the errand boy (jerry lewis, usa 1961)

Veröffentlicht: März 30, 2008 in Film
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Die Paramutual Studios unter Leitung von Tom Paramutual (Brian „Quatermass“ Donlevy) machen Verluste und keiner weiß, warum. Ein Spion muss her, der die Lücke im System findet, durch die das Geld verschwindet. Aber es muss jemand von außerhalb sein, am besten ein Dummkopf, der gar nicht weiß, was eigentlich seine Aufgabe ist. Die Wahl fällt auf den Plakatkleber Morty S. Tashman (Jerry Lewis), der sofort als Laufbursche engagiert wird und im Folgenden ein heilloses Durcheinander auf dem Studiogelände verursacht.

200px-errandboy.jpgJerry Lewis nutzt die Prämisse erneut für eine turbulente Sketchshow, die das Niveau ihrer Vorgänger noch einmal deutlich toppen kann. Das hohe Tempo wird bei erstaunlicher Gagdichte bis zum Ende aufrecht erhalten, der selbstreflexive Zug bietet zahlreiche Möglichkeiten für In-Jokes, Gastauftritte (u. a. laufen mal kurz die Bewohner der Ponderosa durchs Bild) wie auch kritische Seitenhiebe auf das Studiosystem, die dem Film die nötige Abwechslung und eine weitere interessante inhaltliche Dimension verleihen. Ich hatte gestern etwa den Eindruck, man können THE ERRAND BOY Gewinn bringend als systemtheoretischen Film betrachten und erklären. Das beginnt mit der aus dem Off kommentierten Einleitung, die deutlich die Differenz thematisiert, aus der Film erst „emergiert“: Da schmachtet sich ein Liebespärchen an, das sich nach Abschalten der Kamera als streitsüchtiges Ehepaar entpuppt. Die Paramutual Studios, in die der Zuschauer dann für den Rest des Films entführt wird, sind eine eigene kleine Stadt, ein perfekt organisierter Mikrokosmos, eben ein System, dass sich selbst durch stetig ablaufende und sich wiederholende Prozesse am Leben erhält und nach dem Code „Gewinn abwerfend/keinen Gewinn abwerfend“ operiert. Eine der systemimmanenten Operationen funktioniert aber nicht richtig: Die Paramutual Studios verlieren Geld, ihre Leiter können aber – weil sie selbst Bestandteil ihres Systems sind – den Fehler nicht finden. Also muss jemand von außerhalb herangezogen werden: Tashman, ein Beobachter zweiter Ordnung, dessen blinder Fleck wiederum seine Einfältigkeit ist, aufgrund derer er seine Aufgabe nicht erkennt. Am Schluss wird jedoch klar, dass Tashman dem Studio auf andere Art und Weise helfen kann: indem er als Filmstar selbst Gewinne generiert. Er wird also ins System integriert bzw. in einem Prozess der Autopoiesis zu einem Bestandteil umgeformt. So wird auch der Film THE ERRAND BOY (bzw. sein Star Lewis) zu einem autopoietischen System: Er erzählt die Geschichte einer Figur, die schließlich Jerry Lewis, der Filmstar wird und damit erst die Bedingungen seiner eigenen Existenz schafft. Weil Tashman in diesem Werdungsprozess aber seine Unschuld verliert – er „ist“ ja nicht mehr nur, sondern er spielt – muss am Schluss ein neuer „Bürotrottel“ (der deutsche Originaltitel) eingeführt werden und auch dieser ist natürlich Jerry Lewis. Seine Zukunft haben wir soeben anhand seines Vorgängers vorgeführt bekommen.

Diese zugegebenermaßen höchstens halbgare Lesart soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass  THE ERRAND BOY vor allem umwerfend komisch ist: Wenn Tashman versucht, die unaussprechlichen Namen der Studiobediensteten auszusprechen und stets nur ein unartikuliertes Gestammel dabei herauskommt, wenn er den Film eines überambitionierten Regisseurs zerstört, indem er stets neugierig in die Kamera gafft, er in einem überfüllten Fahstuhl zwischen einem Zigarrenraucher und einem Nieser feststeckt, kurz: er von einem Fettnäpfchen ins nächste stapft, gibt es meist kein Halten mehr. Mit jedem weiteren von ihm inszenierten Film konnte sich Lewis bisher steigern und auch auf diesen bisherigen Höhepunkt wird er mit THE NUTTY PROFESSOR noch einen draufsetzen.

Kommentare
  1. Karsten sagt:

    Nota bene: Japp, kennt man den Film, wird die Lesart plausib(e)l(er).

    • Oliver sagt:

      Hi Karsten,

      habe beim Gucken auch beglückt (und erleichtert) zur Kenntnis genommen, dass ich mich in meiner Luhmann-geschwängerten Rezeption nicht (allzu sehr) verstiegen habe, 🙂

  2. […] der Eröffnung erkennt man gleich mehrere Lewis-Filme wieder, namentlich THE BELLBOY und natürlich THE ERRAND BOY, deren episodische Struktur Lewis nach dem narrativen THE NUTTY PROFESSOR auch wieder aufnimmt. In […]

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