morbid movies 4: deadbeat at dawn (jim van bebber, usa 1987)

Veröffentlicht: Juli 3, 2019 in Action, Film
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Jim van Bebber, Jahrgang 1964, drehte sein Debüt DEADBEAT AT DAWN über einen Zeitraum von vier Jahren in seiner Heimatstadt Dayton, Ohio. Man muss sich das vergegenwärtigen: In einem Alter, in dem andere noch überlegen, was sie mit ihrem Leben denn überhaupt anfangen sollen, legte van Bebber einen Spielfilm vor, der zwar roh, ungeschliffen, manchmal auch noch ein wenig pubertär ist, aber dennoch zu jeder Sekunde eine ganz klare Vision und erhebliches inszenatorisches Geschick erkennen lässt – und in seiner nihilistischen Räudigkeit nahezu perfekt ist. Der Regisseur, ist nicht der einzige, der seine Karriere mit einem solchen DIY-Erfolg begann – Peter Jacksons BAD TASTE fällt unweigerlich ein -, aber DEADBEAT AT DAWN ist schon noch einmal ein besonderes Kaliber, weil van Bebber so mutig war, sein Ding ohne jeden distanzierenden oder sich selbst vor Kritik abschirmenden Humor durchzuziehen. Das ist für einen Quasi-Amateurfilm geradezu unerhört – und es funktioniert. Die Befürchtung, der Film könne ganz schlecht gealtert sein, die ich hatte, war demnach nicht nur unbegründet, tatsächlich das Gegenteil ist der Fall: DEADBEAT AT DAWN ist in den letzten 20 Jahren eigentlich nur besser geworden und war demnach ganz gewiss die Wiederentdeckung unseres kleinen Festivals. Es ist ein Film, den man ohne Probleme als verspäteten Nachfahren der abgeranzten New-York-Schocker der frühen Achtzigerjahre rezipieren darf, ein Genre, von dem zumindest ich nie genug bekomme.

van Bebber selbst spielt Goose, den jugendlichen Anführer der „Ravens“, einer Straßengang, die sich mit kleinen Raubüberfällen über Wasser hält und sich regelmäßig mit den vom psychopathischen Danny (Paul Harper) angeführten „Spyders“ herumschlägt. Goose‘ Freundin Christy (Megan Murphy) fleht ihn an, das Gangleben hinter sich zu lassen, um mit ihr ein „bürgerliches“ Dasein zu führen und kann ihn schließlich zum Ausstieg überreden. Doch während er seinen letzten Deal abschließt, wird sie von Danny und seinem Kettenhund „Bonecrusher“ (Marc Pitman) ermordet. Goose wird rückfällig und erlebt mit, wie die Ravens unter der neuen Führung von Keith (Ric Walker) mit den Spyders fusionieren. Nach einem großen gemeinsamen Raubüberfall lässt Danny alle Mitglieder der einstigen Feinde umbringen, nur Goose kann mit der Beute fliehen. Das letzte Duell steht kurz bevor …

