quelli della calibro 38 (massimo dallamano, italien 1976)

Veröffentlicht: Oktober 31, 2012 in Film
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Als Vergeltung für die Erschießung seines Bruders ermordet der Gangster, den alle nur „den Marseiller“ nennen (Ivan Rassimov), die Ehefrau von Kommissar Vanni (Marcel Bozzuffi). Auf diese neue Qualität des Verbrechens reagiert die Polizei, indem sie Vanni eine neu formierte Spezialeinheit unterstellt, deren Mitglieder symbolisch mit einer .38 Magnum ausgestattet werden. Doch Vanni reagiert enttäuscht und erbost auf die sich einstellenden Disziplinlosigkeiten und Gesetzesübertretungen seiner Leute. Während der Marseiller sich anschickt, die Stadt mit strategisch deponierten Sprengladungen zu erpressen, wird die Spezialeinheit lahmgelegt …

Mit QUELLI DELLA CALIBRO 38, Dallamanos letztem Film, ist dem Regisseur ein Klassiker des italienischen Poliziottesco gelungen, nachdem er zuvor mit LA POLIZIA CHIEDE AIUTO und COSA AVETE FATTO A SOLANGE? schon im gemeinsamen Grenzgebiet von Polizeifilm und Giallo Beachtliches geleistet hatte. Der Ruf dieses Films stand seiner Wirkung auf mich zunächst im Wege, denn QUELLI DELLA CALIBRO 38 geht nicht den geraden Weg, den zu gehen er zunächst den Eindruck erweckt. Doch seine Umwege entpuppen sich rückblickend nicht als Irrungen und Wirrungen eines unfokussierten Drehbuchs, sondern als durchaus gewollt eingeschlagen. Die Spezialeinheit mit ihrer titelgebenden großkalibrigen Waffe bleibt eher eine Randerscheinung: Scheint Dallamano zunächst eine mehr oder weniger kritische Auseinandersetzung mit Selbstjustiz und dem Wunsch nach „Law & Order“ anzustreben, tritt dieser Strang zumindest vordergründig recht bald in den Hintergrund. Zunächst wird die mit der .38 verbundene Feuerkraft dadurch beschnitten, dass die Mitglieder der Spezialeinheit angewiesen werden, nur auf Beine zu schießen. Dann werden im Kontext des Genres geradezu lapidar anmutende Regelverletzungen massiv kritisiert, der sich bei den Jungbullen wie ein Virus ausbreitende Drang, die neue Macht auszunutzen, rigoros unterbunden. Man kann das kaum anders als als Stellungnahme Dallamanos zum Status quo des Poliottesco betrachten, der in schöner Regelmäßigkeit frustrierte Polizisten zeigte, die sich mit brachialer Gewalt gegen das aus dem Ruder gelaufene Verbrechen zur Wehr setzten. Vor allem Deodatos UOMINI SI NASCE POLIZIOTTI SI MUORE drängt sich zum Vergleich auf: Hier wie da geht es um eine motorisierte, neue gegründete Spezialeinheit überwiegend junger, motivierter Polizisten. Während Deodatos Cops im Namen des Gesetzes förmlich Amok laufen, von ihrem Vorgesetzten zwar kritisiert, aber niemlas wirklich zur Rechenschaft gezogen werden, da steht Dallamanos Spezialeinheit von Beginn an unter besonderer Beobachtung: Mit den neuen Aufgaben geht eben auch eine besondere Verantwrtung einher.

Vanni, von der Story her eigentlich zum Rächer prädestiniert, legt gerade wegen seiner persönlichen Betroffenheit größten Wert auf einen sauberen Ablauf der Ermittlungen. Er versteht die Ermordung seiner Frau eben nicht als Legitimation, die Regeln seinerseits zu beugen, sondern weiß, dass jeder seiner Schritte unter besonderer Beobachtung steht. Er muss sich noch enger an die Regeln halten als andere. QUELLI DELLA CALIBRO 38 wird zum Film über die Anstrengungen aller Beteiligten, trotz des enormen Drucks von außen, sauber zu bleiben. Und welcher Druck wird da auf sie ausgeübt! Zwei Bombenattentate zeigen verheerende Wirkung und Dallamano lässt keinen Zweifel an der Grausamkeit der Verbrechen des Marseillers. Lange fährt die Kamera über die am Boden liegenden Leichen von Frauen, Kindern, Männern, allesamt unschuldige Opfer eines rücksichtslosen Mörders. Die Presse fordert lautstark Maßnahmen und Erfolge, doch bei der Polizei sind alle bemüht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Vannis Vorgesetzter zieht irgendwann sogar in Erwägung, den Forderungen des Marseillers nachzugeben. Es ist Vanni, der ihn dazu drängt, nicht aufzugeben, weiterzumachen, auf die Wirksamkeit der kriminalistisch sauberen Metoden zu Vertrauen. QUELLI DELLA CALIBRO 38 wird so auch zur Zerreißprobe für den Zuschauer, der mit dem Beginn des Films ja geradezu gelockt wird mit dem Versprechen auf die kathartische Gewalt, der Dallamano eine Absage erteilt. Oder anders: Sein Film erinnert uns daran, dass erst ein Triumph, der unter Einhaltung der Spielregeln erzielt wird, wirklich reinigenden Wirkung hat.

Kommentare
  1. […] Kaliber 38 – Genau zwischen die Augen (Massimo Dallamano, 1976) […]

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