the yakuza (sidney pollack, usa 1974)

Veröffentlicht: Juli 15, 2009 in Film
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yakuza_ver3Harry Kilmer (Robert Mitchum) wird von seinem alten Kriegskumpel George Tanner (Brian Keith) beauftragt, dessen Tochter aus den Händen der japanischen Yakuza zu befreien: George hatte den Fehler begangen, seine Schulden bei einem Yakuza-Boss nicht zu begleichen. Kilmer begibt sich sogleich auf den Weg nach Japan, wo er alte Bekannte hat: Während des Zweiten Weltkriegs verliebte er sich dort nämlich in Eiko (Keiko Kishi) und nahm sie in seine Obhut. Tanaka Ken (Ken Takakura), Eikos Bruder, geriet dadurch in Harrys Schuld – eine Schuld, die Harry nun einzulösen hofft. Weil die Mittel der Diplomatie jedoch versagen, bleibt nur Gewalt, um die Entführte zu befreien. Und so geraten Harry und Ken bald in tödliche Gefahr – und mit ihnen all ihre Freunde …

THE YAKUZA darf vielleicht als Initialzündung für ein seitdem in losem zeitlichem Abstand fortgesetztes Subgenre verstanden werden: den US-Crimefilm mit Japan- bzw. Yakuza-Bezug, dem auch etwa Frankenheimers THE CHALLENGE, Thompsons KINJITE, Ridley Scotts BLACK RAIN oder aber Actionfilme wie Lesters SHOWDOWN IN LITTLE TOKYO oder aber INTO THE SUN mit Steven Seagal zuzurechnen sind. Allen diesen Filmen ist gemeinsam, dass sie einen amerikanischen Helden mit dem rigiden und klar strukturierten Moralsystem der Yakuza und somit mit einer Ritterlichkeit konfrontieren, die in westlichen Zivilisationen längst der Ökonomie zum Opfer gefallen ist. Die Begegnung mit einem System, in dem Ehre noch einen hohen Stellenwert einnimmt, ist für den (amerikanischen) Protagonisten auch eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit, sie führt ihn zurück in die Pionierzeit, als das Recht noch mit dem Revover gesprochen wurde und die Kategorien „gut“ und „böse“ noch nicht hoffnungslos und unauflösbar ineinander flossen. In Pollacks THE YAKUZA findet diese Begegnung gleich in doppelter, wenn nicht gar dreifacher Hinsicht statt: Nicht nur, dass Kilmers Biografie selbst durch seine Zeit in Japan stark geprägt wurde, sein Darsteller, Robert Mitchum, darf außerdem als einer der klassischen Hollywood-Helden betrachtet werden, die noch ohne Brüche auskamen, dann aber mehr und mehr vom desillusionierten Antihelden ersetzt wurden. So ist es kein Wunder, dass auch Kilmers Ritterlichkeit eine Neuinterpretation erfährt: Auch er hat in der Vergangenheit eine Schuld auf sich geladen, von der er noch gar nichts weiß, die aber bis in die Gegenwart des Films hineinwirkt. Die Enthüllung dieser Schuld lässt wiederum den zunächst als zwielichtig gezeichneten Tanaka Ken in einem anderen Licht, nämlich als großmütigen und tragischen Helden erscheinen. Pollacks Film ist ein Paradoxon: Er entwickelt einen eigentümlichen Flow, obwohl oder gerade weil er sehr streng gegliedert und mit großer Kontrolle inszeniert ist, sich niemals in seinen Actionszenen verliert, niemals in den rauschhaften Exzess mündet, sondern Züge eines Kammerspiels trägt. Der Film spielt überwiegend in geschlossenen Räumen, nur selten öffnet er sich, niemals gestattet er seinem Zuschauer, das Geschehen von einem archimedischen Punkt aus zu betrachten. Er findet damit die perfekte Form für das Wertesystem der Yakuza, nach dem jede Handlung sehr genau einordenbar ist und eine ritualisierte Bestrafung oder Belohnung nach sich zieht. In ebenso fremdartigen wie kristallinen Bildern ermöglicht Pollack ein Verständnis für ein in seiner unausweichlichen Strenge zwar grausames, in seiner instinktiv sich erschließenden Klarheit aber auch von unzweifelhafter Schönheit geprägtes System. THE YAKUZA ist auch ein Film über Determination, über unauflösbare Kausalketten, die Diskrepanz von Intention und Wirkung, das dialektische Verhältnis von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über Ehrlichkeit, Verrat und Lüge und über die Bereitschaft – und Verpflichtung – zur Demut gegenüber dem eigenen Schicksal. Alles Themen, hinter denen man deutlich Paul Schrader erkennt, der das Drehbuch zusammen mit Robert Towne verfasste und damit wichtige Vorarbeit für den eigenen MISHIMA: A LIFE IN FOUR CHAPTERS leistete, der sich erneut mit der japanischen Ritterlichkeit auseinandersetzen sollte. THE YAKUZA ist ganz anders, als ich ihn erwartet hatte: Ich rechnete mit einem rohen Großstadtkrimi im Stile der Siebzigerjahre. Was ich bekommen habe ist die melancholische Introspektion des amerikanischen Helden, an deren Ende die Buße steht.

Kommentare
  1. Marcos sagt:

    Hi,

    nur was zu Robert Mitchum. Der galt im klassischen Hollywood-Kino als die ultimative Verkörperung von Widersprüchlichkeit. Bei keinem Star schienen „gut“ und „böse“ so ineinander überzufließen, wie bei ihm. Deshalb gab es wohl auch in den 50er und 60er Jahren keinen Hollywoodhauptdarsteller von seinem Format, der so problemlos positive wie negative Rollen gespielt hat, der aber – weswegen er vom American Film Institute auch zu den ersten filmischen Anit-Helden gezählt wird – immer ganz „der Böse“ sein konnte, aber nie ganz „der Gute“. Auch im realen Leben war Mitchum der erste „bad guy“ Hollywoods, machte er aus seinem Marihuana-Konsum wenig Geheimnis und ging als erster Hollywood-Star dafür sogar in U-Haft, konnte aber nach wenigen Tagen schon wieder rausgeholt werden. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass er damit auch der erste Schauspieler war, den Hollywood fallen ließ und der es trotzdem geschafft hat. Er hat „sein Ding durchgezogen“ und das merkt man ihm auch in vielen seiner Filme an, wie sehr er auf das klassische Hollywood in der Lage war zu scheißen und gängige Figurentypen durch seine Art des Schauspiels in eine moralische Grauzone zu überführen.

    • Oliver sagt:

      Ach Mann, du immer mit deinen kritischen Anmerkungen. :frenzy: Mir ist ja auch aufgefallen, dass er in recht vielen Film Noirs aufgetreten ist, er in NIGHT OF THE HUNTER gar einen Witwenmörder spielt, aber davon wollte ich mir meinen tollen Einfall nicht kaputtmachen lassen. Außerdem habe ich dazu ganz doll an EL DORADO gedacht … OK, selbst da spielt er einen Säufer … Hast wieder mal Recht.

    • kiwi sagt:

      mitchum hat ganz gerne gekifft? danke für die info!

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