the angry red planet (ib melchior, usa 1959)

Veröffentlicht: März 21, 2015 in Film
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THE-ANGRY-RED-PLANET-1024x798Letzte Woche starb Ib Melchior im Alter von 97 Jahren. Die Aufführung seines liebgewonnenen Science-Fiction-Klassikers ANGRY RED PLANET bei Mondo Bizarr in Düsseldorf erhielt so eine etwas traurige Aktualität, die dem prallen Vergnügen, das der Film bereitet, jedoch glücklicherweise nichts anhaben konnte. Das Kino ist ein Ort zum Feiern, wo die Kategorien „lebendig“ oder „tot“ letzten Endes eh hinfällig sind. Melchior drehte nur zwei Spielfilme – nach diesem noch THE TIME TRAVELERS, der hierzulande auf den tollen Titel 2071: MUTAN-BESTIEN GEGEN ROBOTER hört –, machte sich vor allem einen Namen mit Science-Fiction-Romanen und -Kurzgeschichten (die Vorlage für Bartels DEATH RACE 2000 stammt von ihm) sowie Drehbüchern, z. B für den Klassiker ROBINSON CRUSOE IN SPACE.

Sein ANGRY RED PLANET ist, würde ich sagen, ein recht typischer Vertreter des Science-Fiction-Kinos seiner Zeit: von einer heute geradezu rührenden Naivität ebenso geprägt wie von jener charakteristischen Mischung aus euphorischer Fortschrittsbegeisterung, nagender Skepsis und schlechtem Gewissen. Filmhistorisch interessant ist er durch den Einsatz einer „CineMagic“ getauften Technik, die nach nur einem weiteren Film – THE THREE STOOGES IN ORBIT von 1962, wie ANGRY RED PLANENT von Norman Maurer produziert – gleich wieder auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt wurde. Das Verfahren basiert auf einem technischen Verfahren namens „Solarisation“, bei dem das schwarzweiße Film-Negativ behandelt und farblich partiell „umgekehrt“ wird. Die Behandlung brachte nicht nur den für die Mars-Szenen gewünschten Rotstich, sie zog auch einige weitere für die Filmemacher positive Nebeneffekte nach sich: Der Effekt ließ die Schauspieler „flächiger“ erscheinen, sodass sie sich besser in die zum Teil gemalten Mars-Settings einfügten. Außerdem sparte man sowohl das Geld für den Farbfilm als auch für die Erstellung eines Positivs. Die Szenen auf dem Mars sind tatsächlich recht effektiv, wirken durch die eigentümliche Textur des Bildes fremdartig-träumerisch, dennoch sieht man auch, warum sich die Technik nicht durchsetzte (mal ganz davon abgesehen, dass sie arg limitiert war): Da, wo ursprünglich schwarze Schatten zu sehen waren, zeigt das Bild nun stattdessen milchige Flecken.

Der Freude tut das aber keinen Abbruch: Höhepunkt ist natürlich der Auftritt des Spinnen-Fledermaus-Rattenmonsters, eines kleinen Design-Triumphs, so bescheuert die Idee auch anmutet. Auch die später eine noch größere Bedrohung darstellende Riesenamöbe gefällt, vor allem in dem fadenscheinigen, aber doch gruseligen Effekt, wenn man durch ihre gallertartige Substanz sieht, wie der arme Sam Jacobs (Jack Kruschen) in ihrem Inneren verdaut wird. Wie bei den meisten Filmen dieser Art ist es aber zuvorderst die naive Vorstellung von Raumfahrt und Wissenschaft und natürlich des Fünfzigerjahre-Sexismus, die den Film heute zu einem großen Spaß machen. Das Treiben an Bord der Rakete kann man nur als „entspannt“ beschreiben: Die Lederhalbschuhe passen super zu den schicken Overalls, in einem Schrank gibt es einen reichhaltigen Vorrat an Konservendosen, die Funkverbindung zur Erde ist trotz der großen Distanz erstklassig und während des ereignislosen Transits gibt es viel Zeit für das gut gelaunte Beisammensein. Das Alphamännchen ist Colonel O’Bannion (Gerald Mohr), einer jener schmierigen Typen, die einem damals gern als kernige Frauentypen vorgestellt wurden und heute sofort eine Unterlassungsklage am Hals hätten, wenn sie sich einer Dame nur näherten. Den Overall hat er immer bis knapp über den Bauchnabel geöffnet, damit man seine braungebrannte Altherrenbrust mit dem stattlichen Wolfspelz gut sehen kann. Sein unwiderstehlicher Charme entbirgt sich in einem öligen Triebtätergrinsen, mit dem er bei seiner Kollegin Iris (Naura Hayden) seltsamerweise mächtige Eindruck schindet. Die rothaarige Schönheit ist für die menschliche Wärme an Bord zuständig, dafür, sich Sachen erklären zu lassen, oder auch mal sauber zu machen, wenn gerade nichts Wichtigeres zu tun ist. Für die Marsbegehung rüstet sie sich ganz ladylike mit einem süßen Handtäschchen aus. Professor Gettell (Les Tremayne), komplett mit Wissenschaftler-Spitzbart, stellt seine Seriosität damit unter Beweis , dass er ständig irgendwelche „Gefühle“ und Eingebungen hat, und besagter Sam ist als handfester Typ das Stand-in für den Zuschauer, andauernd verdutzt bis begeistert und benimmt sich generell wie ein kleiner Junge, dessen Traum wahr geworden ist. Ihm wird später die Ultraschall-Kanone anvertraut, die er sogleich „Cleo“ nennt und mit unaufhörlichen Liebkosungen überschüttet. Später sorgt er mit dem wiederholt geäußerten Wunsch, „ans andere Ufer“ zu wollen, für Gelächter, auch wenn er sich damit tatsächlich auf einen See bezieht.

Zwar wird es für die Raumfahrer tatsächlich noch bedrohlich auf dem Mars, doch so ganz kann Melchior dem Film seine Gemütlichkeit nicht austreiben. Die zukunftsweisende Expedition in fremde Welten wird zum amüsanten Wochenendausflug einer Patchwork-Familie, die auch mit einer Tour nach Disneyland ganz zufrieden gewesen wäre, sich dann aber wahrscheinlich nicht zwischen Splash Mountain und Magic Mountain hätten entscheiden können. Dass die Marsianer sie so aggressiv verjagen und ihnen noch eine Grußbotschaft mitgeben, die besagt, die Menschen sollen gefälligst zu Hause bleiben, sonst setze es was, versteht der Zuschauer besser als die Protagonisten, die sich keiner Schuld bewusst sind, weil sie jede Gabe zur Selbstrefexion vermissen lassen. Wie Pauschaltouristen eben.

 

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