new kids nitro (steffen haars/flip van der kuil, niederlande 2011)

Veröffentlicht: Juli 2, 2012 in Film
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Ein Meteoriteneinschlag in der nördlichsten niederländischen Provinz Friesland löst über verseuchte Kuhmilch eine Zombie-Epidemie aus. Gleichzeitig verzetteln sich die fünf Kumpels aus Maaskantje in einem Kleinkrieg mit der Clique um den Proleten Dave (Guido Pollemans) aus dem verhassten Nachbarörtchen Schijndel. Als Richard (Huub Smit) seine kranke Mutter auf eine Busreise nach Friesland schickt, um sie vor den Anschlägen der Schijndel-Posse in Sicherheit zu bringen, ahnt er nicht, dass er sie damit einer viel größeren Gefahr aussetzt. Gemeinsam mit ihren Rivalen aus dem Nachbarort stellen sich die „New Kids“ schließlich der drohenden Zombieinvasion …

Zunächst mal scheint NEW KIDS NITRO – das erkennt man schon an der fragmentarischen Plotline, die im Film selbst tatsächlich noch weniger kohärent wirkt als in der schriftlichen Zusammenfassung – ganz der sequeltypischen „Höher, schneller, weiter“-Ideologie verpflichtet: Er ist noch wilder, noch prolliger, noch blutiger, noch geschmackloser, noch lauter, noch bizarrer als der Vorgänger. Und diese Overthetopness geht tatsächlich so weit, dass man sich teilweise beschämt vom Treiben abwendet: Der Gipfel wird erreicht, als die Schlacht zwischen den Cliquen aus Maaskantje und Schijndel von einer Frau gestört wird, die an die Vernunft und Menschlichkeit der Rivalen appelliert. Diesen Versuch der Schlichtung bezahlt sie mit der vaginalen Penetration mit einem abgebrochenen Besenstiel und auch die Tatsache, dass sich das offscreen ereignet, mildert die Pein beim Zuschauer nur wenig. Doch der offensive Gross-out, den Haars und van der Kuil betreiben, ist weniger Zeichen von Ideenlosigkeit, sondern satirische Strategie, Methode: NEW KIDS NITRO ist unverkennbar eine Reaktion auf die Heldenverehrung, die den geistig minderbemittelten Protagonisten nach dem ersten Teil von vielen Fans entgegengebracht wurde. Und wer bislang noch der Meinung war, Richard, Gerrie, Rikkert, Robbie und Barrie seien coole Typen, ihr Verhalten irgendwie nachahmenswert, der wird hier mit der hässlichen Wirklichkeit konfrontiert.

Gleich mehrfach wird der Zuschauer als Teil des Geschehens ins Bild gerückt. Zwar gab es das auch im Vorgänger, doch der Zweck dahinter war ein anderer: Wurde damals – meist für den komischen Effekt – die Solidarität zwischen den New Kids und dem Volk vor dem Fernsehschirm betont, das von den Abenteuern der Protagonisten via Nachrichtensendungen und Liveschalten mitbekam, so begegnet man in NITRO vor allem bräsigen Konsumenten, die sich vom Film bzw. den New Kids bedienen lassen wollen. Zwei dumpfe Kinozuschauer begröhlen die niederträchtigsten Witze, scheitern aber daran, die Handlung des Films auch nur in Grudnzügen wiederzugeben, ein Jüngling beschwert sich darüber, dass das Sequel doch auch nur more of the same böte, ein „cooler“ Spießbürger biedert sich bei den Proleten wiederholt an, indem er deren herablassenden Phrasen kopiert und dann seine Kralle zum Abklatschen hinhält, ein anderer Junge darf sich am Schluss als Gewinner eines Preisausschreibens vorstellen, das ihm eben diese Rolle gebracht hat: Er wird dann vom niederländischen Kickbox-Champion Peter Aerts umgetreten, ohne das dies auch nur annähernd in den Film eingebunden würde. Die Botschaft dahinter ist klar: An den New Kids ist eigentlich nichts zum Lachen und wenn doch, dann nur solange sie auf der Leinwand bleiben. Im „wahren Leben“ sollte man ihnen – oder vergleichbaren Menschen – besser nicht begegnen. Und wer das nicht verstanden hat, unterscheidet sich kaum von den Zombies, die da aus Friesland über die Niederlande herfallen.

Diese Masche, dem eigenen Publikum den Stinkefinger zu zeigen, kann man durchaus kritisieren. Seinen Fans genau die krasse Scheiße zu servieren, die sie haben wollen, und sie dafür durch den Dreck zu ziehen, dass sie sich genau das dann auch anschauen, darf man durchaus als unaufrichtig bezeichnen. Aber dann muss man diesen Full Frontal Assault, den Haars und van der Kuil hier fahren, wieder einfach nur bewundern. NEW KIDS NITRO reizt den Rahmen dessen, was im „Unterhaltungsfilm“ geht, mit seinen gechmacklosen Witzen, den Litern an Blut, die hier vergossen werden, den Zeitlupenbildern vollgewichster Gesichter bis ans äußerste Limit aus, bietet eine filmische Entsprechung zu dem Kawalltechno, den seine Protagonisten am liebsten hören, und lässt die Tachonadel über die gesamte Laufzeit komplett am äußersten rechten Rand anschlagen. Formal nähert sich NITRO so seinen Protagonisten an: Es wird unverkennbar, dass das Leben auf der Überholspur, ohne moralischen Kompass, ohne Kompromisse, ohne Rücksicht auf Verluste nur in die Sackgasse führen kann – oder vor eine Mauer. Als Beispiel für filmischen Exzess ist NEW KIDS NITRO somit unverzichbar: Er macht auch dann noch nicht halt, wenn sich der Zuschauersaal längst geleert hat. Es stellt sich die Frage, ob das mit einem weiteren Sequel noch überboten werden kann – oder ob man diesen Film nicht sogar als freiwillig in den Sarg geschlagenen letzten Nagel verstehen muss. NEW KIDS NITRO als „Banzai!“ schreiender Kamikazepilot quasi. Was uach immer die Regisseure geritten haben mag: Es dürfte eh verdamm schwer werden, die Protagonisten für weitere Abenteuer zu gewinnen, nachdem ihnen für die Rettung der Niederlande förmlich das Paradies zu Füßen gelegt worden ist. Ihre Belohnung heißt: „Huren ficken und nie mehr arbeiten“.

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