12. hofbauer-kongress: so viel nackte zärtlichkeit (günter hendel, deutschland 1968)

Veröffentlicht: Januar 5, 2014 in Film
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186814_fPeter Kremer (Erich Fritze) hat es in Kanada mit dem Fund von Uran zu sehr viel Geld gebracht. Nun sehnt er sich nach einem Häuschen in Bayern, weshalb er nach München reist. Im Hotel lernt er die attraktive Kitty (Erika Remberg) kennen, verliebt sich Hals über Kopf in sie und nimmt sie – gemeinsam mit ihrem kranken, mittellosen Schriftsteller-Bruder Jochen (Lutz Hochstraate) – bei sich auf. Das Liebesglück scheint vollkommen, bis Kitty eines Tages über schwere Schmerzen klagt. Der per Telefon übermittelte Befund des Arztes macht nur wenig Hoffnung: In seiner Verzweiflung setzt Kremer Jochen als Erben seines Vermögens ein. Doch dann gibt es für ihn ein böses Erwachen …

Günter Hendel, später mit Titeln wie GRAF PORNO UND SEINE MÄDCHEN oder DER SEX-AGENT zu „Ruhm“ gekommen, legte mit SO VIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT sein Debüt vor, ein weitgehend zahmes, aber doch tiefe Einblicke in die deutsche Sittlichkeit jener Tage bietendes Werk. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich der reiche Kremer der schönen Kitty annimmt, sie in sein Haus und dort sogleich in die Küche führt („Hier möchte ich ja nie wieder raus!“, ruft sie dann auch geradezu euphorisch.), die ganze Zweckgerichtetheit, mit der er sein Liebesleben führt – seine Exfrau hatte er einst vor allem deshalb geehelicht, weil er „einsam“ war –, stehen der vorgegebenen Romantik zentnerschwer im Wege. Hendel inszeniert die schicksalhaft und enttäuschend verlaufende Liebesgeschichte zwischen dem älteren, reichen Herrn und der jungen, schönen Frau mit feiner Ironie, die deutlich macht, dass er von dem Liebes- und Glückskonzept seiner Figuren alles andere als überzeugt ist: Wenn Kremer der neugierigen Kitty bei einem Zoobesuch von seiner einstigen Ehefrau erzählt, sagen die Bilder eingeblendeter Elefanten und Paviane mehr über seine wahre, verborgene Meinung aus als seine Worte. Der lüsterne Griff unter den Rock der an der Küchenzeile stehenden Frau ist ebenso übergriffig wie hilflos, doch die solipsistische, letzten Endes zerstörerische Lust von Kitty und Jochen, der natürlich nicht ihr Bruder ist, ist auch keine Alternative. Als Jochen die erzwungene Enthaltsamkeit nicht mehr erträgt, macht er Eva (Doris Arden), das brave Hausmädchen von Kremer, erst betrunken, führt ihr dann schmutzige Super-8-Filme vor, um sie zu „enthemmen“ (Wie toll das inszeniert ist: Man sieht nicht, was sie da sieht, nur das Licht des Projektors hinter ihr und ihren zunehmend verstörten Blick im Vordergrund.) und dann zu beschlafen. Angesichts ihres kümmerlichen Zustands danach fragt er herablassend „Na, glücklich?“, schickt sie grob zum „Auskotzen“ auf die Toilette und ruft ihr nur noch nach, dass sie nichts Gutes „gewöhnt“ sei.

Neben diesem ernüchternden Bild deutschen Beziehungs- und Sexalltags sind es vor allem die elliptischen Einwürfe, die SO VIEL NACKTE ZÄRTLICHKEIT gleichermaßen spannend wie sonderbar machen. Ein Priester – Regisseur Hendel selbst – fungiert als eine Art humanistischer Gegenentwurf zum Gezeigten, holt in einem lange Zeit seltsam neben dem Rest stehenden Prolog die schöne Eva aus einer Animierkneipe, hilft einem kleinen Jungen mit 5 Mark aus der Bredouille und spielt später mit einer Kinderschar Fußball im Schnee: nicht ohne dem dem schnöseligen Jochen den Ball „versehentlich“ vor den Bregen zu bolzen. Als der Film mit dem für seine Zeit typischen, mit ausländischen Akzent gesungenen Schlager endete, entließ er nicht nur den Autor dieses Textes mit warmem, leicht schmerzenden Herzen, sondern auch den Rest der Kongress-Besucher. Wunderbar!

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