wenn es nacht wird auf der reeperbahn (rolf olsen, deutschland 1967)

Veröffentlicht: Oktober 29, 2012 in Film
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In St. Pauli werden mehrere junge Mädchen mit LSD im Blut tot aufgefunden. Der Reporter Danny Sonntag (Erik Schumann) kommt dem Treiben einer Gruppe junger Männer aus gutem Hause auf die Spur: Diese verkaufen Mädchen an wohlhabende Männer aus Wirtschaft und Politik und machen sie mit den Drogen gefügig. Die Drogen wiederum stellt Harry Voss (Fritz Wepper), Sohn des Generaldirektors Wilhelm Voss (Herbert Tiede), her. Als Harry die brave Lotti (Marianne Hoffmann) kennenlernt, will er aussteigen. Doch das ist nicht so leicht, denn seine „Freunde“ wollen sich ihr Geschäft nicht kaputtmachen lassen …

Das Tolle an diesen St.Pauli-Sleazern, die in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern Konjunktur hatten, ist neben ihrem Lokal- und Zeitkolorit und der kolportagehaften Milieuzeichnung, in die sich immer wieder ein Voice-over-Erzähler zur Authentifizierung des Geschehens einschaltet, vor allem wie sie es immer wieder schaffen, den Status quo gegen alle auch selbst aufgezeigten Widersprüche aufrechtzuerhalten. Olsen zeigt eine Welt, die von dirty old men regiert wird: Selbstherrlichen Politikern und Wirtschaftsbossen, die sich bei ihren Besprechungen einen hinter die Binde kippen, schmutzige Witze erzählen und sich dann mit zittrigen Gichtgriffeln an jungen Mädchen vergreifen, stets nur auf Erhaltung ihres Rufs bedacht sind, wenn jemand zu Schaden kommt. Die Jugendlichen werden auf Karriere getrimmt, ohne nach ihren eigenen Vorstellungen gefragt zu werden, der Wunsch nach dem schnellen Geld und der Reiz des Adrenalinschubs führen sie auf die schiefe Bahn – auf der die Erwachsenen ihre besten Kunden sind. Am Ende versteigt sich der Film aber dann doch zu der Moral von der Geschicht, dass die jungen Leute sich mit ihrer geringen Lebenserfahrung doch mal lieber an die Regeln unserer nun auch wieder gar nicht sooo schlechten Gesellschaftsordnung halten sollten, anstatt zu rebllieren. Man sieht ja, dass dabei nichts Gutes rauskommt. In den Filmen vereint sich so auf unvorhersehbare Weise stets das Bieder-Heuchlerisch-Konservative mit dem Aufmüpfigen, das als Ausbruch aus der Langeweile zwar für einen reißerischen Filmstoff gern genommen wird, am Ende aber doch mit Bausch und Bogen verurteilt werden muss. Zumindest vordergründig, denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem breiten Publikum, das diese Filme besuchte, hier „subversive“ Botschaften untergeschoben werden sollten. Wo die Sympathien des Filmemachers liegen, ist jedenfalls mehr als eindeutig, auch wenn es auf den Seiten der Jugendlichen durchaus Schwarze Schafe gibt.

Das angenehm betuliche und gemütliche Entertainment wird von diesen zersetzerischen Tendenz niemals wirklich gestört. WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN ist eine Art Großstadt-Heimatfilm: Es weht ein etwas rauerer Wind als im bergigen Süden der Republik, aber irgendwie ist doch alles ganz gut so wie es ist. Für das Übel sind immer die anderen verantwortlich, der fiese Bonze oder der junge Halbstarke mit seinen Drogen. Wer viel Geld hat, ist generell verdächtig. Ganz anders da der kleine Gauner und Lude Uwe Wagenknecht (Heinz Reincke), dessen Totschläger zwar auch locker sitzt, der das Herz aber nunmal auf dem rechten Fleck sitzen hat und so redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ja, das Deutschland jener Tage war schon ein seltsamer Ort. Aber eigentlich hat sich seit damals nix verändert.

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