15. hofbauer-kongress: die spanische fliege (carl boese, deutschland 1955)

Veröffentlicht: Januar 9, 2016 in Film
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die_spanische_fliegeDer von mir mit am meisten Vorfreude erwartete Film entpuppte sich als vergessene Meisterleistung der deutschen Sittenkomödie, als intelligente, geschickt inszenierte, urkomische, aber gleichzeitig bitterböse Abrechnung mit deutschem Spießertum, Scheinheiligkeit und – auf subtextueller Ebene – mit der verdrängten Schuld der Nazizeit.

DIE SPANISCHE FLIEGE beginnt mit einem Prolog in den Dreißigerjahren. Der Daxburger Amüsierbetrieb, in dem zum Frohlocken der Herren eine Sängerin (Gretl Schörg) auftritt, deren Künstlernamen der Film seinen Titel verdankt, wird wegen Verstoß gegen die guten Sitten geschlossen, die Künstlerin mileidlos abgeschoben. Wenig später werden der Fabrikleiter Klinke (Joe Stöckel), der Kaufhausbesitzer Sommer (Rudolf Platte) sowie zwei weitere Herren vom Anwalt Ambrosius (Paul Henckels) vorgeladen. Alle waren sie Verehrer der in Ungnade gefallenen Tänzerin, alle werden sie nun von ihr zur Zahlung von Alimenten für einen von ihnen gezeugten Sohn aufgefordert, alle kommen der Forderung nach, weil sie einen Skandal verhindern wollen. 20 Jahre später droht das wohl gehütete Geheimnis aber doch ans Licht zu kommen und die Männer kämpfen händeringend darum, dem neuen Anwalt Gerlach (Hans Richter) die alten Akten abzunehmen, die als einziger Beweis übrig sind. Der weiß sich dieses Interesse zunutzen zu machen, will er doch Klinkes Tochter heiraten. Und er weiß auch als einziger, dass die vier Männer jahrelang für einen Sohn gezahlt haben, den es gar nicht gibt …

DIE SPANISCHE FLIEGE ermöglicht zum einen den ungeschönten Blick auf deutsche Nachkriegsverlogenheit, auf fette alte Patriarchen, die jeder gerechten Strafe entkommen, aber kein Stück klüger oder auch nur leiser geworden sind und in dem festen Glauben leben, für sie gelten Sonderrechte, auf ihre schweigenden Familien und eine insgesamt im Zustand der Verleugnung lebende Gesellschaft. Erträglich gemacht wird das durch den Blick Boeses, der die ganze Baggage gnadenlos bloßstellt und kaum einen Zweifel daran lässt, welche Position er zu dem Geschehen einnimmt. Auch das Happy End ändert daran nichts, im Gegenteil, es wirkt nur umso schärfer und bitterer, dass alle mit heiler Haut davonkommen, so wie es ihnen nach dem Krieg ja auch im echten Leben ergangen war. Vordergründig geht es natürlich bloß um einen einstigen Seitensprung sowie die vermeintliche Vaterschaft, die um jeden Preis vertuscht werden soll, aber die Abschiebung der Künstlerin, die ständigen Gespräche über längst vergangene Taten, die man unter den Teppich zu kehren wünscht, die Geschichte um nach Amerika gezahlte Alimente, die als Spende nach Daxburg zurückfließen, ohne dass dafür Steuern gezahlt werden, lassen durchaus Deutungsspielraum.

Von solchen Aspekte abgesehen begeistert DIE SPANISCHE FLIEGE aber auch einfach als vielseitige, wendungsreiche und rasante Komödie, in der Joe Stöckel und Rudolf Platte echte Meisterleistungen abliefern und die Zwerchfelle im Minutentakt traktieren. Der Film steckt voller kleiner Details und Brüche, schöner Beobachtungen, interessanter Figuren (Elisabeth Flickenschildt als herrische Gattin!), andeutungsreicher Dialoge, Wortwitz und Slapstick, hält sein hohes Tempo und Niveau bis zum Ende durch und bleibt dabei immer überraschend. Es brodelt einfach ganz gewaltig unter der Oberfläche des Filmes und ich würde ihn am liebsten schnellstmöglich noch einmal sehen. Eine Veröffentlichung, etwa von Filmjuwelen, die dafür prädestiniert wären, wäre absolut wünschenswert. Solche Meisterwerke wie DIE SPANISCHE FLIEGE dürfen nicht verschwinden.

Kommentare
  1. Wolfgang jahn sagt:

    Und weil wir gerade bei MEISTERWERKEN – und wahrlich!! – mit dem genialen Joe Stoeckel sind, dann moechte ich auch ganz ganz unbedingt DIE FALSCHE BRAUT aus 1944 mit einer durch und durch grossartigen Besetzung, sowie den fast ebenso guten und ebenfalls zu Unrecht vergessenen Film DAS SUENDIGE DORF aus 1940 mit einer ziemlich aehnlichen Handlung zur gebuehrlichen Erinnerung rufen! 🙂

  2. Wolfgang jahn sagt:

    Ich ergaenze: beide Filme sind nicht nur mit, sondern auch VON Joe Stoeckel!

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