dr. giggles (manny coto, usa 1992)

Veröffentlicht: August 27, 2010 in Film
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Mehrere Jahrzehnte nachdem sein über dem Verlust der Gattin zum Serienmörder gewordener Vater – seines Zeichens praktizierender Arzt – von den aufgebrachten Einwohnern seines Heimatortes gelyncht wurde, gelingt dem nicht minder gestörten Sohnemann Evan Rendell (Larry Drake), der das Werk seines geliebten Papas fortsetzen möchte, die Flucht aus der Irrenanstalt. Er begibt sich schnurstarck an dessen alte Wirkungsstätte und beginnt, unwilligen „Patienten“ die letzte Therapie zu verpassen. Auf seiner Liste steht auch das junge Mädchen Jennifer (Holly Marie Combs), das an einem Herzfehler leidet …

Schon komisch, zu was für Filmen man eine nostalgisch-sentimentale Verbindung aufbauen kann: DR. GIGGLES, den ich jetzt zum ersten Mal seit rund 15 Jahren gesehen habe, fand ich eigentlich immer schon allenfalls „gut“; ganz nette Unterhaltung, die aber weit davon entfernt war, zu meinen Favoriten selbst nur des Slasherfilms zu zählen. Trotzdem verbinde ich ihn mehr als andere wichtigere und bessere Filme mit einer Zeit, in der die Grundlage auch für dieses Blog gelegt wurde. Es war 1994, als ich mit meinen Freunden Erol und Simon zum ersten Mal die berühmte Videothek auf der Maaskade im holländischen Grenzstädtchen Venlo aufsuchte, die mit einer riesigen, gut sortierten Horrorabteilung und geradezu idealen Leihbedingungen (zwei Leihtage zum einfachen Preis!) nicht zuletzt um die Gunst deutscher Kunden buhlte. Rund zwei Jahre lang unternahmen wir regelmäßig Touren dorthin, liehen uns manchmal bis zu 20 Filme pro Wochenende aus, die dann in zermürbenden Videomarathons förmlich „weggeguckt“ wurden und bekamen dabei endlich all das zu Gesicht, was uns dank BPS bis dahin entweder ganz vorenthalten oder aber nur zensiert verabreicht worden war. Ob Italo-Zombie- und -Kannibalensplatter, US-Horror oder asiatisches Kino: In besagter Videothek gab es fast alles – ein Videoparadies, nicht weniger. Aber wie alle schönen Dinge musste auch das irgendwann zu Ende gehen und so ist besagte Videothek – Internet sei Dank – schon seit ein paar Jahren geschlossen, das Gebäude steht leer und gammelt vor sich hin. Schnüff.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: DR. GIGGLES war 1994 noch recht aktuell und weil er in Deutschland nur gekürzt erschienen war, landete auch er bei einer dieser Touren in unserem Körbchen. Und irgendwie ist er ein geradezu idealtypischer Vertreter des Horrorkinos jener Tage: Weit weg von auch nur annähernd originellen (oder auch nur aufgeblasenen) inhaltlichen oder formalen Konzepten, aber immerhin ansehnlich produziert begnügte sich DR. GIGGLES damit, die damals eigentlich schon völlig ausgelatschte Freddy-Krueger-Masche für ein jugendliches Publikum noch breiter zu treten. Larry Drake darf als ständig manisch kichernder Psychopath Dr. Giggles (er wird im Film nie so genannt) keinen einzigen normalen Satz sagen, sondern sich ausschließlich in medizinischen Puns artikulieren, die mal ganz lustig, meist aber eben nur gezwungen sind und seine Opfer sind überwiegend Teenies, die zwar nur das eine im Kopf, davon aber keine Ahnung haben. Der Soundtrack ist entsprechend juvenil ausgerichtet und wer meint, dass der kommerzielle Musikmarkt nach Nirvanas „Nevermind“ von 1991 sich abrupt gravierend geändert habe (wie einen das musik- und pophistorische Essays ja gern glauben machen wollen), der wird angesichts der Ansammlung glam- und haarsprayrockiger Songs sein blaues Wunder erleben. Zwei Jahre tief in den Neunzigern sind die Achtzigerjahre in Manny Cotos Film immer noch sehr gegenwärtig und man wundert sich kaum, dass der populäre Horrorfilm erst ein paar Jahre später mit SCREAM seine Wiedergeburt feiern durfte; wohl aber darüber, dass jener auch als Neuanfang des längst vergangenen Slasherfilms beschrieben wurde und damit also eines Subgenres, dass – zieht man eben DR. GIGGLES heran – nur wenige Jahre vorher doch noch sehr lebendig war.  

