malone (harley cokeliss, usa 1987)

Veröffentlicht: Januar 27, 2013 in Film
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Die Geschichte des Fremden, der sein Leben hinter sich lässt, aber an einem fremden, zunächst anscheinend friedlichen Ort, von ihr eingeholt wird, ist vielleicht der reinste Plotstandard des Actionfilms. Zurückreichend in graue Vorzeit, als Menschen Geschichten noch mündlich weitertrugen, ist sie filmisch wohl untrennbar mit George Stevens‘ SHANE verbunden und enthält alles, was den (Action-)Helden definiert: Sie kennzeichnet ihn – sowohl durch seine angedeutete „dunkle“ Vergangenheit, als auch durch die räumliche Distanz zu seiner „Heimat“ – als Außenseiter, als zur Sphäre der „normalen“ Menschen nicht zugehörig. Sie zeigt die Welt als einen makelbehafteten Ort, der ohne das Eingreifen des Helden, aus den Fugen geriete, der ständig in Gefahr ist, zerstört zu werden – und ihm so immer wieder aufs Neue die Gelegenheit gibt, Abbitte für seine vergangenen Sünden zu leisten.

MALONE ist Reynolds‘ SHANE-Variation und gleichzeitig ein introspektiver Altersfilm des einstigen Playboys. Reynolds ist Malone, aus dem Staatsdienst im Vietnamkrieg direkt in eine Tätigkeit als Killer im Auftrag des CIA „gerutscht“. Über 20 Jahre des Tötens fordern in der Gegenwart ihren Tribut: Malone will nicht mehr. Nach einem abgebrochenen Auftrag setzt er seine Kontaktperson und Freundin Jamie (Lauren Hutton) von seinem Wunsch, auszusteigen, in Kenntnis und macht sich auf den Weg, wissend, dass er nun auf der Abschussliste steht. Auf seiner folgenden, ziellosen Riese versagt sein Wagen in der beinahe unberührten Natur Oregons: Hilfe findet er bei Paul Barlow (Scott Wilson), dem Betreiber einer kleinen Werkstatt, und seiner minderjährigen Tochter Jo (Cynthia Gibb), die sich in den wortkargen Fremden gleich verliebt. Es stellt sich bald heraus, dass der Frieden in dem malerischen Tal längst gestört ist: Der reiche Unternehmer Delaney (Cliff Robertson) will es für sich haben und vertreibt alle Bewohner, die ihre Grundstücke nicht freiwillig verkaufen, mithilfe seiner fiesen Schläger. Als Malone sich ihrem Treiben entgegenstellt, erregt er das Interesse Delaneys – und führt den Konflikt auf die nächste Eskalationstufe.

Da MALONE sich eben nicht durch eine originelle Geschichte auszeichnet, sondern von Beginn an einer durch unzählige Filme hindurch entwickelten Linie folgt, rückt unweigerlich Reynolds selbst in den Fokus. Der hatte die 50 eben hinter sich gelassen und zeigt eine deutlich zurückgenommene Darbietung. Das selbstverliebte Gegacker aus SMOKEY AND THE BANDIT, das eine Art Markenzeichen geworden war, wirkt hier wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Reynolds‘ Malone ist ein introvertierter Typ: Er redet nicht mehr als nötig, scheint in konstanter Clinch mit sich und seiner eigenen Vergangenheit zu liegen. Auf neugierige Fragen reagiert er ausweichend. Sein Aufenthalt im Häuschen der Barlows ist eine eher störende Unterbrechung seines Weges in die Emigration, wo er seine Dämonen besiegen will. Aber es dämmert ihm recht bald, dass er die überall mithinnehmen wird: Es gibt ihn nicht, den friedlichen Ort, an dem er nicht mehr Malone sein muss. Interessant ist, wie schnell er diese Tatsache akzeptiert: Will er mit dem Problem der Bewohner des Tals zunächst nichts zu tun haben – er verweigert eine belastende Zeugenaussage, nachdem er einen Mord beobachtet hat –, macht er es dann umso nachdrücklicher auch zu seinem. Als er und Jo bei einem Spaziergang von den Schlägern Delaneys belästigt und bedroht werden, schlägt er brutal zu. Seine Reaktion als unangemessen zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. Da bricht sich etwas Bahn, was sich im weiteren Verlauf in seiner zunehmenden Kaltschnäuzigkeit und der Saftigkeit der Einschüsse niederschlägt. Jeder Mord ist wie ein Befreiungsschlag Malones, wie ein Bekenntnis zu einem Sein, das er zu Beginn des Films verloren glaubte. MALONE ist nicht übermäßig rasant inszeniert, aber in seinen Actionszenen unglaublich brutal. Die Schüsse des Protagonisten zerreißen seine Opfer förmlich und machen deutlich, dass dieser Malone niemals an der Normalität teilhaben wird. Es hilft, dass Reynolds sich dieser Fremdheit des Protagonisten nicht ganz bewusst zu sein scheint. Er weiß, dass seine Handwerk „böse“ ist, auch, dass er „anders“ ist als andere – aber wie weit er sich entfernt hat, wie sehr dieser Beruf ihn im Innersten definiert, das überblickt er nicht. Der Abschied von Jo, die ihn mit den Worten, in fünf Jahren „alt genug“ zu sein halten will, Der Abschiedskuss, den Malone Jo auf den Mund gibt, nachdem sie ihn mit dem „Versprechen“ halten wollte, in fünf Jahren „alt genug“ zu sein – ein typischer Reynoldismus – ist vor diesem Hintergrund besonders gruselig und scheint mehr als nur doppelt codiert. Will er sich wirklich nur verabschieden oder etwas von sich bei ihr lassen?

