desperately seeking susan (susan seidelman, usa 1985)

Veröffentlicht: März 30, 2018 in Film
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Die Achtzigerjahre gelten gemeinhin als ein oberflächliches Jahrzehnt, indem der stumpfe Materialismus grassierte und sich die Welt voller Begeisterung auf die neuen technischen Errungenschaften stürzte, ohne jedoch so recht zu wissen, was sie mit ihnen anfangen sollte. Wie nahezu jedes Jahrzehnt werden auch die Achtzigerjahre oder zumindest bestimmte Aspekte von ihnen fetischisiert oder nostalgisch verklärt (auch von mir, der in diesem Jahrzehnt sozialisiert wurde und damals begann, sich für Musik und Filme zu interessieren), aber grundsätzlich haben sie keinen guten Ruf: Sie sind der Inbegriff von seelenlosem Plastikkommerz, leerem Exzess (verkörpert durch das High von Kokain, der damaligen Modedroge der Reichen und Schönen) und Profitstreben. Wie das aber mit solchen pauschalen Zuschreibungen so ist: Es muss eine Menge ausgeblendet werden, um sie aufrechterhalten zu können. Wie etwa erklärt man sich, dass ein Film wie DESPERATELY SEEKING SUSAN, Musterbeispiel einer Mainstream-Komödie und darüber hinaus mit der damaligen Pop-Ikone Madonna besetzt, von dem Gefühl der Leere handelt, dass blinder Karrierismus hinterlässt? Susan Seidelmans Film erinnert nicht nur in dieser Hinsicht an Komödie wie Scorseses AFTER HOURS, John Landis‘ INTO THE NIGHT oder Jonathan Demmes SOMETHING WILD: „Typische“ Filme ihres Jahrzehnt, die die Bedingungen ihres Seins aber gleichzeitig kritisch reflektierten.

Roberta (Rosanna Arquette) ist mit Gary (Mark Blum) verheiratet, einem langweiligen, selbstverliebten Badewannen- und Whirlpool-Verkäufer. Ihre Beziehung ist nonexistent, ohne Aufregung oder Leidenschaft. Wie anders doch Susan (Madonna) und Jim (Robert Joy) sind, deren aufregende Liebebeziehung Roberta in den Kleinanzeigen verfolgt: Mittels dieser Anzeigen, die immer mit der Phrase „Desperately seeking Susan“ beginnen, suchen und finden sie sich, während sie quer durch die USA reisen. Roberta will wissen, wer diese beiden Liebhaber sind und begibt sich zum Ort ihres nächsten Zusammentreffens. Vor allem Susan, eine selbstbewusste, unkonventionelle und extravagante Person, weckt ihr Interesse. Was beide Frauen nicht wissen: Im Gepäck von Susan befinden sich zwei wertvolle Ohrringe, die Beute aus einem Raub, die ein Killer (Will Patton) zurückholen soll. Schließlich kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung: Roberta erleidet einen Gedächtnisverlust und denkt, sie sei Susan. Jims Freund Dez (Aidan Quinn) nimmt sich ihrer an, während Gary seine verschollene Gattin sucht …

DESPERATELY SEEKING SUSAN punktete damals zuerst natürlich mit der Besetzung des aufsteigenden Popstars Madonna, deren persönlicher Style unzählige Imitatoren und die Mode beeinflusste. Etliche Teens dürften Siedelmans Film damals ausschließlich wegen der Sängerin besucht haben (deren Soundtrack-Song „Into the Groove“ ich immer noch für einen ihrer besten halte), aber anders als das typische Popstar-Vehikel hat DESPERATELY SEEKING SUSAN weitaus mehr zu bieten als einen berühmten Namen. Wie in den weiter oben genannten Titeln begleitet der Zuschauer die Protagonistin auf einer Reise in eine unbekannte Welt, ein Aspekt der dadurch verstärkt wird, dass sie sich an nichts erinnern kann, noch nicht einmal an ihre eigene Identität. So landet sie dann in einer heruntergekommenen Sideshow, die von John Turturro geleitet wird, und in der sie einem drittklassigen Zauberer assistieren muss. Am Fenster gegenüber von Dez‘ cooler Loft-Wohnung (die damals irgendwie jeder Filmcharakter hatte) spielt John Lurie Saxophon und Punkrocker Richard Hell verkauft Jimi Hendrix‘ Jacke in einer Second-Hand-Boutique. Edward Lachmans Kamera fängt viel New Yorker Lokalkolorit ein und taucht vor allem die Nachtszenen gern in verruchtes grünes oder rotes Neonlicht. DESPERATELY SEEKING SUSAN hat viel Style: Das kann man über viele der heutigen Komödien nicht unbedingt sagen.