Wenn sich das jetzt wie ein Verriss liest, so muss ich mich korrigieren: Ich hatte gestern nicht wenig Spaß beim Wiedersehen mit dem kichernden Doktor. DR. GIGGLES ist wie erwähnt sehr ansprechend gemacht – die 3D-animierte Creditsequenz etwa ist auch heute noch ganz ansehnlich, was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist -, überwiegend gut besetzt und gespielt, schlägt nach der klischeehaften ersten halben Stunde zum Glück bald einen etwas weniger ausgetretenen Weg ein und müht sich zudem redlich, das doch sehr generische Geschehen originell und unterhaltsam zu gestalten. Häufige Wechsel der Szenerie sorgen für Abwechslung, die Morde sind hübsch exzentrisch und das Finale angemessen makaber. Fast könnte man den Fehler begehen und sich zurück in die frühen bis mittleren Neunzigerjahre wünschen. Aber wahrscheinlich sind die verklärten Erinnerungen dann doch besser als the real deal.

Kommentare
  1. Fand immer, dass der ’n lustiger Mad-Scientist-Quatsch ist, der sich nicht scheut, mal richtig drüber zu gehen. Leider bin ich nie an eine Fassung geraten, die irgendwie zufriedenstellend war. Das erste Mal hab ich den auf der alten CIC-Kassette gesehen, die, wie du schreibst, komplett entstellt, aber immerhin im fetten Widescreen zu bewundern war. Die ausländischen Versionen hatten dann alle nur ein fürchterlich gecropptes Bild, so wie auch meine derzeitige US-DVD. Würde den gern irgendwann mal wieder in voller Länge und richtigem Bildformat sehen.

  2. Funxton sagt:

    @ Vega: Ohne jetzt eine Diskussion über Bildkompositionen vom Zaun brechen zu wollen – die Vollbildversion ist nur halbwegs ein schlechter Kompromiss, denn sie ist schlicht und einfach unmattiert. gecroppt ist da garnix 😉

    • Oliver sagt:

      Ob das tatsächlich nur unmatted ist, weiß ich nicht. Beim Reinzoomen jedenfalls werden oben schon ein paar Köpfe angesägt. Links und rechts scheint mir dennoch kaum etwas verlorenzugehen; jedenfalls nix wirklich Wichtiges und die Bildkompositionen leiden auch nicht sichtbar. 4:3 passt für DR. GIGGLES schon. 🙂

  3. Funxton sagt:

    @ Oli: Ich glaube, das ehemalige Videocornergebäude haben sich mittlerweile ein paar Marokkaner unter den Nagel gerissen, die in ihrer Bude upstairs ganz andere Wünsche erfüllen…

    • Oliver sagt:

      Bei meinem letzten Besuch dort vor ein paar Monaten sah das verdächtig nach „leerstehend und auf Abriss wartend“ aus. So wie die gesamte Maaskade völlig ausgestorben ist. Auch die ehemaligen Coffeeshops sind dort alle verschwunden. Das kann natürlich für die von dir insinuierten Zwecke ideal sein, aber da es jetzt direkt hinter der Grenze den praktischen Drogensupermarkt „Oase“ gibt, glaube ich, dass sich deine Marokkaner kräftig verkalkuliert haben …

      • Funxton sagt:

        Wenn ich so recht überlege, ist das auch doch schon ’ne ganze Zeit her, dass ich mal als Anhang mit in der Kaschemme von denen war. Die „Oase“ gab’s da jedenfalls noch nicht.

  4. Von 2,35 auf 1,33:1 ohne dass Bildinformationen verloren gehen würden? Oder wie muss ich das verstehen?

    Habe die Fassung (jap, VHS z.B.) nicht als Open Matte in Erinnerung, sah mir vielmehr schlimm aufgezoomt aus.

  5. Oliver sagt:

    Es wird wohl so sein, das links und rechts was fehlt, aber „schlimm aufgezoomt“ ist für mich was anderes. Ich schrub ja auch nicht, dass gar nichts verlorenginge, sondern, dass „kaum“ etwas bzw. wenigstens „nix Wichtiges“ verloren geht. Das ist ein Unterschied. (Gebe zu: Wenn was Wichtiges fehlte, würde ich das ja nicht sehen. Aber ich schätze, du verstehst, was ich meine.)

