design for living (ernst lubitsch, usa 1933)

Veröffentlicht: Dezember 14, 2012 in Film
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Paris: In einem Zugabteil lernen zwei eng befreundete amerikanische Künstler – der Schriftsteller Tom (Fredric March) und der Maler George (Gary Cooper) – die Werbezeichnerin Gilda (Miriam Hopkins) kennen – und alle drei verlieben sich Hals über Kopf ineinander. Als die beiden Männer, die sich ein Apartment teilen, erfahren, dass der jeweils andere mit Gilda intim geworden ist, steht eine Entscheidung ins Haus und so beschließen die drei Verliebten, einfach nur noch Freunde zu sein. Künstlerisch profitiert vor allem Tom davon: Gildas strenge Kritik beflügelt ihn und sein neuestes Stück soll dann auch in London aufgeführt werden. Seine Abreise macht aber den Weg frei für George, dem erfolgreichen Tom bleibt von der geliebten Gilda nur noch ein Abschiedsbrief. Der Geschasste ist aber nicht bereit, diese Schmach auf sich sitzen zu lassen. Doch statt einer Entscheidung zu seinen Gunsten bringt der folgende Eklat das große Zerwürfnis: Gilda lässt beide Männer zurück, um ihren Chef, den kühlen Geschäftsmann Plunkett (Edward Everett Horton) zu heiraten …

DESIGN FOR LIVING – meiner Gattin letztes Jahr die schönen Criterion-DVD zu Weihnachten geschenkt, bis jetzt im Regal reifen lassen – markiert den Startschuss für eine kleine Blog-Qualitätsoffensive. Nachdem ich dieses Jahr fast ausschließlich Genrefilme und Exploitationzeug geschaut und mich dabei k(aum )ein Stück aus meinen gemütlichen Nischen hinausbewegt habe, werde ich das Jahr mit Hochklassigem beschließen, das sich zum Teil auch schon jahrelang bei mir türmt und Staub ansetzt. Das ist für mich spannender und wahrscheinlich auch für meine Leser: Wie man vielleicht gemerkt hat, ist mir zu den letzten Filmen kaum noch was Schlaues eingefallen, es hatte sich so eine ungute Routine eingeschlichen. Höchste Zeit also, mal aus dem eigenen Mief an die frische Luft zu treten, vom festgetretenen Pfad abzuweichen und sich für neue Eindrücke in die Büsche zu schlagen. Und was für ein Hauch Frischluft dieser Lubitsch-Klassiker ist! Verstopfte Poren, getrübte Sinne und verklebte Synapsen werden hier mit Verve und Esprit durchgepustet, sträflichst unterforderte graue Zellen laufen gleich wieder auf Hochtouren. Und zwischen den Beinen verspürt man ein leichtes, aber nachdrückliches Kribbeln …

DESIGN FOR LIVING stammt aus einer Zeit, als wirklich noch alles, alles gut war in Hollywood. Nur ein Jahr später trat der Hays Code in Kraft, jene verpflichtende Sammlung moralischer Richtlinien, die ein mutiges, aufmüpfiges, anzügliches Kino für Jahre unmöglich machen sollte. Als der Hays Code 33 Jahre später wieder abgeschafft wurde, war die Schere bereits erfolgreich im Kopf amerikanischer Filmemacher implantiert worden. Einen derart locker-flockigen Umgang mit Sexualität und Beziehungsleben, wie ihn Lubitschs Protagonisten hier an den Tag legen, ist man heute kaum noch gewohnt. Und die rhetorische Subtilität und Eleganz, mit der sie darüber parlieren, natürlich auch nicht. Wenn Dialoge heute schmuckloser Mittel zum Zweck sind, Krückstock für faule und halbbegabte Schreiber, sind sie hier nicht nur Quelle des Humors (freilich nicht die einzige), sondern auch wichtiger persönlicher Ausdruck der Charaktere. Auch die Platzierung der Figuren zueinander ist hier nie willkürlich, verrät immer etwas über ihre Beziehung zueinander und ist der Ausgangspunkt für ein meist munteres Schachspiel. Man beachte die Auftaktszene im Zugabteil oder aber jene Szene, in der Gilda den Männern gesteht, in beide verliebt zu sein: Obwohl beide in ihrer Anlage eher statisch sind, sind sie voller Bewegung. Nie herrscht Stillstand, alle sind ständig in Bewegung. Das emotionale Tohuwabohu schlägt sich eben in einem ständigen Wechsel der „Machtpositionen“ nieder.

Das impliziert schon einen weiteren, wohl den wichtigsten Aspekt von Lubitschs Film: Miriam Hopkins Gilda schlüpft in eine typischerweise dem Mann zugeschriebene Rolle. Sie ist es, die zwischen zwei ihr ergebenen Männern wählen muss und dabei das Heft niemals aus der Hand gibt. Aber nicht nur die etablierten Rollen werden hier lustvoll über Bord geschmissen, es wird auch gleich mit altmodischen Beziehungsmustern aufgeräumt. Wie der Titel des Films schon sagt: Es geht für die Protagonisten darum, ein für sie lebbares Lebenskonzept zu finden. Die brave monogame Zweierbeziehung ist für Gilda nicht denkbar, weil sie Tom und George gleichermaßen liebt. Und die beiden Männer teilen die Frau, die sie lieben, lieber mit ihrem besten Freund, als ganz auf sie verzichten zu müssen. Die logische Folgerung, eine dreiköpfige Interessengemeinschaft zu bilden, die unter Verzicht auf Sex zusammenlebt, wird hier mit allergrößter Selbstverständlichkeit gezogen. Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen.

Es ließe sich viel mehr über DESIGN FOR LIVING sagen. Darüber, was er über Kunst und Beruf generell zu sagen hat, über die Verknüpfung von Beruf und Privatleben, zum Beispiel. Vielleicht beim nächsten Mal. Einmal schauen ist für dieses Meisterwerk ja sowieso zu wenig.

Kommentare
  1. Thies sagt:

    Was liesse sich noch über den Film sagen? Naja. ein kleines Detail sollte nicht unerwähnt bleiben: er ist auch nach fast 80 Jahren immer noch wirklich komisch. Die Dialoge baden ja gerade in der gelebten „Unmoral“ ohne jemals explizit oder profan zu werden.

    „Do you love me?“ „Oh, Max, people should not ask that question on their wedding night. It’s either too late or too early.“

    Und wenn ich nur an den Namen „Egelbauer“ denke fange ich schon an zu grinsen. Wenn heutige romantische Komödien doch nur halb so intellligent und elegant gestrickt wären wie ein Film von Lubitsch.
    *Riesenseufzer*

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