street of no return (samuel fuller, frankreich/portugal 1989)

Veröffentlicht: Dezember 13, 2010 in Film
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Der Popstar Michael (Keith Carradine) verliebt sich in die Nachtclubsängerin Celia (Valentina Vargas), die allerdings mit dem skrupellosen Immobilienhai Eddie (Marc De Jonge) liiert ist. Als Michael trotz der Warnungen Celias nicht locker lässt, trifft ihn die Rache Eddies: Mit durchgeschnittenen Stimmbändern ist seine Karriere ruiniert, er landet als Alkoholiker in der Gosse. Doch es bietet sich für ihn eine Gelegenheit zur Rache …

The School of Fuller: Die erste Einstellung ist ein Close-Up auf ein Gesicht, auf das mit einem Hammer eingeschlagen wird. So wird der Zuschauer in Fullers letzten Kinofilm gesogen, der wie aus der Zeit gefallen scheint. Der sehr direkten, markanten und unverkennbar vom Crimefilm der Dreißiger-, Vierziger- und Fünfzigerjahre beeinflussten Inszenierung Fullers steht hier ein slicker Spätachtzigerlook gegenüber, der als Milchglasscheibe zwischen Zuschauer und Film fungiert und den Blick verstreut. Fuller erzählt einen recht typischen Noir-Stoff, doch erhält der durch seine formale Gestaltung eine Dimension, die man nur als surreal bezeichnen kann. STREET OF NO RETURN spielt in nur einer ereignis- und folgenreichen Nacht – eine Rückblende nimmt ca. ein Drittel der Laufzeit ein –, in der sich Vergangenheit und Zukunft die Hand reichen, das Leben eines Mannes zum zweiten Mal eine vollkommen unerwartete Wendung nimmt. Wie ein Geist läuft der verwahrloste Michael, dem die Menschen einst zujubelten, durch heruntergekommene Straßenzüge, die weniger einem geografischen Ort zuzuordnen sind, als dass sie seinen Seelenzustand verbildlichen. Dazu passt auch, dass Fuller seine Geschichte in den USA ansiedelt, obwohl sein Drehort Lissabon unverkennbar europäisch ist. Besser lässt sich die geistige Entrücktheit seines Protagonisten, der nur noch körperlich präsent ist, kaum darstellen.

So erinnerte mich dieser faszinierende Film – der allerdings in seinen Musikszenen nicht ganz optimal gealtert ist – an Scorseses AFTER HOURS, der das nächtliche Manhattan durch die Augen eines Schlaflosen zeigt. Wo Scorsese die Düsternis aber immer wieder komisch auflockert, regiert in STREET OF NO RETURN existenzialistische Schwere. Und hier kommt dann auch wieder Fuller durch mit seinem Gespür für griffige, markante Bilder und geistreiche, aber niemals ornamentale Dialoge. Nicht wenig Anteil an der ungewöhnlichen Stimmung dürfte aber auch Drehbuchautor Jacques Bral gehabt haben, dessen großartigen UN PRINTEMPS À PARIS ich schon einmal gewürdigt habe. Kurzum: Ein nicht ganz einfacher Film, der denjenigen, der sich ihm zu öffnen bereit ist, reich beschenkt.

Kommentare
  1. Ich erfuhr erst heute dank eines interessanten Eintrags in „the gaffer“, dass Fuller für Hollywood nach „The Naked Kiss“ (1964) erledigt war. Auch „Street of No Return“ habe ich bislang noch nie gesehen. Es kommt mir vor, als habe es die Vorsehung regelrecht darauf abgesehen, mich mit dem Spätwerk des Regisseurs bekannt zu machen. Danke für den Tipp!

    • Oliver sagt:

      Leider ist sein Gesamtwerk nur lückenhaft erhältlich. Eine echte Schande, denn die Filme, die ich bislang von ihm gesehen habe, waren mindestens interessant, meistens aber großartig. Wie der Mann von Hollywood behandelt worden ist, ist eine der größeren Unverzeihlichkeiten, die sich die Traumfabrik erlaubt hat. Frank hat Fuller kürzlich mal zum Triumvirat der großen Männerregisseure, bestehend aus eben Fuller, Peckinpah und Siegel, gezählt (man könnte dieses Triumvirat sicherlich noch um einige Regisseure erweitern). Fuller scheint mir der beständigste und warmherzigste von diesen dreien zu sein. Vielleicht hat ihm letztere Eigenschaft das Genick gebrochen, denn mit THE NAKED KISS hat sich Hollywood just in dem Moment von ihm abgewendet, als die in seinem Werk auch vorher schon wichtige Frauenfigur die Hauptrolle übernahm. Für Zynismus oder Resignation, die bei Peckinpah und vor allem bei Siegel so prominent sind, gibt es in Fullers Werk keinen Platz. Das macht seine Filme so zu einer so überaus emotionalen Erfahrung. Wahrscheinlich war es für viele Menschen zu schwer, sich nicht in eine Extremposition fliehen zu können, sondern mit der Ambivalenz leben zu müssen.

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