a serious man (joel coen/ethan coen, usa/großbritannien/frankreich 2009)

Veröffentlicht: Januar 24, 2018 in Film
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Nach dem starbesetzten und auch sonst übers Ziel hinausgeschossenen BURN AFTER READING signalisiert A SERIOUS MAN schon mit dem aufgeräumten Plakatmotiv und einer „namenlosen“ Besetzungsliste eine Art Entschlackung. Giftstoffe loswerden, um zu einem besseren Körpergefühl und seelischer Ausgeglichenheit zurückzufinden: Das leistet auch dieser Film, der die Welt und das Leben zwar keineswegs durch die rosarote Brille des Optimisten sieht, aber eben auch nicht mit der abgezockten Süffisanz des Zynikers, die den Vorgänger kennzeichnete. Zum ersten Mal in ihrer langen Laufbahn befreien sich die Coens zudem vom Genre-Korsett und widmen sich dem „wahren Leben“ in einem Drama: A SERIOUS MAN ist THE MAN WHO WASN’T THERE abzüglich der Noir-Einflüsse. Ein Verbrechen kommt für seinen braven jüdischen Protagonisten, den Physik-Lehrer Larry Gopnik (Daniel Stuhlbarg), nicht in Frage, trotzdem muss er mit einem ganzen Berg über ihn hereinbrechender Katastrophen fertigwerden. Und sich die Frage beantworten, was der Sinn hinter all diesen Herausforderungen ist, mit denen das Leben ihn in kurzer Folge konfrontiert.

Larry Gopnik ist ein typischer Coen-Protagonist: durchschnittlich, ein bisschen langweilig. Im Unterschied zu Charakteren wie Jerry Lundegaard in FARGO oder Ed Crane in THE MAN WHO WASN’T THERE ist er aber ganz zufrieden mit seinem MIttelklasse-Leben in einer gesichtslosen Wohnsiedlung irgendwo im Minnesota der Sechzigerjahre. Alles ist in Ordnung, bis er eines Tages nach Hause kommt und von seiner Ehefrau Judith (Sari Lennick) mit dem Scheidungswunsch konfrontiert wird. Einen neuen hat sie auch schon, den gemeinsamen Freund und Witwer Sy Ableman (Fred Melamed), der Larry von nun an gegenübertritt wie ein verständnisvoller, immer etwas zu nah kommender Onkel. Außerdem hat Larry seinen Bruder Arthur (Richard Kind) an der Backe, der regelmäßig seinen Grützbeutel am Hals ausspülen muss, schnarcht und aufgrund seiner Spielsucht auch noch mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Die Gehaltserhöhung scheint gefährdet, weil ein anonymer Briefeschreiber ihm vor dem Schulkommittee diffamiert, der Bestechungsversuch eines durchgefallenen Schülers zieht weitere Probleme nach sich. Hilfe sucht Larry bei den verschiedenen Rabbis der Gemeinde, doch deren Antworten werfen bestenfalls neue Fragen auf. Dann plötzlich lösen sich alle Schwierigkeiten eine nach dem anderen in Luft auf …

A SERIOUS MAN ist der „jüdische Film“ in der Filmografie der Coens: Er beginnt mit einem Märchenprolog, bei dem eine Frau einen alten Mann ersticht, weil sie ihn für einen „Dibbuk“, einen Wiedergänger, hält. Die Regisseure ziehen später keine klare Verbindung mehr zu dieser Erzählung: Es scheint mir darum zu gehen, wie man mit dem, was einem das Leben bereithält, umgeht, aber so ganz befriedigend finde ich diese Interpretation nicht. Gopnik jedenfalls sucht nach Antworten, warum sein Leben in solche Turbulenzen geraten ist: Weder verleugnet er sie (wie der Mann im Prolog) noch haut er drauf (wie die Frau). Und natürlich sucht er dazu den Rabbi auf. D. h., würde gern zu dem als weisem Ratgeber bekannten Rabbi seiner Gemeinde, aber bevor er dorthin kommt, muss er sich erst mit den zwei weniger gut beleumundeten Rabbis begnügen, die ihm auch nicht richtig helfen können. (Liege ich falsch oder erinnert mich das an die Türhüterparabel von Kafka?) A SERIOUS MAN ist der vielleicht am deutlichsten existenzialistische Film der Coens: Gopnik muss einfach hinnehmen, dass sich das Schicksal gegen ihn verschworen hat und weitermachen, um irgendwann zu triumphieren, wobei auch dieser „Triumph“ nur von kurzer Dauer ist und sein Glück gleichzeitig das Leid eines anderen beinhaltet. Es ist der unerwartete Tod seines Kontrahenten, der die Ehe mit seiner Gattin rettet. Die Coens treffen perfekt den Ton, Tragik und Komik reichen sich die Hand, sind nicht mehr sauber voneinander zu trennen und Michael Stuhlbarg verleiht dem gebeutelten Lehrer genau den richtigen Ausdruck zwischen Schock, Verzweiflung, Resignation, Unglauben und Wut. Ist das alles nur ein Traum? (Es gibt gleich mehrere Traumsequenzen, die damit enden, dass Gopnik schockiert aufwacht.) Was ihm widerfährt, ist genau in dem Maße idiotisch und absurd, dass es in dieser Ballung schon wieder glaubwürdig wirkt.

Ansprechen muss ich hier unbedingt einmal, wie subtil die Coens immer wieder kleine Echos aus ihren anderen Filmen einbauen. Ich halte es jedenfalls nicht für Zufall, dass der erste Rabbi ausgerechnet einen Parkplatz als Beispiel für die versteckte Schönheit des Lebens wählt, also jenen Ort, an dem auch Lundegaard in FARGO sein großes Glück aufhing und an dem Donny in THE BIG LEBOWSKI den Tod fand. Es würde sich garantiert lohnen, das Schaffen der beiden Filmemacher genau auf solche Echos zu durchsuchen. Selbst wenn man die ganz auffällige Zitate auslässt – die Anwaltskanzlei aus BURN AFTER READING taucht hier wieder auf -, sollte man auf eine ziemlich stattliche und aufschlussreiche Liste kommen.

 

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