deathtrap (sidney lumet, usa 1982)

Veröffentlicht: Februar 12, 2013 in Film
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Sidney Bruhl (Michael Caine), einst Autor gefeierter Broadway-Stücke, steht nach dem vierten Flop im Folge vor dem Karriereaus und der großen Sinnkrise. Just zu diesem Zeitpunkt flattert das Erstlingswerk von Clifford Anderson (Christopher Reeve) ins Haus: Der junge Mann hatte einst ein Seminar von Bruhl besucht und liefert dem verzweifelten Autor genau jenes makellose Script, das der braucht, um seine Karriere zu retten. Er lädt Clifford zu sich nach Hause ein, fest entschlossen, ihn zu töten und sich das Buch unter den Nagel zu reißen. Und so kommt es dann auch, sehr zum Entsetzen von Bruhls Gattin Mya (Dyan Cannon), die ihren Mann nicht mehr wiedererkennt. Doch der ist noch zu sehr viel mehr fähig …

DEATHTRAP hatte ich eigentlich nach einer knappen halben Stunde abgehakt. Die schwarzhumorige Murder Mystery war bis zu diesem Zeitpunkt zwar sehr gefällig, schien ihr ganzes Pulver aber bereits verschossen zu haben. Er schien mir der typische Fall eines kleinen Zeitvertreibs eines ungleich profilierteren Regisseurs zwischen zwei größeren Filmen: Nett, aber nur wenig nachhaltig. Doch wie bei jenen Thrillern, mit denen Bruhl seinen Ruhm erlangte, muss man sich auch bei DEATHTRAP auf die ein oder andere Überraschung gefasst machen. Zwar ist das gewissermaßen Sinn und Zweck eines solchen Films, aber Lumet bringt seine Life-imitates-art-imitates-life-imitates-art-Geschichte deutlich stil- und niveauvoller zu Ende, als man das von vergleichbaren Werken gewohnt ist. Lumet beackert 15 Jahre, bevor Craven das mit SCREAM tat, ein ganz ähnliches Terrain, nur dass er dafür nicht auf den Slasher-Film zurückgreift, sondern auf die überkonstruierten Murder Mysteries, wie man sie von Agatha Christie kennt. Der ausgebrannte Thrillerautor bedient sich zunächst seines Wissens darüber, wie man einen perfekten Mord verübt, um sich seines Konkurrenten zu entledigen – zumindest lässt Lumet das den Zuschauer glauben, denn eigentlich ist dieser Mord nur Bestandteil eines noch größeren Plans, den Sidney gemeinsam mit dem vermeintlichen Konkurrenten geschmiedet hat, um sich seiner Gattin zu entledigen. Doch kaum ist dieser Plan in die Tat umgesetzt, kommt ihm Clifford mit einem neuen Plan in die Quere: Er will das Verbrechen auf die Bühne bringen, indem er es wieder in ein Script übersetzt. Dagegen hat nun wiederum Sidney etwas, fürchtet er doch zu Recht, dass auch die Öfentlichkeit in der Lage ist, den Rückschluss auf die Realität zu ziehen. Am Ende wird „Deathtrap“, die Geschichte, die sich im Haus des Autors zugetragen hat, tatsächlich zum Broadway-Renner avancieren, aber eben ganz anders, als es sich die Protagonisten des Films DEATHTRAP ausgemalt haben. Und mit einem ganz anderen Autor.

DEATHTRAP hat vor allem ästhetischen Wert: Er begeistert als makelloses Handwerk, lückenloses, höchst funktionales Konstrukt – insofern ist der weiter oben geäußerte Verdacht, Lumet habe hier vor allem seine Fingerfertigkeit geschult, den Film eher als technische Herausforderung gesehen, denn als persönlichen Ausdruck, vielleicht gar nicht so aus der Luft gegriffen. DEATHTRAP ist sicherlich einer von Lumets weniger themenschweren Filmen und man nimmt als Zuschauer keine bleibenden, tiefgreifenden Erkenntnisse daraus mit. Dass der Fokus eher eng ist, erkennt man schon in der Anlage des Films als Zwei-bis-Vier-Personen-Kammerspiel. Ja, wenn man möchte, kann man darüber nachdenken, wie viel von Lumet in Sidney steckt. Und natürlich kann man das spaßige Katz-und-Maus-Spiel als Auseinandersetzung mit den Fragen begreifen, wie Ästhetik und Moral zusammenhängen und welche Verantwortung dem Autor zukommt. Aber diese Auseinandersetzung steht nicht im Zentrum des Interesses weder Lumets noch des Zuschauers. Während der eine seine kreativen Messer wetzt und erprobt, wie viele Metaebenen er sinnvoll ineinanderfalten kann, ohne dabei die Dramaturgie aus den Augen zu verlieren, besteht der Reiz für den Zuschauer eben darin, sich diesem Spiel auszusetzen und sich über die zahlreichen, genau getimten Twists und Turns zu freuen. DEATHTRAP ist mit dem Zauberwürfel auf dem Plakat tatsächlich sehr treffend illustriert: Wie das ikonische Spielzeug fesselt der Film als Denksport, als gleichzeitig einfaches wie verblüffend komplexes Gebilde, in das man sich stundenlang vertiefen kann, um es danach in einer Schublade verschwinden zu lassen. It’s fun.

Dass der Film über seine Laufzeit von 115 Minuten fast durchweg brillant unterhält, liegt natürlich nicht zuletzt am Zusammenspiel von Michael Caine und Christopher Reeve. Das Spiel mit den in stetigem Wechsel begriffenen Machtverhältnissen gelingt beiden mit Bravour. Den von teuflischen Mordplänen besessenen Sidney, der seine Gier hinter dem vorgetäuschten britischen Gentleman-Charme kaum noch verbergen kann, interpretiert Caine mit der ihm eigenen Mischung aus trockenem Humor und brennender Intensität gewohnt souverän. Die eigentliche Entdeckung ist Christopher Reeve, den man aufgrund seiner eher breit angelegten Darbietung in den SUPERMAN-Filmen und seinem jungenhaft guten Aussehen immer etwas unterschätzt hat: Den nahezu übergangslosen Wechsel vom unbedarft-naivem Opfer zum unberechenbaren Psychopathen meistert er mühelos und seine zwei, drei kurzen aggressiven Ausbrüche lassen einem tatsächlich das Blut in den Adern gefrieren. Die beiden fügen sich also nahtlos ins Gesamtbild ein: Alle Beteiligten haben ihr ihr ausnahmslos Bestes gegeben und einen doppelbödigen, immens kurzweiligen Thriller geschaffen, auf den Sidney Bruhl mit absoluter Berechtigung stolz gewesen wäre – oder getötet hätte, um ihn unter seinem Namen zu veröffentlichen.

Kommentare
  1. Das erinnert mich jetzt alles sehr an SLEUTH von Mankiewicz. Kennst Du den zufällig und kannst einen Vergleich ziehen?

    • Oliver sagt:

      Ich kenne SLEUTH leider nur vom Hörensagen. Aber ich vermute, dass sch beide Filme tatsächlich nicht ganz unähnlich sind – nach dem, was ich über SLEUTH gelesen habe jedenfalls. Meine Vergleichsgröße war zu Beginn des Films MURDER BY DEATH, aber der ist deutlich komischer und parodistischer als DEATHTRAP.

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