follow me quietly (richard fleischer, usa 1949)

Veröffentlicht: August 29, 2011 in Film
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Seit sechs Monaten versetzt ein Serienmörder namens „The Judge“ die Stadt in Angst: Immer, wenn es regnet, bestraft er jemanden, der seiner Meinung nach Dreck am Stecken hat. Trotz einer Vielzahl von Beweisstücken ist es dem zuständigen Polizisten, Lieutenant Harry Grant (William Lundigan), bislang nicht gelungen, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Frustriert von der eigenen Hilflosigkeit hat er eine Idee: Mithilfe der zusammengetragenen Indizien lässt er eine lebensgroße Puppe ohne Gesicht herstellen, die dem Phantom eine greifbare Gestalt geben soll. Der Erfolg bleibt zwar vorerst aus, doch dafür entwickelt Grant eine Beziehung zu dem Pappkameraden …

Zwar kommt auch FOLLOW ME QUIETLY nicht ganz ohne die damals üblichen B-Movie-Formeln aus – ein weitestgehend unnötiger Subplot um eine Yellow-Press-Reporterin, die Grant für eine Story gewinnen will, bringt einen Hauch Romantik ins Spiel und bietet den Aufhänger fürs obligatorisch unpassende Happy End mit Hochzeitsplänen -, doch sieht man darüber hinweg, entdeckt man dahinter einen raffinierten und erstaunlich modernen Serienmörderfilm, der Fleischers Abstraktionsbemühungen im 22 Jahre später gedrehten SEE NO EVIL vorwegnimmt. Der Killer ohne Gesicht wird nicht nur zum Spiegel des Ermittlers Grant, der von Fleischers Inszenierung immer wieder als Verdächtiger angeboten wird (und sich einmal gar anhören muss, er benehme sich langsam selbst wie der „Judge“), sondern auch zur idealen Projektionsfläche für gesellschaftliche Angstzustände und zur Chiffre für die zerstörerische Potenz, die in jedem schlummert, stilisiert.

Als „realistischer“ Krimi betrachtet wirft FOLLOW ME QUIETLY viele Fragen auf, die nahelegen, dass Fleischer ein solcher nicht interessiert hat: Kein Polizist der Welt kämme wohl auf die Idee, eine Puppe ohne Gesicht könnte ein wertvolles Hilfsmittel bei den Ermittlungen sein, und eine von diesmal drei großartigen Szenen, ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man sie nicht allegorisch interpretiert: In seinem nächtlichen Büro hält Grant Zwiesprache mit der vor ihm im Stuhl sitzenden Puppe. Der Regen prasselt gegen die Scheiben und Grant spürt, dass der Killer heute wieder zuschlagen wird. Sein Kollege kommt herein, lädt Grant zur Entspannung auf einen Drink ein. Beide verlassen zusammen den Raum. Plötzlich erhebt sich die Puppe: Es war die ganze Zeit der echte Killer! Er holt die Puppe aus einem Versteck hervor, setzt sie wieder auf den Stuhl und verlässt dann ebenfalls den Raum. Nichts deutet jedoch später darauf hin, dass der Killer die Polizei ausspioniert haben könnte, wie es in dieser Szene suggeriert würde, verstünde man sie „wörtlich“. Der Killer entpuppt sich als einfacher, eher ängstlich wirkender Mann, der kaum die Gefahr eingegangen wäre, sich einfach so ins Büro seines ärgsten Widersachers zu schleichen. Als Bild hingegen zeigt diese Szene, wie die Puppe perfekt als oben genannte Projektionsfläche funktioniert und so tatsächlich „Gestalt“ annimmt, aber auch, wie der Killer in den Hinterköpfen ihrer Gegner herumspukt. Die effektvolle arrangierte Bühneninszenierung, mit der Grant diese Puppe den Polizisten vorstellt, steht in ihrer Wirkung der packenden Inszenierung Fleischers in nichts nach. Der hat wie in den beiden Vorgängern auch wieder einen tolle Hitchcock-Moment untergebracht, in dem er den Film kurz vor dem Showdown förmlich einfriert. Toll!

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