Um die kleinen Anflüge von Kritik gleich zu Beginn aus dem Weg zu räumen: Wenn ich DEADBEAT AT DAWN oben als „pubertär“ beschrieb, bezieht sich das vor allem auf das erste Drittel des Films und die Art, wie sich van Bebber dort selbst inszeniert. Goose zieht sich gleich nach dem Aufwachen eine Line, demonstriert beim Training im Park seine Nunchaku-Skills und ballert einem Feind gnadenlos die Flosse ab, hat aber eigentlich ein gutes Herz. Das weiß auch das biedere Mäuschen Christy, das trotz der absolut trostlosen Perspektive große Hoffnung in die Beziehung mit dem Asozialen setzt. Diese Konstellation wirkt auch wegen der alles überschattenden Schäbigkeit des Films etwas naiv, aber es fällt nicht wirklich negativ ins Gewicht, weil van Bebber seinen etwas einfältigen Plot lediglich als Anlass für den Abstieg in die urbane Apokalypse versteht. Der auf 16mm gedrehte DEADBEAT AT DAWN verfügt nicht nur über die entsprechend ungeschminkte Optik und potthässliche Settings – heruntergekommene Wohnungen, Fabrikhallen, Kellergänge, Abrisshäuser, Hinterhöfe, miese Pinten und die typischen Straßenzüge voller Pornokinos -, er zeichnet auch ein sehr desillusionierendes Bild von urbanem Leben: Christy wird zu Beginn auf offener Straße beinahe vergewaltigt, ihre Leiche später von Goose in einer Müllpresse entsorgt. Auf die Trauer seines Sohnes über den Tod der Freundin reagiert der Vater nur mit der Frage, ob der denn wenigstens Geld für Bier habe, bevor er sich schließlich einen Schuss zwischen die Altherrenzehen setzt. Danny ist ein skrupelloser Mörder und Bonecrusher ein augenrollender Sadist, dass sich am Ende ein blutiges Gemetzel mitten in der Stadt abspielt, scheint kaum jemanden zu interessieren. Und dann ist da die Gewalt.

van Bebber nimmt keine Gefangenen und fährt ein beachtliches Arsenal knüppelharter Mark-up-Effekte auf. Das blutrote Feuerwerk aus Kopfschüssen, Stichwunden, und abgetrennten Köpfen kulminiert am Ende mit abgebissenen Fingern und einem mit bloßen Händen herausgerissenen Kehlkopf. Das alles wird ohne jeglichen „Fun“ dargeboten, fügt sich in seiner Unmittelbarkeit stattdessen ein in das Bild einer Welt, in der Menschlichkeit lange auf der Strecke geblieben ist und jeder wie ein Tier ums nackte Überleben kämpft. Auch wenn der Eindruck eines Runterziehers überwiegt: DEADBEAT AT DAWN ist mit viel Power inszeniert, einer wunderbar dynamischen Kamera und einem fast an Lebensmüdigkeit grenzenden Enthusiasmus: Einmal seilt sich van Bebber mit einem Seil an einem Parkhaus ab und ich bezweifle, dass er dafür eine Genehmigung hatte. Überhaupt schätze ich, dass mancher Passant einen Herzinfarkt erlitten haben dürfte, als er diesen irren Filmtypen bei den Dreharbeiten nichts Böses ahnend über den Weg lief. Aber auch für den gut vorbereiteten passivenr Betrachter, der es sich im Kinosessel oder auf der heimischen Couch bequem gemacht hat, ist DEADBEAT AT DAWN eine mächtige Kelle, nach der man sich exakt so fühlt, wie Goose am Ende des Filmes aussieht: Wie über heißen, rissigen Asphalt gezerrt und mit einer Eisenstange verprügelt. Was für ein Arschtritt.

 

 

Kommentare
  1. TomHorn sagt:

    Den haben wir letzt auch mal wieder gesehen. Und ich selbst finde, dass „Deadbeat at Dawn“, den ich vor 15 Jahren noch halbwegs vergöttert habe, ist dann doch recht schlecht gealtert. Allem inszenatorischen Geschick zum Trotz (denn van Bebber weiß, wie man fotografiert und schneidet, ohne Zweifel) erweist sich die Dramaturgie als etwas zahnlos, der Film in seinem Mittelteil als recht lahmarschig. Für die dünne Plotte ist er mMn doch gut zehn Minuten zu lang. Auch das teils schlechte Schauspiel und die gerade in HD sehr durchschaubaren Effekte schmälern den Gesamteindruck. Als semi-professionelles Spielfilm-Debüt eines Mitzwanzigers, der dafür sein Studiengeld auf den Kopf gehauen hat, ist er mehr als beachtlich. Als Film an sich ist er leider nicht mehr als „okay“.

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