2. mondo bizarr weekender: curucu, beast of the amazon (curt siodmak, usa 1956)

Veröffentlicht: Januar 25, 2016 in Film
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curucu_beast_of_amazon_poster_05Um über diesen Film überhaupt einen brauchbaren Text schreiben zu können, werde ich hier hemmungslos spoilern. Wer CURUCU, BEAST OF THE AMAZON noch sehen will und der Meinung ist, dass er dafür nichts über die Handlung wissen darf, sollte hier also aufhören zu lesen. Ich darf eine Empfehlung mit auf den Weg geben, allerdings sollte man besser keinen knalligen Monsterspaß erwarten …

Kurz zur Handlung: Im brasilianischen Amazonasgebiet laufen westlichen Industriellen die einheimischen Arbeiter davon, weil immer wieder Tote mit unerklärlichen Verletzungen aufgefunden werden. Sie glauben, dass ein Ungeheuer dahinter steckt (und wir wissen, dass sie Recht haben), doch die weißen Herrenmenschen, allen voran der heißblütig undiplomatische Rock Dean (John Broomfield), sind natürlich der Überzeugung, dass das Hirngespinste von unzivilisierten Primitivlingen sind. Es hilft alles nix: Um ihnen das zu beweisen, muss die Reise zu den Curucu-Fällen im Kopfjäger-Gebiet angetreten werden, wo das Monster angeblich beheimatet sein soll. Dean macht sich gemeinsam mit seinem Führer Tupanico (Tom Payne) und der eigensinnigen Ärztin Dr. Andrea Romar (Beverly Garland) auf den Weg.

CURUCU, BEAST OF THE AMAZON ist einer von nur knapp zwei Handvoll Filmen, die Siodmak, ein dafür umso fleißigerer Drehbuchautor, während seines langen Lebens inszenierte, und er wird damit zitiert, sich von den Dreharbeiten on location körperlich nie wirklich erholt zu haben. Gegenüber anderen Monsterschinken aus jener Zeit ist CURUCU nicht nur erheblich bunter, weil in knalligem Eastmancolor gedreht, sondern eben auch eine Ecke aufwändiger. Klar, hier und das wird das im Amazonas gedrehte Material mit stock footage gestreckt, aber weitestgehend fühlt sich Siodmaks Film eben echt an und nicht wie Kasperletheater in Pappkulissen. Ansonsten ist er aber geradezu archetypisch: Der Held ist ein ultrakerniger Mannmann, der in erster Linie aus Bartstoppeln und Muskeln besteht, Whiskey in den Adern hat und selbst beim ärztlichen Gesundheitscheck die Fluppe nicht aus dem Mund nimmt. Frauen gehören von Natur aus in seine starken Arme oder an den Herd, ganz gewiss aber müssen sie keine Karriere machen. Und tun sie das doch, so wie die selbstbewusste Ärztin, die der gute Rock geradezu reflexhaft angräbt, kaum dass sie sich in einem Raum mit ihm befindet, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder bei Sinnen sind und sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Ach ja, und „Eingeborene“, sprich: alle Menschen, die außerhalb der Industrienationen leben, sind ein primitives Völkchen, das man mit der gleichen mitleidigen Herablassung behandelt wie Haustiere. Das Monster, ein gockelhafter Riesenvogel, den man ein paarmal kurz zu Gesicht bekommt, ist von nur minderem Interesse. Dass man es gleich am Anfang sieht, lässt den späteren Twist des Films schon erahnen: Es ist nämlich gar kein Tier, sondern Tupanico, der in ein Kostüm geschlüpft ist, um so den Vormarsch der Weißen in das Gebiet der Ureinwohner, deren Häuptling er ist, zu stoppen. Natürlich kann Rock Dean das nicht auf sich sitzen lassen.

Interessant an CURUCU ist, wie er sich vor den förmlich aufdrängenden Erkenntnissen verschließt, um ein typischer chauvinistisch-konservativer Film jener Zeit bleiben zu können. Die weibliche Protagonistin beginnt als selbstbestimmte, selbstbewusste Wissenschaftlerin, die sich deutlich Besseres vorstellen kann als ein Leben als Anhängsel eines dumpfen Macho-Arschs, nur um sich im Verlauf der Expedition – wahrlich eine Reise ins Herz der Finsternis – in ein jammerndes Weibchen zu verwandeln, das erst durch Aufgabe ihres Singlestatus eine „ganze“ Person werden kann. Rock Dean hingegen, ein Kotzbrocken vor dem Herrn, der jedem, der nicht seiner Meinung ist, sofort aufs Maul haut (ich glaube, er weiß gar nicht, was „Kommunikation“ ist), sich selbst für absolut unwiderstehlich hält und seine grenzenlose Borniertheit wie eine Auszeichnung vor sich her trägt, bleibt als Held unhinterfragt, einfach weil das eben die Konvention dieser Filme ist. Genau andersherum verhält es sich bei Tupanico: Seine antikolonialistisch-ökologische Position ist sofort und unmittelbar einsichtig, noch nicht einmal die beiden Helden können ihm Argumente entgegensetzen (OK, von Rock war das auch nicht unbedingt zu erwarten), trotzdem muss er den Schurkentod sterben, ohne dass sein Handeln auch nur den geringsten Nachhall finden würde. Die ganze, jeden vernunftbegabten Menschen schier wahnsinnig machende Weigerung, sich von guten Argumenten anstatt von vorformulierten Glaubenssätzen leiten zu lassen, die das Zusammenleben in komplexen Gesellschaften oft so qualvoll und schmerzhaft macht, verkörpert Siodmaks Film gewissermaßen in sich.

CURUCU, BEAST OF THE AMAZON war ein optimaler Einstieg in den letzten Tag des Wochenendes, auch wenn das Vergnügen durch einen mir gänzlich neuen Universal-Brauch milde getrübt wurde: Die Studios verfolgten wohl eine zeitlang den ätzenden Brauch, auf 4:3 gedrehte Filme „aufzublasen“, indem sie einen entsprechenden Ausschnitt vergrößerten. Das führte, wie bei der Kopie von CURUCU, nicht nur zu Unschärfen, sondern auch dazu, dass das Bild bei erheblichem Kopfraum unten massiv beschnitten war. Wieder was gelernt.

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