nemesis (albert pyun, dänemark/usa 1993)

Veröffentlicht: August 13, 2009 in Film
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6305232679.01.LZZZZZZZ[1]2027: Alex Rain (Olivier Gruner), ein Cop des LAPD, ist nach mehreren Verletzungen mehr Mensch als Maschine und damit in einer Welt, in der die Menschen aussterben, in guter Gesellschaft. Als er seinen Job quittiert, bittet ihn sein Vorgesetzter Farnsworth (Tim Thomerson) um einen letzten Gefallen: Rain soll seinen ehemaligen Partner Jared (Marjorie Monaghan) aufsuchen und ihr wichtige Daten abnehmen, die sie an eine terroristische Vereinigung namens „Red Army Hammerheads“ verkaufen will …

Filme von Albert Pyun sind wie eine Wundertüte: Man weiß nie, was man bekommt. Von haarsträubendem, unanguckbarem Schrott wie ADRENALIN: FEAR THE RUSH bis hin zu dem feinen Fantasyfilm THE SWORD AND THE SORCERER, seinem Debüt, ist alles drin. Seine beiden Meisterleistungen sind thematisch eng verwandt: CYBORG mit Jean-Claude Van Damme, der meiner Meinung nach einen Eindruck davon vermittelt, wie ein Actionfilm von Jean-Luc Godard ausgesehen haben könnte (man braucht sicherlich auch ein bisschen Humor, um dieser Meinung beizupflichten), und eben dieser hier, NEMESIS, der für mich der bessere BLADE RUNNER ist (wer mich kennt, weiß um meine schwierige Beziehung zu Ridley Scotts vermeintlichem Meisterwerk, deshalb belasse ich es bei diesem kleinen Hinweis). Die Ähnlichkeiten sind auf jeden Fall frappierend: Hier wie dort geht es um eine Welt, in der das Menschliche zunehmend vom Maschinellen verdrängt wird, hier wie dort ist es nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wer welcher Seite angehört, hier wie dort gibt es einen Helden, dessen Menschlichkeit infrage gestellt wird. Während Harrison Fords Deckard jedoch (noch) berechtigte Zweifel hegen darf bzw. muss, weiß Rain, wieviel an seinem Körper noch „echt“ ist. Doch das entbindet ihn nicht von der nagenden Frage danach, wieviel Rest Mensch ausreicht, um Mensch zu sein. Für seine Gegenüber steht er immer auf der falschen Seite: Für die Menschen ist er nicht genug Mensch, für die Maschinen noch zu viel. Er ist ein Zwitterwesen, ein Außenseiter, der im tobenden Kampf aufgerieben wird. Wie BLADE RUNNER so fußt auch NEMESIS im Film Noir. Rain ist nur vermeintlich der Protagonist der Geschichte, die nur vermeintlich die seine ist. Vom Subjekt verwandelt er sich immer mehr in das Objekt eines zusehends komplizierter werdenden Geschehens, das die Frage aufwirft, ob es sich tatsächlich noch um eine objektive Realität handelt oder ob es nicht vielmehr Abbild einer subjektiven Wahrnehmung, eines Traums ist. Wie Elsaesser in seinem aktuellen Buch „Hollywood heute“ schreibt, ist Film Noir das Genre des ewigen, anhaltenden Todes: Seine Helden befinden sich bereits im Limbo, sie wissen es nur noch nicht. NEMESIS vermittelt (wie auch BLADE RUNNER) genau das: das Gefühl eines Schwebezustands, eines Halbwachseins, das glauben macht, dass hier alles möglich ist. Was erstaunlich ist, ist dass Pyun dieses Ziel mit völlig anderen Mitteln erreicht als Scott. Während BLADE RUNNER in einer anscheinend ewig dauernden Nacht angesiedelt ist, wird es in NEMESIS niemals dunkel. Die Welt wird in ein staubig-schwüles Rostrot gehüllt, das sich über die Laufzeit von 90 Minuten wie ein Schleier auch über den Zuschauer legt und den dissoziativen Effekt noch verstärkt. Wie ein Somnambuler geistert Rain durch den Film, hoffend, das sinnlose Nebeneinander zu einer sinnvollen Einheit verknüpfen, den roten Faden finden zu können, der ihm den Weg weist, während er doch gleichzeitig den Schlaf – und damit das Ende – herbeisehnt. Doch je weniger Mensch er ist, in umso weitere Ferne rückt auch ein befriedigender Tod: das Paradoxon des Films. Deckard ist da ganz anders: Er wird noch von einem Feuer angetrieben, das ihn davon abhält, die unleugbaren Fakten zu erkennen. Rain = Deckard + Zeit.

Erwähnt werden sollte noch, dass NEMESIS ein Actionfilm ist. Ein Actionfilm voller Dynamik, bildgewaltig, aufregend und radikal in seiner formalen Gestaltung, rätselhaft und betörend, abstoßend und anziehend zugleich. In der Verdichtung auf die Gegensatzpaare Mensch/Maschine und Cop/Terrorist, die von Pyun ins Fließen gebracht werden, bis sie sich vollkommen auflösen, erreicht er die visionäre Kraft, die sich bei Scott ganz allein im Diskursiven verorten lässt. Ein Meisterwerk des B-Films, das für die Videoauswertung, die es in Deutschland ausschließlich erfahren hat, viel zu schade ist.

Kommentare
  1. […] Kategorien: Film Tags: Action, Albert Pyun, Cyborg, Endzeit, Science Fiction Nachdem Pyun mit NEMESIS noch eine Radikalisierung von Scotts BLADE RUNNER mit den Mitteln des Actionfilms vorgelegt hatte, […]

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