„Style“ ist natürlich auch das Stichwort, um auf Madonna zu sprechen zu kommen: Seit Beginn ihrer Schauspielkarriere hält sich das Urteil, sie sei furchtbar, habe kein Talent. Eine zumindest insofern absurde Unterstellung, als die Dame seit nunmehr rund 35 Jahren eine Rolle spielt, und zwar so überzeugend, dass sie immer noch zu den größten Stars überhaupt zählt. Es ist nicht das Schauspielen an sich, sondern die anderen Charaktere, mit denen sie sich schwer tut. In DESPERATELY SEEKING SUSAN brilliert sie, weil sie sich selbst spielen darf. Ihre Susan trägt in ihrer Hutschachtel coole Outfits vom Trödelladen mit sich herum, anstatt einem langweiligen Job nachzugehen, reist sie durchs Land, pennt mal hier, mal da, Männer, die sie aufreißt, lässt sie am nächsten Tag einfach zurück. Das Leben um sie herum quittiert mit diesen unverschämt gelangweilten, arroganten, herablassenden Blick. Dass die biedere Roberta von ihr fasziniert ist, ist sofort nachvollziehbar, wie es für den Zuschauer aber auch klar wird, dass sie da einer Projektion nachrennt. Wenn man genauer hinschaut, ist diese Susan nämlich nicht besonders sympathisch: Sie ist egozentrisch, oberflächlich und macht es sich ziemlich einfach. Im Grunde genommen lebt sie auf Kosten anderer, nämlich der Menschen, deren Couchen sie immer wieder in Anspruch nimmt, weil ihr jeder Ehrgeiz, Disziplin und damit auch die eigene Bude fehlt. Madonna für diese Rolle auszuwählen, war nicht nur aus marketingtechnischer Sicht ein Coup: Sie bringt die Larger-than-Life-Aura mit, die der Film unbedingt braucht, um die Arroganz dieser Figur attraktiv statt abstoßend zu machen.

Nicht unbedingt gebraucht hätte es den Thriller-Subplot: Will Patton taucht immer mal wieder auf, um daran zu erinnern, dass es ja auch noch um zwei geklaute Ohrringe geht. Der zwangsläufige Showdown ist unspektakulär und überflüssig, man merkt dieser ganzen Geschichte an, dass es sich dabei lediglich um eine drehbuchtechnische Notwendigkeit handelte. DESPERATELY SEEKING SUSAN ist, da muss man nicht lang rumlavieren, ein Mainstreamfilm, der gängige Klischees und Formeln nutzt und lediglich die kleinen Details variiert. Aber diese Details sind eben sehr stimmig: ob das nun Garys idiotischer Werbespot ist, Laurie Metcalfs intrigante Schwägerin, der großartige Steven Wright als ihr Love Interest, Giancarlo Espositos Straßenhändler oder das Jackie-Chan-Mural in Dez‘ Wohnung. Der Film vibriert vor Leben und macht sofort Lust darauf, sich in einen Flieger nach New York zu setzen und sich dort ins Getümmel zu schmeißen. Bis einem dann einfällt, dass es da heute, im dritten Jahrzehnt nach den Achtzigern, noch viel, viel plastikmäßiger und oberflächlicher aussieht, als wir es dem armen Jahrzehnt vorwerfen.

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