgungsjagd durch die engen Gassen Nizzas, an deren Ende Mikhail sein Leben aushaucht, ist Actionkino in Perfektion, mit Stunts, die in Lams Inszenierung gleich doppelt so wahnsinnig aussehen. Auch die anderen Actionszenen, die kurzen Schlägereien, in die Alain immer wieder verwickelt wird, ein selbstmörderische Verfolgung zwischen fahrenden Zügen an einem Bahnhof oder schließlich der Showdown, bei dem auch eine Kettensäge zum Einsatz kommt, sind eine ganze Ecke physischer, unmittelbarer und damit zupackender als bei vielen von Lams Kollegen, doch leider versumpft der Film zwischen diesen Höhepunkten immer wieder in der Beliebigkeit und in abgegriffenen Klischees. Nun ist Lam noch nie ein Filmemacher gewesen, der seine Filme auf Höchstgeschwindigkeit bügelte, sondern einer, der Action immer sehr dosiert einsetzte und stets um eine gewisse Authentizität bemüht war. Doch diese Authentizität geht nunmal zwangsläufig flöten, wenn Van Damme in einer Doppelrolle als toter Russengangster und französischer Supercop besetzt wird, eine mit dem Charisma eines eingeweichten Brötchens ausgestattete Natasha Henstridge als Love Interest auftritt und sämtliche Schurkencharaktere mit einem rassistischen Russenakzent ausgestattet werden. MAXIMUM RISK ist gewiss nicht blöder oder dümmer als andere US-Actioner jener Zeit, aber eben auch nicht so clever, wie es Lams nachfolgende Hongkong-Knaller FULL ALERT und THE SUSPECT sein sollten.

Was schade ist, weil die Geschichte um einen Mann, der herausfinden will, wer dieser tote Bruder eigentlich war, von dem er nichts wusste, und dabei auch seiner eigenen Identität hinterherläuft, durchaus interessanten Stoff für einen abgründigen Actionfilm um gelebte (Doppel-)Identitäten geboten hätte. So bleibt es aber bei einer kurzen Szene gegen Ende, in der diese Idee abgehandelt wird, und es spricht Bände, dass diese auch den emotionalen Höhepunkt in einem Film darstellt, der mich sonst kaum berührt hat. In ihr sieht man auch schon, dass Van Damme durchaus schauspielerisches Talent besitzt; eine Feststellung für die man noch bis vor einigen Jahren und dem Achtungserfolg von JCVD ausgelacht worden wäre. Fazit: MAXIMUM RISK ist ein erstklassig inszenierter Actionfilm mit guten Production Values und dankenswerterweise ohne die Blödheiten, die man etwa bei Harks DOUBLE TEAM gleich sackweise verabreicht bekam. Für echte Begeisterung fehlt dem Film aber einfach der letzte Kick. Den holt man sich hinsichtlich der Kombination Lam/Van Damme am besten bei IN HELL ab.

Kommentare
  1. Thomas Hemsley sagt:

    Bin ja noch nicht auf den JCVD-Revisions-Zug aufgesprungen, der in den letzten Jahren grassiert. Meine VanDamme-Rezeption endet mit diesem Film, oder DOUBLE TEAM, welcher auch immer zuletzt im Kino kam. Ich war auch Anfang der Neunziger kein richtiger Fan von ihm, hab aber pflichtschukdigst seine Filme angeguckt, teilweise im Kino – nach diesem Machwerk hier hab ich einen Schlussstrich gezogen, ich kann mich noch nicht einmal an die großartigen Actionszenen, die du beschreibst, erinnern. Und bei DOUBLE TEAM hab ich zwischendurch gedöst. Aber vielleicht sollte ich mir endlich IN HELL, UNIVERSAL SOLDIER: REGENERATION, JCVD und den einen, den du auf Hard Sensations lobpreist, anschauen. Sonst nochwas empfehlenswertes aus den letzten Jahren seit MR?

    • Oliver sagt:

      Neben den genannten sind auf jeden Fall UNTIL DEATH – düsterer Copfilm mit einm ultradepressiven JC, der trotz einer Kugel im Kopf noch lebt: also quasi auf Bewährung auf Rachefeldzug gehen darf –, WAKE OF DEATH – mit Simon Yam als Schurke – und THE SHEPHERD von Florentine zu empfehlen. Ich finde auch KNOCK OFF von Tsui Hark ganz fantastisch: Meines Wissens kam der noch nach DOUBLE TEAM ins Kino. ASSASSINATION GAMES fällt gegenüber den genannten doch ein bisschen ab.

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