the witch (robert eggers, usa/großbritannien/kanada/brasilien 2015)

Veröffentlicht: Oktober 17, 2016 in Film

mv5bmty4mtu2njmynv5bml5banbnxkftztgwmzuwmdk4nze-_v1_uy1200_cr9006301200_al_THE WITCH hatte es ja durchaus nicht leicht: Der wurde mit so dermaßen vielen Lobeshymnen bedacht, dass er eigentlich an der Erwartungshaltung scheitern musste. Tat er aber nicht, im Gegenteil. Wahrscheinlich habe ich mich gegen die häufige Enttäuschung, hervorgerufen durch übereuphorische Rezensionen, mit einer grundsätzlichen Skepsis schon ganz gut gewappnet, aber das soll den Erfolg von THE WITCH keinesfalls schmälern. Dass er das Genre revolutionieren wird oder überhaupt etwas besonders „Neues“ macht, würde ich zwar bestreiten wollen, nicht aber, dass es sich um einen intelligenten, weitestgehend sehr beunruhigenden, stilsicheren und in seinem Sujet bzw. der Behandlung dieses Sujets durchaus originellen und vor allem konsequenten Film handelt. Warum THE WITCH keinen neuen Trend intelligenter Horrorfilmen lostreten wird, die sich mit Themen befassen, die den Menschen tatsächlich betreffem, und dies dann auch noch auf eine niveauvolle Art und Weise, liegt auf der Hand: Solche Filme sind eben wesentlich schwieriger zu machen, als der xte Spin-off eines dödeligen Spukhausgruslers. Zum anderen sollte die – berechtigte! – Begeisterung für Eggers THE WITCH nicht darüber hinwegtäuschen, dass er stilistisch eher konservativ ist. Er wendet seine Mittel lediglich geschickter an als viele andere. Aber der Reihe nach.

Eine siebenköpfige Familie englischer Siedler wird im 17. Jahrhundert aus ihrer neuenglischen Siedlung verstoßen, weil der Vater William (Ralph Ineson) mit seinem rigide vertretenen christlichen Glauben an die Grenzen der Toleranz gestoßen ist. Die Familie errichtet ein neues Haus in der Wildnis, wo sie nun völlig auf sich allein gestellt ist. Das neue Leben beginnt mit einer Katastrophe: Der neugeborene Samuel verschwindet unter rätselhaften Umständen spurlos. Mutter Katherine (Kate Dickie) erleidet einen Nervenzusammenbruch und gibt insgeheim der ältesten Tochter Thomasin (Anya Taylor-Joy) die Schuld am Verschwinden des Jüngsten. Vater William versucht indessen verzweifelt, die Ernährung der Familie sicherzustellen. Aber alle Bemühungen sind vergebens: Irgendetwas scheint in den Wäldern zu lauern und die Familie mit einem Fluch zu belegen. Als auch Sohn Caleb (Harvey Scrimshaw) verschwindet, nur um wenig später anscheinend von einem Dämon besessen wieder aufzutauchen, verdächtigen die Eltern Thomasin, eine Hexe zu sein …

THE WITCH ist vor allem deshalb so saumäßig effektiv, weil er sein Thema von zwei Fronten angreift: Da gibt es wirklich den bösen Hexenzauber, das Ungeheuer in Menschengestalt, das mit dem Teufel im Bunde ist. Aber der Schrecken hat auch eine ganz menschliche Dimension: Er verbirgt sich im Glauben der Familie und in den konkreten Auswirkungen, die er erst im Denken und dann auch in den Handlungen hervorruft. Das Heranreifen der Sexualität in Caleb und Thomasin wird natürlich als böse angesehen, die mit ihm einhergehenden Gefühlswallungen von den beiden Kindern entsprechend gefürchtet. Und das blinde Vertrauen darauf, dass Gott alle Fäden in der Hand hält, führt dazu, dass alles Schlechte, das passiert, irgendwann dem Wirken einer anti-göttlichen Kraft zugeschrieben wird. Die einzige Erklärung, die den Glauben an einen schützenden Gott bewahrt, ist es eben, die Existenz des Teufels anzunehmen, der dem Allmächtigen beherzt in die Bouillon rotzt. So dreht sich von Beginn des Films an eine Abwärtsspirale, die anzuhalten die Familie aufgrund ihres eigenen Weltbildes nicht in der Lage ist. Die Hexe, die da im Wäldchen haust, leistet natürlich ihren Beitrag, aber man darf annehmen, dass es eine Chance gegeben hätte, sich gegen sie zur Wehr zu setzen – oder wenigstens rechtzeitig zu fliehen. Diese Möglichkeit ist aber ausgeschlossen: Als auch der Vater dem Hexenwahn anheimfällt, besiegelt er das Schicksal der Familie, die er eigentlich schützen wollte und macht seine Tochter, gewissermaßen via self-fulfilling prophecy, tatsächlich zur Hexe.

THE WITCH, dessen historischen Hintergründe nach dem, was man zu lesen bekam, sehr akribisch recherchiert wurden und der sich daher auch weitaus „authentischer“ anfühlt als vergleichbare historische Horrorfilme, geht es nicht in erster Linie um eine Kritik am christlichen Hexenglauben. Er beruft sich vielmehr auf alte Geschichten und Legenden, also auf jene Stoffe, die den Menschen damals Angst einjagten, ihren Glauben zusätzlich unterfütterten. Dass es bei Eggers tatsächlich eine Hexe und einen Leibhaftigen gibt, mag mancher als Enttäuschung empfinden. Ich glaube aber, der Film tut sehr gut daran, diese äußere Ursache für den Horror als Projektionsfläche aufrechtzuerhalten. All der dämonische Schabernack kann in letzter Instanz natürlich trotzdem den Wahnvorstellungen der zunehmend gebeutelten Opfer entspringen – und das andersherum manche sensible Persönlichkeit durch den Glauben an eine Welt, in der solche Kräfte walten, den Verstand verliert, liegt ebenfall auf der Hand. Eggers gelingt es sehr gut, anzudeuten, wie der Glauben hier eben Fakten schafft; erst in Form psychischer Dispositionen, dann schließlich auch durch Handlungen.

Aber THE WITCH wäre trotz dieser spannenden Prämisse kein guter Horrorfilm, wenn er nicht so verdammt effektiv wäre. Am Ende kreist der Hammer und der Film wird relativ drastisch, beunruhigend ist ers chon lange vorher. Er erlangt durch das Zusammenspiel von Bild und Ton ein suggestive Qualität, die das Wirken unheimlicher Mächte greifbar macht. Lange bedeutungsvolle Blicke auf die undurchdringliche Fassade des Waldes, der stoisch und ungerührt auf die kläglichen Bemühungen der Familie herabblickt, ein neues Leben aufzubauen, die schiere Einsamkeit, das Fehlen jeglicher menschlicher Wärme. Man weiß von Anfang an, dass es nicht gut enden wird und dieses Wissen setzt sich während der Betrachtung eiskalt in den Knochen ab.

 

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