touchez pas aus grisbi (jacques becker, frankreich/italien 1954)

Veröffentlicht: März 1, 2010 in Film
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Max (Jean Gabin) und sein Freund Riton (René Dary) sitzen mit weiblicher Begleitung in einem nächtlichen Pariser Café. Max‘ Blick fällt auf einen Zeitungsartikel, in dem von der immer noch vermissten Beute aus einem Raubüberfall die Rede ist. Gemeinsam begleichen sie ihre Rechnung und begeben sich in einen Nachtclub, wo Max in das Büro von dessen Betreiber gerufen wird. Der hat nämlich gerade einen Disput mit dem Gangster Angelo (Lino Ventura) darüber, welcher von Angelos Männern in Zukunft die Drogen in seinem Etablissement verkaufen darf. Max schlichtet den Disput, indem er einen Ersatz für den ungeliebten Ramon vermittelt, seinen Freund Marco, derweil der Geschasste auf Geheiß seines Bosses Angelo in einen Krankenwagen steigt und wegfährt. Angelo wiederum wird von Max wenig später im Clinch mit der Nachtclub-Tänzerin erwischt, mit der sein Freund Riton liiert ist. Eine scheinbar unwichtige Entdeckung, die aber noch schwerweigende Folgen nach sich ziehen wird. Und der genannte Krankenwagen verfolgt schließlich Max auf dessen Heimfahrt, wo der mit allen Wassern gewaschene Gangster seine Verfolger jedoch in die Flucht schlagen kann.

Diese kurze Beschreibung der ersten 20 bis 30 Minuten von Beckers Klassiker des französischen Gangsterfilms soll nur einen kurzen Eindruck davon vermitteln, auf welch geheimnisvollen Pfaden der Regisseur seinen Plot entwickelt. TOUCHEZ PAS AU GRISBI erzählt nicht so sehr durch das Was, sondern viel eher durch das Wie. Im Zentrum stehen nicht der Raubüberfall und seine Folgen, wie das im Heist-Film normalerweise üblich ist; Becker interessiert sich viel mehr für den Lebensstil seiner Protagonisten und für die Welt, in der sie leben. Max und Riton sind Gentlemen, die sich mit großer Würde und Eleganz durch die Unterwelt bewegen: Da gibt es keinen Lärm, keine Kraftausdrücke und Schießereien, stattdessen verhalten sie sich wie Geschäftsleute, die gerade weil sie auf der falschen Seite des Gesetzes arbeiten, umso akribischer und genauer sein müssen. Becker fängt scheinbar belanglose Rituale und Handgriffe ein, zeigt Max, wie er mit sehr viel Sorgfalt seine Garderobe vor dem Zubettgehen zusammenlegt und sich mit genau überlegten, ebenso ökonomischen wie eleganten Bewegungen die Zähne putzt. Doch das soll nicht über die wahre Natur ihrer Welt hinwegtäuschen: TOUCHEZ PAS AU GRISBI spielt ausschließlich bei Nacht, Schwärze durchzieht den ganzen Film und Lichtblicke gibt es in Max‘ und Ritons Welt längst nicht mehr – nur noch unerreichbare Träume. Beckers Film lieferte wichtige Vorarbeit etwa für seinen Landsmann Melville, der das hier skizzierte Bild in seinen Filmen nur noch ausarbeiten musste – speziell BOB LE FLAMBEUR als auch LE DOULOS sind ohne GRISBI eigentlich kaum denkbar, aber auch sein „Spätwerk“ der Sechziger- und Siebzigerjahre, in dem Melville noch einen Schritt weiter geht und all jene in Beckers Film noch in Rudimenten verbliebene Romantik und Melancholie aus seinem Genre heraussaugt, ist in GRISBI bereits angelegt. Die Generation von Max und Riton wird einer anderen Platz machen, die eine härtere Gangart pflegt, schließlich aber mit genauso leeren Händen dastehen wird. Das Ende ist bitter, ohne dass Becker einem das allzu dick aufs Brot schmieren würde. Wäre GRISBI nicht von einem deutlich erkennbaren Stilwillen geprägt, wäre er nicht geradezu poetisch in seinem Gesamtentwurf, man müsste ihm unterstellen, er sei dokumentarisch. Es ist diese Distanz zwischen dem Beobachter und seinem Objekt, die an GRISBI am nachhaltigsten beeindruckt und bewegt.

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