    Über eine neuere 1,85:1-Fassung schreibt ein User auf OFDb übrigens: „Echtes (neues) Widescreen-Format, im Gegensatz zu den gängigen Vollbildversionen fehlen oben und unten Bildinformationen, jedoch ist auf der linken Seite in der WS-Fassung deutlich mehr zu sehen!“

    Wenn oben und unten bei der 4:3-Fassung also mehr zu sehen ist, kann sie kaum „aufgezoomt“ sein, right?

  6. Hm, also wenn ein Film 2,35:1 als intendierte Aspect ratio hat, dann finde ich’s nicht prickelnd ihn in Vollbild zu schauen, zumal man dann oben und unten Sachen zu sehen bekommt, die man nicht sehen sollte. 1,85:1 wäre da Minimalkonsens für mich.

    Welche (neuere) DVD hat denn dieses Format, die letzte US-Auflage?

  7. Oliver sagt:

    Naja, ideal ist das bestimmt nicht. Aber da ich nur nen Euro für die DVD bezahlt habe. (Außerdem könnte man könnte entgegenhalten, dass es generell nicht ideal ist, Kinofilme auf der Glotze zu schauen.) Und was man oben und unten mehr sieht, schadet dem Film nicht. Es gibt also keine Mikrogalgen o. ä. zu bestaunen.

    Es gibt eine 1,85:1-Fassung (siehe oben).

  8. Ach, aus Warners Twisted-Terror-Serie. Bestellt. 🙂

  9. Funxton sagt:

    Wie gesagt – von der Intention des Filmemachers mal ganz abgesehen, nimmt man mit der FF-Version von „Giggles“ keinen nachhaltigen Schaden. Was das „deutliche Mehr“ am linken Bildrand angeht – ich bin sicher, das vermisst man bei der 4:3-Fassung auch nicht wirklich. Ist mal wieder eine typische Aussage von erzenen 16:9-Apologeten, die glaube, alles was heute noch annäherend quadratisch ist, habe nix mehr mit Kino zu tun.
    Es kommt übrigens weit weniger selten vor als man zunächst glauben möchte, dass Filme in unechtem Scope im Kino gezeigt, sie ergo in Vollbild oder anamorphotischenm 1,85:1 gefilmt und dann nachträglich oben und unten beschnitten werden, um den im Kino natürlich ja grundsätzlich wirkungsvollen Breitwandeffekt zu erzielen.
    Zwei Beispiele, die mir fix einfallen, sind Gregory Widens „The Prophecy“ und Rodriguez‘ „Once Upon A Time In Mexico“. Ersterer sieht in der Vollbildfassung tatsächlich wesentlich „komponierter“ und erdiger aus als in künstlichem WS, zweiterer wurde vom Regisseur höchstpersönlich für die Heimmedien auf das 1,85:1-Format getrimmt, um die 16:9-Guckern nicht mit mehr Balken zu belasten als unbedingt nötig.

  10. Ich habe Filme gern so, wie sie gedreht und gemeint waren (zumindest hinsichtlich des Bildformats). Was man da gefühlt mehr oder weniger sieht oder was subjektiv weniger schlimm erscheint, ist mir egal, immerhin sprechen wir hier von beschnittenen Bildkompositionen – Versionen wie die 4:3-Fassung von GIGGLES bedeuten schlicht und einfach wilkürliche künstlerische Eingriffe, die sich vermeiden ließen. Sicher ist die 4:3-Fassung des Films anschaubar, aber optimal ist sie nicht. Bin kein Widescreen-Fetischist, mag aber bei Filmen gern das im Bild sehen, was zu sehen sein sollte, nicht mehr und nicht weniger. Bei Gus Van Sant z.B. meide ich die gematteten Fassungen, weil ich weiß, dass er bei vielen seiner Filme 4:3 bevorzugt.

  11. Funxton sagt:

    Das sehe ich ganz genau wie du. Nur ist mir in diesem speziellen Fall nicht geläufig, welche AR der ja nicht eben durch seine umfassende Autorenkarriere auffallende Regisseur Manny Coto überhaupt bevorzugte bzw. wünschte. Die imdb-Angaben sind da auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss.
    Ich wollte wie gesagt nur deinem Eindruck widersprechen, die FS-Fassung sei gecroppt und enthalte somit Bildinformationen vor. Dem ist – das weiß ich ganz genau – nicht so. Sie ist „lediglich“ unmattiert und es geht (mit eventueller Ausnahme der ursprünglichen Bildkomposition womöglich) nichts verloren. Das kleinere Übel der verhunzten Formate, wie ich meine.

