le boulet (alain berbérian/frédéric forestier, frankreich/großbritannien 2002)

Veröffentlicht: August 12, 2009 in Film
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Seine Zeit im Knast vertreibt sich der Gangster Moltés (Gerard Lanvin) mit dem Lottospielen, die ausgefüllten Scheine gibt der tölpelhafte Wärter Francis Reggio (Benoit Poelvoorde) für ihn ab. Als Moltés tatsächlich sechs Richtige hat, währt die Freude jedoch nur kurz, denn Francis‘ Ehefrau Pauline (Rossy de Palma) hat den millionenschweren Schein aus Versehen mit nach Afrika genommen. Der ausgebrochene Moltés macht sich mit Francis sofort auf die Reise, den Polizisten Youssouf (Djimon Hounsou) und den gemeingefährlichen Verbrecher „Le Turc“ (José Garcia), der mit Moltés noch eine Rechnung zu begleichen hat, dicht auf den Fersen …

boulet_w434_h_q80[1]LE BOULET habe ich unter dem internationalen Verleihtitel DEAD WEIGHT auf dem Fantasy Filmfest 2003 gesehen, wo er seinerzeit zu einem meiner Überraschungsfavoriten avanciert war. Unter dem glorreichen Titel BALL & CHAIN – ZWEI NIETEN UND SECHS RICHTIGE kam er ein bisschen später auch bei uns auf DVD raus, doch ich bin leider erst jetzt dazu gekommen, ihn noch einmal zu sehen. An meiner Meinung von damals hat sich aber nichts geändert: LE BOULET ist toll. Sieht man davon ab, dass der Film mit allen modernen visuellen Finessen ausgestattet ist, hat man es hier mit einem angenehm altmodischen Buddy-Abenteuerfilm zu tun (insofern weist der deutsche Titel schon in die richtige Richtung), wie sie einst zur Spezialität des europäischen Kinos gehörten, aber heute nur noch sehr selten produziert werden. Ein solcher Film steht und fällt ´natürlich mit seinen Darstellern und genau hier weiß LE BOULET dann auch zu punkten: Gerard Lanvin ist der straight man vom Schlage eines Jean-Paul Belmondo oder Lino Ventura, dessen Coolness die Wand bildet, an der sich der grandiose Poelvoorde (C’EST ARRIVÈ PRÈS DE CHEZ VOUS) mit seinen komischen Vorstößen abarbeiten darf. Aus dem Zusammenprall des ewig souveränen badass und dem geschwätzigen, empfindlichen Tolpatsch bezieht der Film einen großen Teil seines Witzes, doch wird ihnen von José Garcia in der Rolle des cholerischen „Türken“ fast noch die Show gestohlen. Wie der beständig am Rande des Herzanfalls mit rotem Kopf herumschreit, zetert, Schläge und Schüsse verteilt, ist eine Pracht. In meiner Lieblingsszene (die auch meine Gattin gestern in einen minutenlangen Lachkrampf hineinmanövrierte) wird er von einem arglosen Afrikaner am Flughafen mit einem Schild empfangen, auf dem „Kurde“ steht. Der Blick vom „Türken“ ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Zu dem Gespür für Pointen und visuelle Gags kommt ein unglaubliches Timing: LE BOULET ist von der ersten Minute an rasant und temporeich, gönnt sich keine Durchhänger und versteht es, immer noch einen draufzusetzen. Dass die unglaubliche Actionsequenz zum Ende des ersten Akts, bei der ein gewaltiges, aus der Verankerung gerissenes Riesenrad die Straßen von Paris unsicher macht, nach 90 ereignisreichen und turbulenten Minuten schon fast wieder vergessen ist, spricht Bände. Ich traue es mich fast nicht zu sagen, weil es ein Klischee ist: LE BOULET ist von einer Lässigkeit und einem Selbstbewusstsein, dass man in den mit Brechstange auf cool und locker getrimmten deutschen Krampfkomödien vergeblich sucht. Und den politisch unkorrekten Humor, wie er auch hier gepflegt – und ich meine tatsächlich „gepflegt“ – wird, bekommt man hierzulande schonmal gar nicht hin, ohne sich in den Niederungen des Herrenwitzes zu verirren.

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