paid in full (charles stone lll, usa 2002)

Veröffentlicht: Januar 20, 2016 in Film
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paid-in-full-movie-poster-2002-1020202470Seit alten Blaxploitation-Tagen ein Standard des urbanen Crimefilms: die Rags-to-Riches-Story vom afroamerikanischen Kleinkriminellen, der durch Drogenverkauf und unbarmherzige Härte zum Kingpin aufsteigt – und dann für gewöhnlich dem Gesetz, abtrünnig gewordenen Freunden oder der Konkurrenz zum Opfer fällt. Gespickt mit Hip-Hop-Soundtrack zelebrieren diese Filme für gewöhnlich einen hemmungslosen Hedonismus und Materialismus mit entspechend glamourös gestalteter Oberfläche, bevor am Ende mit der „Crime-does-not-pay“-Keule zugelangt wird. PAID IN FULL stellt inhaltlich nur bedingt eine Ausnahme von dieser Regel da, ist aber doch ganz anders als der Rest, nämlich deutlich zurückgenommener, realistischer, setzt weniger auf flashige SCARFACE-Reminiszenzen (der einmal im Kino läuft und das Harlem-Publikum zum Ausrasten bringt) und ausufernde Gewalt. Charles Stone III hat einen ruhigen Film gedreht, der eher über seine Charaktere und ein sehr schön eingefangenes Lokalkolorit kommt als über eine schillernde Oberfläche. Das hat mich schon überrascht, fungierten als Produzenten mit Damon Dash und Jay-Z doch die damaligen Köpfe des Rap-Imperiums Roc-A-Fella, das eigentlich eher für einen Larger-than-Life-Ansatz bekannt war.

Ace (Wood Harris) und Mitch (Mekhi Phifer) sind alte unzertrennliche Jugendfreunde und dennoch grundverschieden: Während Ace in einer Reinigung arbeitet und nur wenig Geld nach Hause bringt, kann sich Mitch als Dealer ein Leben voller geiler Klamotten und Autos leisten. Alle Versuche, den Kumpel von diesem Lifestyle zu überzeugen, scheitern aber: Ace ist sich der Risiken zu sehr bewusst. Als Mitch eine Haftstrafe absitzt, findet Ace in der Hose eines Kunden ein Klümpchen Kokain, das er seinem Besitzer pflichtbewusst zurückbringt und so dessen Vertrauen erntet. Mit dem besten Produkt der Stadt steigt er in kurzer Zeit zum erfolgreichen und wohlhabenden Dealer auf, immer darauf bedacht, nicht allzu sehr aufzufallen. Doch damit ist Schluss, als Mitch entlassen wird und den aufbrausenden, unbeherrschten Rico (Cameron Giles) mitbringt …

Im Zentrum des Films steht Ace, der in der großen Darbietung von Wood Harris mit kleinen Gesten, Bewegungen und Blicken zum dreidimensionalen Charakter heranwächst. Er ist es, der diese Geschichte mit beiden Beinen am Boden hält und auch für Menschen nachvollziehbar macht, die mit dem Sujet sonst eher weniger anfangen können. Hinter seiner etwas verschlafen wirkenden Fassade steckt ein hellwacher Geist, der sich seine Umwelt ganz genau anschaut und erst dann tätig wird, wenn er einen todsicheren PLan hat. Das unterscheidet ihn von den impulsiven Lustmenschen um ihn herum, die eher Opfer ihrer eigenen Schwächen als in der Lage sind, diese zu beherrschen. Bestes Beispiel dafür ist natürlich Rico, der den Typus des großmäuligen, gewaltbereiten, immer kurz vor der Explosion stehenden Gangbangers verkörpert. Der Rapper Cam’ron, dessen eigenes DTV-Vehikel KILLA SEASON mir aufgrund unfasslicher Unzulänglichkeiten eine Maulsperre bescherte, profitiert hier davon, von einem echten Regisseur angeleitet zu werden, der seine Stärken in die richtigen Bahnen lenkt: Rico ist ebenso furchteinflößend wie mitleiderregend in seiner Unfähigkeit zu jeglicher Reflektion.

Die protokollierende Art, mit der Stone Aufstieg und Untergang von Aces Drogenimperium zeichnet, ermöglicht es außerdem, die universellen Wahrheiten der Geschichte in den Blick zu fassen. Abseits allen Lokal- und Zeitkolorits – PAID IN FULL spielt in den Achtzigerjahren – wird hier eine Geschichte über die korrumpierende Macht des Kapitals erzählt, der gerade diejenigen am schnellsten erliegen, die nie etwas hatten. Mitch und Rico mögen für sich in Anspruch nehmen, ihre Drogen selbst nie angefasst zu haben und völlig clean zu sein, aber sie sind von der trügerischen Verführungskraft des Geldes abhängig und bereit, jeden umzubringen, der ihnen etwas davon wegnehmen will. PAID IN FULL zeigt auf diese Art und Weise sehr schön, wie die Ghettoisierung in den USA als selbsterhaltendes System ohne jeden Eingriff von außen funktioniert.

 

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