    • Oliver sagt:

      Nur um mich abschließend nochmal zu Wort zu melden – eigentlich habe ich euch beiden nix Wesentliches mehr hinzuzufügen:

      Natürlich würde ich den Film auch in der „intendierten“ Fassung bevorzugen. Allerdings – Funxton hat es angedeutet – finde ich es auch etwas übertrieben bei GIGGLES von „Bildkompositionen“ zu sprechen – und damit will ich den Film keinesfalls abwerten. Manny Coto ist nicht Sergio Leone, der das Scopeformat wirklich ausgenutzt hat: DR. GIGGLES ist deutlich sichtbar mit Schwergewicht auf die Bildmitte hin „komponiert“. Wohl auch, weil man wusste, dass man ihn nochmal mit einigem Erfolg auf dem Videomarkt würde verwerten können.

  12. […] schon DR. GIGGLES zählt auch THE DEAD PIT zu den damals in Venlo verhafteten Splatterfilmen. Dass von diesem aber so […]

  13. Gut, wir sind uns einig, bis auf einen Punkt: Ich mache grundsätzlich keine Unterschiede zwischen Leone oder Cotto. Ich gehe erst einmal immer davon aus, dass jeder Regisseur sich Gedanken macht, wie er Bilder anordnet und wie nicht. Es gibt kleine schrottige B-Filme, die sind m.E. mehr versucht (wenn auch mit durchwachsenem Erfolg), etwas aus ihren Bildern herauszuholen, als viele so genannte große Filme. Ich würde nie selbst an die blödesten Slasher herantreten mit dem Gedanken, dass hier ja eh kein Leone am Werk gewesen und die Bilder deshalb ohnehin schon einmal legitim beschneidenswert seien, nichts für ungut.

  14. Oliver sagt:

    Du solltest wissen, dass es mir genauso geht, sonst würde ich wohl kaum mit solcher Ernsthaftigkeit über Filme schreiben, die für andere Leute die Mühe gar nicht erst wert sind. Wenn ich mich recht erinnere, war das ja genau das, was du den „Himmelhunden“ vor ein paar Jahren vorgeworfen hast.

    Ich habe mir die GIGGLES-DVD gekauft, ohne mir groß Gedanken darüber zu machen, ob das Bildformat das Richtige ist oder nicht. Ich habe ihn für nen Euro gesehen und zugeschlagen; und ich kann mit dieser Version erstmal ganz gut leben. Was ich mit dem Leone-Vergleich sagen wollte, war nicht, dass Coto per se ein mieserer Regisseur ist, sondern dass GIGGLES im 4:3-Format weniger verliert als meinetwegen ONCE UPON A TIME IN A WEST, bei dessen Duell-Szenen man in alten Fassungen gar keinen der beiden Schützen sehen konnte, weil Leone das Format bis zum Letzten ausreizte. Ich würde unterstellen, dass es keine künstlerischen Erwägungen waren, die Coto dazu veranlassten, im Scopeformat zu drehen, sondern eher Prestige- und Marketinggründe. (Wenn Coto denn überhaupt irgendwas entscheiden durfte.) Und das sieht man eben daran, dass alles, was sich in GIGGLES abspielt, immer in der Bildmitte passiert und nicht etwa am Rand.

  15. Ok, alles klar… bekay würde das, was du schreibst, übrigens als reine Unterstellung und damit Geschwür der Intentionalisierung kennzeichnen. 😀

    btw: Das habe ich euch damals nicht vorgeworfen, jedenfalls nicht direkt. Das war etwas anders. Aber das ist doch nun Vergangenheit. 😉

  16. Oliver sagt:

    Naja, mit bekay war und bin ich mir durchaus häufiger uneins, wobei ich auch finde, dass Unterstellung von Intentionen bei der Filmrezeption nicht viel bringt. Aber trotzdem muss man die Produktionsbedingungen eines Films ja nicht ganz ausblenden …

    Wollte keine alten Streitereien aufwärmen, nur zum Ausdruck bringen, dass mich dein Einwand mir gegenüber etwas gewundert hat … Kein böses Blut also. 🙂

  17. Wie du siehst, wir unterscheiden uns in dieser Frage nicht wesentlich. Also keine falsche Verwunderung. 🙂

    Den ersten Absatz würde ich auch komplett unterschreiben.

    Hilfe, Konsens! 😀

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