2. mondo bizarr weekender: l’aldila (lucio fulci, italien 1981)

Veröffentlicht: Januar 25, 2016 in Film
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geisterstadt-deWas soll man zu diesem Wunderwerk noch sagen? Die Sternstunde von Fulcis Splatter-Ära ist ein einziger Rausch, der auf der großen Leinwand seine ganze transzendierende Kraft entfaltet. Mittlerweile muss man den Film ja glücklicherweise auch nicht mehr vor solchen Leuten in Schutz nehmen, die den Gore zwar total knorke finden, aber ansonsten der Meinung sind, dass „die Story voll unlogisch“ sei. Genau darum geht es schließlich: In L’ALDILA bricht die Logik des Albtraums in die uns bekannte Welt ein und zersetzt sie, bis nichts mehr übrig ist. Die Apokalypse besteht nicht aus einer Atombombenexplosion und nuklearer Verseuchung, auch nicht aus einer tödlichen Epidemie, sie ist der Zusammenbruch aller Logik, der Gesetze von Zeit und Raum. Tote erwachen plötzlich zu neuem Leben, Menschen, die nicht existieren dürften, existieren, Baupläne verschwinden von den Buchseiten, auf denen sie gedruckt waren, eine Bibliothek wird von einer Tarantelplage heimgesucht, eine Kellertür führt in ein altes Gemälde, das die Hölle als endlose Staubwüste darstellt.

In meinem aus dem Stegreif improvisierten kleinen Einführungsvortrag schlug ich daher auch vor, dass man L’ALDILA doch am besten als metaphysischen Endzeitfilm, anstatt als Zombiefilm verstehen sollte. Wie wenig Fulci sich tatsächlich für den Romero’schen Zombiemythos interessiert (auch schon in seinem PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTI), wurde mir dann aber auch erst während des Films richtig klar. Romero modernisierte ja den klassischen, dem Voodoo-Glauben entstammenden Zombiemythos, indem er die lebenden Toten zum Gleichnis für die vom Kapitalismus geknechteten Massen uminterpretierte, die sich erheben, um aufzubegehren. Dafür kreierte er auch eine Art „Regelwerk“, wie man es auch aus den Vampirfilmen kennt: Woher der erste Zombie kommt, bleibt zwar unklar, doch sein Biss infiziert seine Opfer, die wenig später selbst zu stumpf umherirrenden Menschenfressern werden und nur durch einen Kopfschuss erlöst werden können. Charakteristisch für diese sozialkritischen Zombiefilme ist die seuchenartige Streuung der Infektionen und die betonte Sachlichkeit der Darstellung, die jedes übersinnliche Element tilgt. Das Auftreten der Zombies ist vorhersagbar, genauso wie ihr Verhalten und die Folgen ihrer Bisse. Der einzige Zombiefilm Fulcis, für den das gilt, ist ZOMBI 2 (der lediglich wieder ein bisschen Voodoo-Folklore beimengt), aber sowohl PAURA als auch L’ALDILA setzen die Zombies eigentlich eher ein wie Geister, die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen und keinerlei Naturgesetzen unterworfen zu sein scheinen. Manchmal stehen sie auch einfach nur drohend herum, einen Impuls, unbedingt Menschenfleisch verspeisen zu wollen, lassen sie nicht erkennen. Was sie als einziges mit den Romero-Zombies verbindet, ist ihre Zeichenhaftigkeit: Sie sind gewissermaßen die Sendboten des Untergangs, die manifesten Anzeichen dafür, dass das Ende bevorsteht. Aber dieses Ende lässt sich bei Fulci eben nicht dystopisch deuten. Es gibt keine „Aussage“, die man aus L’ALDILA bergen könnte, er ist ein rein ästhetisches Statement. Und was für ein meisterliches! Schade, dass es so lange gedauert hat, bis das verstanden wurde und die einzige Zuwendung, die seine Splatter-Epen lange Zeit erfuhren, jene von sensationslüsternen Videokindern, kunstfeindlichen Beamten und verkniffenen Sittenwächtern war. Was für ein Glück, dass diese dunkle Zeit zu Ende ist.

Kommentare
  1. […] 2. Mondo Bizarr Weekender, bei dem Oliver Nöding zu Gast war. Seine hinreißende Besprechung von Fulcis „Geisterstadt der Zombies“ und Filmen wie „The Green Slime“ findet man wie gewohnt auf Remember It For […]

  2. kiwi sagt:

    wundervoll geschrieben … du biste der beste !

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