around the world in 80 days (michael anderson, usa 1956)

Veröffentlicht: Juli 14, 2008 in Film
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Phileas Fogg (David Niven), ein britischer Gentleman wie er im Buche steht, schließt mit den Mitgliedern seines Clubs eine Wette ab: Innerhalb von 80 Tagen will er um die Welt reisen. Gesagt, getan: Noch am selben Abend begibt sich der penible Fogg mit seinem neuen Diener, dem Spanier Passepartout (Cantinflas), auf die Reise …

Jules Vernes berühmter Roman ist ein früher Vorbote der Globalisierung, der davon erzählt, wie die Welt durch technische Errungenschaften immer kleiner wird und einst unerreichbare Länder plötzlich in greifbare Nähe rücken. Auch Michael Andersons Film gibt sich ganz der Faszination hin, die exotische Orte wie Kalkutta, Bombay, Hongkong, Yokohama oder San Francisco nicht nur auf die Protagonisten seines Films, sondern vor allem auf dessen Zuschauer hatten und bietet ein Spektakel der Superlative. AROUND THE WORLD IN 80 DAYS ist lang (ca. 180 Minuten in seiner ungekürzten Fassung), superbreit (das Todd-A-Entwicklungsverfahren stellte noch eine Verbesserung gegenüber dem Cinerama-Verfahren dar) und in sämtlichen Kategorien, von der Anzahl eingesetzter Tiere, der Originalschauplätze, der Statisten, Kostüme und Gastauftritte (wer aufpasst, entdeckt u. a. Sir John Gielgud, Fernandel, Noel Coward, John Carradine, Peter Lorre, Marlene Dietrich, George Raft und Frank Sinatra) absolut rekordverdächtig. Beeindruckend ist aber vor allem seine Bildgewalt: breite Panoramen, farbenprächtige Sonnenuntergänge, opulent komponierte Bilder, die dennoch niemals überladen wirken und eine Kameraarbeit, die sich auch vor Experimenten nicht scheut, ziehen den Zuschauer geradewegs in das Geschehen, suggerierenihm, er befinde sich gerade auf einem Schiff, das auf den am Horizont auftauchenden Fujiyama zusteuert, reise mit der Eisenbahn durch den Wilden Westen, fliege mit dem Fesselballon über die Pyrenäen.

Wem es gelingt, sich von all diesem Spektakel nicht zu sehr blenden zu lassen, der muss allerdings erkennen, dass AROUND THE WORLD IN 80 DAYS ein höchst merkwürdiger und gar nicht mal so einfacher Film ist. Die Handlung erschöpft sich tatsächlich auf die drei Sätze der Inhaltsangabe, die für Spannung sorgenden Verwicklungen werden über die gesamte Spielzeit zerdehnt, bis nicht mehr viel von ihnen übrig ist, und seine beiden Protagonisten – Fogg und Passapartout – fungieren weniger als Identifikationsfiguren, sondern eher wie Zerrbilder des Zuschauers: Der freundliche Hausdiener (äußerlich stark an Charlie Chaplins Tramp angelehnt) spiegelt das Staunen, ist so etwas wie die materielle Repräsentanz des Zuschauers, während Fogg den Film mit seiner eisernen Disziplin in Gang hält und sprichwörtlich dafür sorgt, dass er sich vorwärts bewegt. Man könnte auch sagen: Passepartout verkörpert das Interesse, die Begeisterung, Fogg die sachliche Ökonomie – und zwischen diesen beiden Polen spielt sich schließlich auch das Erzählen ab. In der ersten Stunde des Films gibt es so gut wie keine Dialoge und auch keine Charakterentwicklung im klassischen Sinn: Anderson inszeniert Vernes Roman ganz als bunten Bilderbogen, der weiß, was er an seinen Schauwerten hat. Erst nach und nach erhalten die Figuren Profil, wird plausibel, warum Fogg als solch freudloser Prinzipienreiter gezeichnet werden muss. Wäre er ähnlich verzückt und begeisterungsfähig wie sein Diener, seine Mission wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Leute wie Fogg sind es, die den technischen Fortschritt erst herbeigeführt und damit eine Welt eröffnet haben, die in krassem Gegensatz zu ihrem mürrischen Standesdünkel steht. Dass Fogg am Ende eine Abkehr von seinen einst fanatisch verfolgten Grundsätzen vornimmt, liegt aber daran, dass er seine mangelnde Flexibilität endlich als Makel, denn als Ideal begreift. Erst die Wachsamkeit seines Dieners lässt Fogg siegreich aus der Wette hervorgehen, die er selbst schon verloren geglaubt hatte (Fogg hatte sich schlicht verrechnet, seine eigene Unfehlbarkeit aber als gegeben hingenommen). So nimmt er nicht nur die indische Prinzessin Aouda (Shirley MacLaine) zur Frau, er geleitet sie auch noch in die nur Männern vorbehaltenen Hallen seines Clubs. Als man ihm entgegnet, dies sei wohl der Untergang des Empires, kann er nur lächeln: Er hat dann doch verspätet erkannt, was solche fragwürdigen Werte angesichts der Größe der Welt tatsächlich bedeuten: gar nichts.

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