superstau (manfred stelzer, deutschland 1991)

Veröffentlicht: November 9, 2008 in Film
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superstauJedes Jahr, wenn die Sommerferien beginnen, hört man wieder die Horrormeldungen von gigantischen Staus, mit denen eine Nation von Urlaubern und Autobesitzern zu leben hat, mit denen sie sich für das anstehende Vergnügen zu geißeln scheint. Als unbeteiligter Zeuge kann man über die armen Seelen, die gezwungen sind, Stunden auf der Autobahn zuzubringen, schadenfroh schmunzeln und diesen Impuls macht sich Manfred Stelzer zunutze. Auf seiner Autobahn trifft sich die ganze bundesdeutsche Nation, die vor kurzem noch die Einheit hinter sich gebracht hat: Die Ossifamilie Pippig (Petra Ehlert, Ulrich Anschützt, Otto Mellies, Cristine Schorn) im Trabi wird immer noch beäugt wie seltene Tiere, die sich ihrerseits erst noch orientieren müssen; der dicke Bayer Stocker (Ottfried Fischer) hat sich in seinem Wohnmobil verschanzt und blickt von seinem erhöhten Platz voller Verachtung auf das Schauspiel des Abschaums zu seinen Füßen, während er seine Frau (Monika Baumggartner) mit einem Schnipsen der Finger dirigiert; der cholerische Bergmann Pacholke (Ralf Richter), der ungeduscht und in voller Montur von der Schicht ins Auto springt, um eben nicht im Stau zu landen und die Fähre nach Korsika zu erwischen, betrachtet den Stau als Verschwörung gegen den kleinen Mann und vergrault mit seinem Gefluche die eigene Ehefrau (Hildegard Kuhlenberg); der fiese Kapitalist mit dem Porsche (Heinrich Giskes) nutzt den Stau für neue Geschäfte und findet in den Ossis gleich leichte Opfer; „Commander“ (Achim Konejung) und „Mustang“ (Horst Schroth), selbsternannte Stauexperten und CB-Funker reißen sogleich die Organisation an sich, notieren in bester Blockwart-Mentalität disziplinarische Ausreißer, versuchen die Entsorgung der Fäkalien zu regeln und eine Panik zu vermeiden. Andere Stauopfer sind ein cooler Hesse, der beim Versuch auf dem Standstreifen zu überholen, an einen Baum gedrängt wird und das Treiben mit großer Lässigkeit verfolgt, ein Bus voller Touris in Bayernmontur, ein Schwabe, der verzweifelt sein Auto sucht, und schließlich die beiden besoffenen Rocker Hinnerk (Jan Fedder) und Clars, die doch eigentlich nur zum nächsten Aldi wollten, um eine neue Palette Bier zu holen. SUPERSTAU ist eigentlich ein Katastrophenfilm: Wie dieser bringt er eine Gruppe unterschiedlichster Charaktere zusammen und beobachtet sie, wie sie mit einer Extremsituation umgehen, ihre Konflikte beilegen, um bestehen zu können. In SUPERSTAU kommt aber eine existenzialistische Verzweiflung dazu: Denn im Stau sind alle nur passive Beobachter. Egal, wie gut sie sich schlagen, auf ihr Verbleiben im Stau hat das keine Auswirkung. Der Stau dient Stelzer als Metapher für das Leben, in dem vor allem die schlechten Eigenschaften der Menschen hervorgekitzelt werden. Insofern nutzt er das Szenario auch, um dem Volk der Deutschen den Spiegel vorzuhalten. Subtilität ist dabei nicht sein bevorzugtes Mittel, SUPERSTAU ist eher Karikatur und als solche auch dem Vorschlaghammer verpflichtet, der aus der deutschen Komödie nicht wegzudenken ist. Aber es ist diese Mischung aus dem satirischen Hintergrund, den überzeichneten Charakteren und der sehr liebevollen Interpretation der Schauspieler, die SUPERSTAU zu einer der besten deutschen Komödien der Neunzigerjahre machen. Wohl auch, weil ihm noch die Naivität und eine gewisse Unbedarftheit zu eigen ist, die die deutsche Komödie in den folgenden Jahren immer mehr zugunsten einer selbstverliebten Großkotzigkeit ablegen sollte, die ihr einfach nicht zusteht. SUPERSTAU vereint geschickt den Kalauer und die Politsatire, das Geniale und das Blöde, nimmt sich weder zu wichtig, noch flüchtet er sich in die Sicherheit des Uneigentlichen. Ich habe den Film zum ersten Mal seit gut 15 Jahren gesehen und war ehrlich überrascht wie gut er tatsächlich ist.

Kommentare
  1. […] Mögliche erwartet, aber keinesfalls, dass dieser einen schönen Gegenentwurf zu Manfred Stelzers SUPERSTAU abgeben würde. Tatsächlich ergänzen sich beide Filme ideal, ergeben beide zusammen einen […]

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