Mit ‘Rena Niehaus’ getaggte Beiträge

Das Schöne und das Blöde liegen selten so nah beieinander wie in diesem Film, den Ugo Liberatore 1978 in Anlehnung an Nicholas Roegs DON’T LOOK NOW inszenierte, mit ein paar Spritzern Okkulthorror, wie er in den Siebzigerjahren en vogue war. Die Story um einen blinden Bengel (Renato Cestiè), der in Visionen vor der Geburt des Antichristen durch seine Schwester (Rena Niehaus) gewarnt wird, dient Liberatore, dessen letzter Film und auch sein einziger Genrebeitrag dies war, lediglich als Gerüst: NERO VENEZIANO ist Ambientkino, das sich ganz auf die magische Verführungskraft seiner morbid-romantischen Kulisse, die dazu passende Musik aus der Feder von Pino Donaggio und einige saftige Effekte verlässt.

Das funktioniert: So sinnlos und auch irgendwie ziellos der Film auch verläuft, wenn man seiner Geschichte folgen will, als Aneinanderreihung stimmungsvoller oder absurder Sequenzen entfaltet er beachtlichen drive. Es ist immer was los, die Synchro liefert eine Backpfeife nach der anderen und die Mär um das Teufelsbalg wird alles andere als mit subtilem Pinselstrich gemalt, doch man  staunt immer wieder, wie stilvoll und gediegen Liberatore diesen Unfug in Bilder fasst. NERO VENEZIANO ist eine verführerische Mogelpackung, von der man sich gern ein X für ein U vormachen lässt. Der Genießer kann sich dem Glauben hingeben, hier einem weitestgehend unbekannt gebliebenen Verwandten des oben genannten großen Vorbilds beizuwohnen, der die Tristesse noch dazu mit zünftigen Schenkelklopfern und krachledernen Geschmacklosigkeiten aufbricht.

Auch die wohl berühmteste Szene des Films passt zu dieser Janusgesichtigkeit: Es ist ein ultimativ geschmackloser Tabubruch, ungefähr so feinfühlig und mehrdeutig wie Fips Asmussen in der Kinderonkologie, aber wie Liberatore diesen Moment inszeniert, belegt, dass hier ein echter Meister am Werk war, der die Arbeit wahrscheinlich in vollen Zügen genoss. Ein seltsames Teil zum Liebhaben.

Eriprando Viscontis LA ORCA hatte ich als geschmacklosen Skandalfilm vorverurteilt: Der gewohnt dezente deutsche Untertitel GEFANGEN, GESCHÄNDET, ERNIEDRIGT hatte seinen Teil dazu beigetragen. Tatsächlich weiß Luchino Viscontis Neffe Eriprando das „skandalöse“ Potenzial seines Films im Sinne seiner gewohnt klassenkämpferischen Sozialkritik zu nutzen – und auch sonst sehr zu überz. Mehr von mir zu diesem tollen Film, der Anfang des Jahres von Camera Obscura in einer unverzichtbaren DVD-Edition erschienen ist, gibt es auf Filmgazette.de zu lesen. Klick: hier.