Kommentare
  1. Carsten sagt:

    Schöne Kritik! Wollte den Film immer mal sehen, aber bis jetzt gibt es ihn ja noch nicht auf einem digitalen Medium zu erwerben. Darf ich einmal genauer fragen, was Sie unter einem „Reynoldismus“ verstehen?

    Und wie darf man Ihre Zeilen bzgl. des Abschiedskusses verstehen? Sind die Szenen mit Reynolds und dieser Jo etwa tatsächlich subtil pädophi angehaucht? Oder missverstehe ich Sie?

    Beste Grüße

    • Oliver sagt:

      Hallo Carsten,

      danke!

      Mit „Reynoldismus“ (eigentlich hätte ich das Ding ja „Reynoldsismus“ nennen müssen, aber das liest sich nicht so schön) beziehe ich mich auf die geckenhafte Selbsverliebtheit und Schmierigkeit, die Reynolds manchmal an den Tag legt. Er galt in den Siebzigern ja als absolutes Sexsymbol und man merkt seinen Filmen an, dass ihm sein äußeres Erscheinungsbild immens wichtig war, er sich selbst wahrscheinlich tatsächlich für ziemlich unwiderstehlich hielt. In den Achtzigern potenziert sich diese Schmierigkeit eben noch dadurch, dass er seine besten Jahre (auch biologisch) bereits hinter sich hatte, er sich aber immer noch als kernigen Typen inszenierte (oder inszenieren ließ).

      Gerade als „pädophil“ würde ich die Kussszene nicht bezeichnen, zumal Cynthia Gibb, die Darstellerin der Jo auch schon 24 war, lediglich eine Minderjährige spielte. Bei einem anderen Darsteller wäre die Szene wahrscheinlich sogar tatsächlich als ganz süß und liebenswert rübergekommen. Malone weiß, dass Jo zu jung für ihn ist, dass er nicht der Richtige für sie ist. Und er hat auch gar kein Interesse an ihr als Partnerin. Er gibt ihr diesen Kuss als Freund und um ihr zu zeigen, dass er sie trotz ihres Alters als Frau betrachtet. Er macht das letztlich für sie. Auch wenn er sie auf den Mund küsst, ist es kein wirklich leidenschaftlicher Kuss. Es ist die Filmpersona Reynolds‘, die da so eine leicht ungute Schwingung reinbringt, weil er als Weiberheld immer auch so eine übergriffige Raubtierhaftigkeit an den Tag legte. Er hat in MALONE keine Sexszene und kein ebenbürtiges Love Interest und man hat bei diesem Kuss den Eindruck, dass auf Teufel komm raus noch etwas annähernd Sexuelles aus dem Film rausgeholt werden musste. Ich glaube, die Szene wäre stärker gewesen, wenn er sich diesen Kuss verkniffen hätte.

      Man kann MALONE – einen Codefree- oder RC-1-fähigen DVD-Player vorausgesetzt – durchaus digital bewundern. In den USA ist er im Rahmen der DVD-on-Demand-Reihe von MGM als DVD-R mit ordentlicher Bildqualität erschienen. Siehe hier: Amazon.com

      Und beim nächsten Mal darfst du mich ruhig duzen, einverstanden?

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