masculin féminin (jean-luc godard, frankreich/schweden 1966)

Veröffentlicht: Januar 13, 2011 in Film
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Paul (Jean-Pierre Léaud) ist in Madeleine (Chantal Goya) verliebt, die gerade eine viel versprechende Popkarriere startet. Doch Madeleine weiß noch nicht so genau, ob sie auch in Paul verliebt ist. Denn während der sich in marxistischen Widerstandsfantasien übt und Wände mit Parolen besprüht, träumt Madeleine lieber von Ruhm und Amerika …

Der Kontrast zum Vorgänger könnte kaum härter sein: Erstrahlte PIERROT LE FOU in sonnendurchfluteten Farben und im breitesten Scope, erzeugt MASCULIN FÉMININ in seinen auf 4:3 begrenzten Schwarzweiß-Kompositionen eine beinahe klaustrophobische Stimmung. Und die im Klassiker von 1965 zumindest noch in ihren Umrissen erkennbare Genreschablone weicht nun endgültig einem fragmentarisch-(pseudo-)dokumentarischen Ansatz. Godard wirft einen Blick auf die Jugend der Sechzigerjahre zwischen Anpassung und Aufstand und es macht den Reiz von MASCULIN FÉMININ aus, dass man diesen Blick als Zuschauer nie ganz festlegen kann: Ist er distanziert und neutral, gar liebe- und verständnisvoll oder doch eher herablassend und spöttisch? Die umstürzlerischen Ambitionen seiner männlichen Protagonisten, die sie mit heiligen Ernst vortragen, äußern sich dann eben doch nur im hilflos-infantilen Aktionismus und die „Reife“ der weiblichen Figuren erschöpft sich in naiven Karriereambitionen und Materialismus. Aller dem Stoff durchaus innewohnenden Komik zum Trotz ist MASCULIN FÉMININ deshalb vor allem ein ernüchternder und trauriger Film. „Die Blicke treffen sich nie“, liest Paul zu Beginn in einem Buch und Godard kommt dem bildlich nach, indem er die Charaktere voneinander isoliert und so eine Welt zeigt, in der jeder allein ist, Zweisamkeit nie echt, sondern bloß ein hilfloser Versuch ist, die Isolation zu überwinden, die sich dadurch jeodch nur umso stärker manifestiert.

Am interessantesten an MASCULIN FÉMININ, der in seinen marxistischen Thesen (die in unregelmäßigen Abständen auch als Zwischentitel eingeblendet werden) deutlich als Kind seiner Zeit erkennbar ist, ist sicherlich, dass er trotz dieses Zeitkolorits immer noch zeitgemäß erscheint. Seine formalen Kniffe – vor allem auf der Tonebene gibt es eine Menge zu entdecken, das allein schon eine Zweitsichtung rechtfertigt – sind dem zeitgenössischen Coming-of-Age-Film fast schon zu Inszenierungsklischees geworden, die nur noch abgerufen werden müssen, um die gewünschten Assoziationen hervorzurufen, die Godard hier erst noch mühsam herleiten musste. Und steile kulturpessimistische Thesen, die regelmäßig etwa den Verfall der Jugend verkünden, relativieren sich, wenn man sieht, dass Godard dieselben Phänomene schon Mitte der Sechzigerjahre beobachtet hatte. Das schmerzhaft unnachgiebige, fast sechseinhalb Minuten lange Interview, das Paul mit einer Neunzehnjährigen führt, die weder die Frage nach Verhütungsmethoden noch nach aktuell laufenden kriegerischen Auseinandersetzungen beantworten kann und die von der statischen Kamera nicht für eine Sekunde aus den Augen gelassen wird, könnte so auch heute noch zum Thema „Unsere Jugend ist unaufgeklärt: Hilfe!“ im Fernsehen laufen.

Meine Godard-Erfolgsreihe geht also weiter …

Kommentare
  1. […] U.S.A fantastisch aussieht in seinen knalligen Farben und den plakativen Bildkompositionen und nach MASCULINE FÉMININE zwar wieder eine Rückbewegung zu den vorigen Genredekonstruktionen darstellt, dabei aber den bei […]

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