In der Kürze …

Veröffentlicht: März 2, 2009 in Film

Das letzte Posting liegt schon eine Weile zurück, deswegen wird es Zeit für ein Lebenszeichen. Ich war nicht tatenlos in den vergangenen Wochen, ganz im Gegenteil: Ich bin umgezogen. So ein Umzug ist ja sowieso schon ein Krampf, wenn man aber über eine ausgesprochene Jäger-und-Sammler-Persönlichkeit verfügt und eine entsprechend stattliche Bücher-, CD- und DVD-Sammlung sein eigen nennt, nimmt dieses Unterfangen herkulische Ausmaße an. Die kurzzeitige Mischung aus Erschöpfung und Grippe, die mich im Anschluss für zwei Tage außer Gefecht gesetzt hat, hatte aber auch etwas Gutes: Ich konnte wieder einmal ein paar Filme gucken. Weil diese Sichtungen aber bereits wieder über eine Woche zurückliegen und ich in meinem neuen Heim noch keinen funktionierenden Internetanschluss habe, mache ich kurzen Prozess und handle die gesehenen Filme en bloc ab. Los geht’s!

The Adventures of Robin Hood (USA 1938)
Regie: Michael Curtiz

Curtiz‘ erste von 12 Kollaborationen mit Errol Flynn ist vor allem eines: bunt. Als naiv-unschuldiges Spektakel funktioniert THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD dann auch einwandfrei, wenn man jedoch nach mehr sucht, muss man unweigerlich enttäuscht werden. Natürlich, die Geschichte um den edlen Rächer aus dem Sherwood Forest ist so bekannt, dass es dem Betrachter heute nahezu unmöglich ist, ihrem Verlauf  noch gebannt zu folgen, dennoch ist es auffällig, dass es diesem prominenter Vertreter des klassischen Hollywoodkinos an einem ordentlich konstruierten Spannungsbogens vollkommen mangelt. So stehen die sattsam bekannten Tableaus – das Duell zwischen Robin Hood und Little John, die Begegnung mit Maid Marian, das Schützenturnier etc. – irgendwie unverbunden nebeneinander und nur die Auftritte Basil Rathbones, der sich immer mehr zu einem meiner Lieblingsdarsteller der goldenen Hollywoodära entwickelt – sorgen für etwas Würze. Irgendwie mutet dieser ROBIN HOOD an wie ein Musical ohne Gesangseinlagen, was durch die grellen Kostüme der Figuren noch unterstrichen wird. Nett, aber nicht mehr.

Les choses de la vie (Frankreich 1970)
Regie: Claude Sautet

Wenn es sich aufgrund der sprachlos machenden Größe dieses Films nicht absolut verbieten würde, könnte man einen Text zu Sautets Film gut mit den Worten „Viel Rauch um Nichts“ beginnen: Es ist wirklich unglaublich, wie viel in diesem Film geraucht wird. Michel Piccoli saugt in jeder Szene genießerisch an einem Glimmstengel, sein Filmsohn zündet sich einmal sogar eine Zigarette mit der Glut einer soeben aufgerauchten an. Wir befinden uns im Frankreich der frühen Siebzigerjahre, wo diese exzessive Qualmerei wohl zum guten Ton gehörte – und  man kommt als Zuschauer nicht umhin, diesem Lifestyle aus Kippen, Pastis, feinen Herrenanzügen und französischer Schöngeisterei hoffnungslos zu verfallen. Dabei gibt es für den Zuschauer in LES CHOSES DE LA VIE wenig Anlass zum Neid (mal abgesehen von der Vorstellung, mit der wunderschönen Romy Schneider liiert zu sein). Der Architekt Pierre Bérard (Michel Piccoli) hat soeben einen Autounfall erlitten, an dessen Folgen er am Ende des Films sterben wird. Während er auf Hilfe wartet und schließlich zum Krankenhaus gefahren wird, laufen die Ereignisse der vergangenen Tage und Jahre an seinem geistigen Auge vorbei. Wir nehmen Teil am Leben eines erfolgreichen Mannes, dem es nicht gelingen will, mit der Vergangenheit und der gescheiterten Ehe zu seiner ersten Frau abzuschließen und sich endgültig zu seiner neuen Geliebten zu bekennen. Stattdessen findet er Ausflüchte, zaudert und zögert – bis es schließlich zu spät ist. Die Wirkung von Sautets Film wird etwas dadurch geschmälert, dass man seinen „Clou“ – Film als der sprichwörtlich ablaufende Film vor dem Auge des Sterbenden – als heutiger Zuschauer aus zahlreichen Epigonen kennt, die ihn als bloßes Gimmick missbraucht und dadurch etwas in Misskredit gebracht haben. Diesen hat LES CHOSES DE LA VIE aber eine Atmosphäre tiefer, aufrichtiger  Traurigkeit und eine psychologische Genauigkeit voraus. Dass Bérard just in dem Moment sterben muss, in dem endlich begreift, dass er sich zu seiner Geliebten und seinem neuen Leben bekennen muss, wird hier nicht wie in so vielen anderen zeitgenössischen Filmen als bloßer Schock eingesetzt, vielmehr gewinnt Sautets Film dadurch etwas sehr Tröstendes. Emotionale Vorgänge sind nur schwer in unverbrauchte und angemessene Worte zu fassen, insofern ist LES CHOSES DE LA VIE kein dankbarer Film für einen Text. Zumal er in jeder Hinsicht viel zu komplex ist, um ihn nach einer Sichtung annähernd zu erfassen. Wie konzentriert und gleichzeitig entspannt Sautet seinen Film strukturiert hat, wie viel Inhalt er in die sparsame Spielzeit von gerade einmal 80 Minuten gepackt hat, ohne dass sein Film überladen wirkt, nötigt größten Respekt ab.

