lock up (john flynn, usa 1989)

Veröffentlicht: November 1, 2008 in Film
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Frank Leone (Sylvester Stallone) hat es geschafft, mit dem Leben im Knast zurechtzukommen: Sein Körper ist zwar eingesperrt, doch sein Geist, so sagt er, der ist frei, befindet sich jenseits der Mauern bei seiner Partnerin. An das Auto, an dem er mit seinen Kumpels schraubt und sich so die Zeit vertreibt, hängt er keine Emotionen, weil er weiß, dass alles vergänglich ist im Bau, und jede Schwäche, die man zeigt, sofort gegen einen ausgenutzt wird. Frank Leone ist nur körperlich anwesend.

Der Knast, das ist der Wärter Drumgoole (Donald Sutherland), der mit Leone eine persönliche Rechnung offen hat und dem vorbildlichen Häftling die letzten Monate vor der Entlassung zur Hölle machen will. Sein von Rache zerfressener Geist hat sich in die Architektur eingeschrieben: ein versifftes, marodes Loch, durch das sich dunkle, modernde Tunnel ziehen und in dessen Mitte ein gewaltiges Schlammloch zum Ausgang „einlädt“. Und das Herz des Komplexes ist ein alter, gläserner Hinrichtungsraum. Der vormoderne elektrische Stuhl wurde von Drumgoole selbst wieder hergerichtet und soll ihm seinen größten Triumph bescheren: die Rache an Leone.

Foucault beschreibt in „Überwachen und Strafen“ wie sich die göttliche Beobachterperspektive, die der Staat – und das Gefängnispersonal als seine Vertreter – einnimmt, in der Gefängnisarchitektur niederschlagen. Es gibt einen zentralen Hauptkomplex, um den herum sich die Zellentrakte gruppieren. Deren Zellen wiederum bieten ihren Insassen keinerlei Privatsphäre. Durch die Gitterstäbe sind sie zu jeder Zeit von außen zu beobachten. Der Bürger im Gefängnis ist transparent für den Staat.

Weil nun Leone aber gar nicht wirklich anwesend ist, kann Drumgoole ihn auch nicht brechen. Er kann nur seinen Körper verletzten, aber nie seinen Geist in Mitleidenschaft ziehen. Leone weiß: Der körperliche Schmerz, er geht vorbei. Drumgooles einzige Chance auf die Rache, nach der er sich sehnt, ist es, Leones Geist einzufangen und in dessen Körper zurückzuholen. Das gelingt ihm, indem er die Regeln verschärft und einen von Leones Freunden ermorden lässt. Die Distanz zum Geschehen und seiner Umgebung, die Leone bisher noch aufrecht erhalten konnte, sie ist nun verschwunden. Und damit ist nun auch sein Leben in Gefahr, die Erfüllung seines größten Wunsches: so schnell wie möglich wieder raus zu kommen, zurück zu seiner Frau, bei der er „eins“ sein kann.

Das Leib-Seele-Problem, das den zentralen Konflikt in LOCK UP stellt, spielt in der gesamten abendländischen Kunst eine wichtige Rolle. In Flynns Gefängnisfilm wird es auch auf einer metaphorischen Ebene behandelt. Das Gefängnis ist ein fremder Körper, dem die Gefangenen sich unterwerfen müssen, in den sie eingesperrt werden, so wie eine Seele eben in einem fleischlichen Leib „gefangen“ ist. Drumgoole ist die Gottfigur, die für diesen Akt verantwortlich ist. Das ist die höhere Ebene. Auf einer niedrigeren ist LOCK UP ein Actionfilm, der den Konflikt zwischen Leib und Seele erneut spiegelt. Die Helden des Actionfilms zeichnen sich zwar zu allererst durch ihren Körper aus, aber triumphieren können sie erst, wenn sie sich als ganze Person in den Kampf werfen. Dazu müssen sie entweder ihre Traumata überwinden oder aber persönlich involviert werden. John Rambo ist eine tödliche Kampfmaschine, aber erst, wenn sein Rachemotor angeworfen wird, entfesselt er den göttlichen Zorn. So geht es auch Frank Leone, dem es kraft der Symbiose aus Leib und Seele gelingt, den rächenden Gott zu bezwingen und die Gefängnismauern hinter sich zu lassen.

Kommentare
  1. Thomas Hemsley sagt:

    Ach sie an, da ist ja schon eine LOCK UP-Exegese;-) Warum hast du sie mir bis jetzt verheimlicht, oder hast du darauf gehofft, dass ich den Tags folge und selber hier hin finde;-)
    Sehr schöne Exegese, die Stallone wahrscheinlich auch gefallen würde, da er ja einen Hang zum mythisch-archetypischen hat, und außerdem ein verkappter Intellektueller ist (hoffentlich macht er doch noch seinen Poe-Film). Ich hoffe du wirst in der Zweitbesprechung etwas mehr auf deinen persönlichen Zugang einerseits und auf John Flynn und die Frage der Auteurschaft andererseits eingehen. Wobei Stallone bei seinen Filmen ja meistens auch Co-Autor und somit fast automatisch Auteur ist.
    Bin gespannt.
    Grüsse aus Kölle

    • Oliver sagt:

      Dass ich den Text nicht erwähnt habe, liegt wohl daran, dass ich dachte, die letzte Sichtung datiere vor Eröffnung dieses Blogs. 🙂

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