mr. sardonicus (william castle, usa 1961)

Veröffentlicht: Dezember 3, 2016 in Film
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msardTatsächlich der erste Castle, den ich in diesem Blog bespreche – und meines Wissens überhaupt erst der zweite, den ich überhaupt gesehen habe. Vielleicht auch eine Lücke, die ich mal schließen sollte. Wobei mir MR. SARDONICUS gestern, im Kino bei Mondo Bizarr, zum Abschluss einer arbeitsreichen Woche ein bisschen zu gemütlich war. Während des Mittelteils bin ich dann auch sanft ins Land der Träume hinabgesunken, um pünktlich zum putzigen Finale wieder aufzuwachen. Mein grenzenloses Pflichtbewusstsein trieb mich daraufhin heute früh in den Wald, wo ich eine Kopie unter einem bemoosten Stein finden konnte: So steht einer belastbaren Besprechung doch nichts im Weg. Fakten, Fakten, Fakten und an die Leser denken: So bin ich.

Auch William Castle denkt zu Beginn des Films an sein Publikum: Im dicken Londoner Nebel wendet er sich an die Zuschauer und zitiert aus einem sehr dünnen „Wörterbuch“, was ein „Ghul“ sei. Mit MR. SARDONICUS hat diese Erläuterung aber denkbar wenig zu tun: typisch Castle’sches showboating eben. Sein Film bedient sich eher bei der seit PSYCHO auch im Horrorfilm salonfähig gewordenen Psychologie. Trotz seines bedeutungsschwangeren Geschwafels über Vampire entpuppt sich der titelgebende Schurke am Ende als traumatisierter, bemitleidenswerter Tropf, dem der Held des Films mit einer Schocktherapie auf die Sprünge hilft. Glaubt man der letzten Szene von MR. SARDONICUS, darf man eine güldene Zukunft für ihn trotzdem für höchst fraglich erachten. Im Gegenteil: Jetzt, wo er geheilt ist und ihm seine vorigen moralischen Fehltritte als solche bewusst sind, ist er eigentlich erst so richtig arm dran und sein Schicksal wenig erquicklich.

MR. SARDONICUS ist Gothic Horror Marke Castle, bedient sich in seiner Prämisse unverkennbar bei Stokers „Dracula“ und lässt den Mediziner Cargrave (der soeben die Spritze erfunden hat) nach Transsilvanien reisen, wo seine Ex-Geliebte Maude mittlerweile mit dem von der Landbevölkerung gefürchteten Baron Sardonicus (Guy Rolfe) auf dessen Schloss lebt. Sie wurde von ihrem in Geldnöten befindlichen Papa verheiratet und fühlt sich allein, zumal ihr Gatte reichlich eigenwillige Verhaltensformen zeigt. Er trägt aufgrund einer bösen Entstellung eine gruselige Maske, hält sich ein einäugiges Faktotum namens Krull (Oskar Homolka) und quält eine Bedienstete, indem er ihr Blutegel ins Gesicht setzt. Der fortschrittliche Cargrave ist entsetzt über solche auf Aberglauben basierenden Methoden und ordnet das einzige Mittel an, das in solchen Fällen von Blutegel-Missbrauch hilft: Fleischsaft! Als Mann der Aufklärung begnügt er sich nicht mit der Rolle des höflich-passiven Gastes, sondern beginnt des Nachts herumzuschleichen, nachzuforschen und generell Dinge zu tun, die man eigentlich nicht macht, wenn man irgendwo eingeladen ist, z. B. an der Gattin des Hausherrn herumzugraben. Aber es ist ja nur zu dessen Besten. Nee, is‘ klar.

Der schurkische Sardonicus ist Opfer eines Traumas, das er sich als junger Mann zuzog, als er das Grab seines verstorbenen Vaters öffnete, um ein Lotterieticket zu bergen, das der spricchwörtlich mit ins Grab genommen hatte. Der Gewinn machte ihn zwar zum reichen Mann, aber zu welchem Preis? Der Anblick des toten Papas ließ sein Gesicht zu einem grotesken Grinsen gefrieren, das auch Conrad Veidt in THE MAN WHO LAUGHS zeigte. Nun soll der englische Arzt ihn heilen, doch alle medizinischen Kniffe versagen, sodass die gute alte Psychotherapie herhalten muss. Das Castle’sche Gimmick, das Publikum mittels Pollkarten über das Schicksal Sardonicus‘ abstimmen zu lassen, ist eine schöne Ente, weil er natürlich voraussahe, dass niemand vorhatte, Gnade walten zu lassen, sodass er auch nicht erst ein alternatives Ende drehte. (Die Szene, in der Castle sich ans Publikum wendet, um das Ergebnis der Abstimmung auszuwerten, fehlt dann auch in der deutschen Fassung.) So hat der Bösewicht zwar sein Gesicht wieder, aber er ist unfähig, seinen Mund zu öffnen: Während Krull genüsslich einen Muffin mampft,schmiert Sardonicus sich hilflos ein Hähnchenbein durchs Gesicht und guckt zum Finale unglücklich in die Kamera. That’s all folks!

 

 

 

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