Le mepris (Frankreich 1963)
Regie: Jean-Luc Godard

Vor diesem Film kann man als kleiner unbedeutender Filmblogger doch nur versagen: Godards „kommerzieller“ (hahaha) Film ist eine ästhetisch atemberaubende Reflexion über  Film, Schein, Sein, Kommerz und Integrität. Vielleicht die beste Verfilmung, die Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“ je erfahren hat. Jene hat gegenüber der Filmadaption außerdem das Handicap, ohne Jack Palance und den unbeschreiblichen Score von Georges Delerue auskommen zu müssen.

Patton (USA 1970)
Regie: Franklin J. Schaffner

Die Auftaktszene, in der General George S. Patton (George C. Scott) vor einem gigantischen Sternenbanner seinen „Pep Talk“ für die in Kürze in den Zweiten Weltkrieg ausrückenden Truppen (die unsichtbar bleiben) hält, mit markigen Worten zu Tapferkeit mahnt und seine Männer dzu aufruft, so viele „bastards“ wie möglich in die Hölle zu schicken, lässt einen kritischeren Film erwarten als den, den man dann zu sehen bekommt. Handwerker Schaffner zeichnet seinen Patton als ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit, einen Vollblutkrieger, der sich gegenwärtig mit politischen Ränkespielen und humanistischen Bestrebungen „herumschlagen“ muss. Dabei bringt er dem bärbeißigen Haudegen nicht wenig Sympathie entgegen, so deutlich er ihn und seine Methoden auch als „out of time“ kennzeichnet. Ein wenig erinnert sein Patton an die Protagonisten aus Peckinpahs THE WILD BUNCH oder die Schwertkämpfer Chang Chehs, mit dem Unterschied, dass Patton ein Rebell innerhalb des Systems ist. Das macht PATTON auf der einen Seite zwiespältig, auf der anderen aber auch so spannend. Wie sein Held ist Schaffners Film ein Wanderer zwischen den Welten: Kerniges Männerabenteuer auf der einen, Antikriegsfilm auf der anderen. Und George C. Scott führt über dieses Zwischenreich ein eisernes Regiment.

Step Brothers (USA 2008)
Regie: Adam McKay

Nach dem eher enttäuschenden SEMI-PRO ist STEP BROTHERS wieder eine Rückkehr zur alten Form für Will Ferrell. Gemeinsam mit John C. Reilly bildet er nach dem ebenfalls sehr feinen TALLADEGA NIGHTS erneut ein fabelhaftes Gespann, das mir gleich mehrfach die Lachtränen in die Augen getrieben hat. Zugegeben, STEP BROTHER melkt seine Grundprämisse – zwei erwachsene Menschen führen sich auf wie kleine Kinder und weigern sich sehr zum Missfallen ihrer Eltern beharrlich, erwachsen zu werden – ausschließlich für die Lacher, genügt sich darin, das Potenzial an grellen Zoten gnadenlos auszureizen: Jede Möglichkeit, auf eine tatsächlich akute soziokuultrelle Entwicklung einzugehen, wird links liegen gelassen. Wenn STEP BROTHERS dann am Ende etwas ratlos in der bekannten Sei-der-der-du-bist-Anprache mündet, wirkt das angesichts der vorigen Eskapaden seiner beiden Protagonisten doch etwas fragwürdig. Aber wenn das Ergebnis so brutal komisch ausfällt, fällt das letzlich nicht wirklich ins Gewicht.

Kommentare
  1. Reifen sagt:

    Hallo,
    bin hier zufällig gelandet.
    Sehr gut geführter Blog, Angenehm zu lesen, man merkt das hier jemand mit viel
    Energie am werk ist. Möchte mich meinem Vorschreiber anschließen.Ist immer wieder erfreulich zu lesen das auch andere die gleiche Meinung haben.
    Weiter so.
    Gruß
    Michael Reifen

  2. […] dass Filme wie A BOUT DE SOUFFLE, TIREZ SUR LE PIANISTE, UNE FEMME EST UNE FEMME, JULES ET JIM, LE MEPRIS, BANDE À PART, PIERROT LE FOU und zahreiche weitere unauslöschlich ins kollektive filmische […]

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