più forte, ragazzi! (giuseppe colizzi, italien 1972)

Veröffentlicht: März 4, 2011 in Film
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Plata (Terence Hill) und Salud (Bud Spencer) machen im Auftrag von Saluds chronisch unzuverlässigem Bruder Handelsflüge durch Kolumbien und riskieren dabei mehr als einmal Kopf und Kragen. Ihre Glückssträhne scheint gerissen, als sie mitten im kolumbianischen Urwald eine Bruchlandung machen müssen und nun zwischen lauter mittellosen Schürfern festsetzen. Improvisationstalente, die sie sind, verdienen sie sich ein bisschen Geld mit kleinen Flügen, doch beschwören sie damit den Zorn von Mr. Ears (Reinhard Kolldehoff) herauf, der den gesamten Flugverkehr der Region kontrolliert und seine Schläger auf die beiden ansetzt …

PIÙ FORTE, RAGAZZI! ist der erste gemeinsame Nicht-Western des berühmten Duos und gilt vielen Fans als ihr bester, was ich hier nicht weiter erörtern will. Für mich, der ich auch mit diesem Film enge emotionale Bande geknüpft habe, stand er immer etwas im Schatten der beiden TRINITÀ-Filme, was wohl auch daran liegt, dass er nicht innerhalb einer mythologisch überformten Wild-West-Welt, sondern mitten in einer dem Mitteleuropäer doch ziemlich fremden Realität angesiedelt ist. Frönen spätere Werke der beiden dem reinen Eskapismus, geht es hier um die Kehrseite abenteuerlichen Aussteigertums, um bittere Armut und die Frage, welchen Weg man einschlägt, um ihr zu entrinnen, und wie viel man dabei von sich selbst dabei aufgeben darf. Die Sozialromantik, die in späteren Spencer&Hill-Filmen ihres kritischen Impetus weitestgehend beraubt und auf den Status einer bloßen Dekoration gekürzt ist, ist der Motor von PIÙ FORTE, RAGAZZI!, und es gelingt Colizzi, die Charaktere seiner beiden Protagonisten am schärfsten herauszuarbeiten.

Salud ist der Donald Duck der beiden, ein Verlierer, der insgeheim noch davon träumt, einmal auf der Gewinnerseite zu stehen und von diesem Traum angetrieben versucht, sich mit dem System zu arrangieren. Weil er jedoch nicht intelligent genug ist, dessen Spielregeln zu durchschauen, steht er am Ende des Tages immer nur wieder als Verlierer dar. Plata hingegen steht komplett außerhalb des Systems. Er spielt bei dessen Spiel nur zum Schein mit, folgt nicht dem schnöden Mammon, an dem ja immer das Blut der Unterprivilegierten klebt, sondern einem festen Wertesystem. Er weiß, dass es kein richtiges Leben im Falschen geben kann und trifft seine Entscheidungen gemäß diesem Wissen – auch für Salud, dessen missmutiges Grummeln darüber die Ohnmacht des einfachen Mannes ausdrückt, der mit der Effektivität seines Über-Ichs hadert.

Das Dilemma Saluds kommt in einer Episode besonders schön zum Vorschein: Vom senilen Schürfer Matto (Cyril Cusack) vor dem Einschlafen mit dem Versprechen von etwas zu Essen geködert, lässt sich Salud zu einer langen Wanderung überreden, an deren Ziel Matto ihm einen Berg zeigt. Matto wird ganz melancholisch, erzählt Salud, wie glücklich ihn allein der Anblick dieses Berges macht, der in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. Aus Salud, einem eher handfesten Kerl, dem Gefühlsduselei fremd ist, bricht es heraus: Er sei müde, habe Hunger und müsse sich jetzt auch noch von einem Halbverrückten vollquatschen lassen. „Von deinem Scheißberg werde ich doch nicht satt!“ Träume und Ideale sind schön, aber solange existenzielle Bedürfnisse nicht gestillt sind, sind sie eitler Kram. An diesem Punkt kommt dann üblicherweise Plata ins Spiel, der als Mephistopheles-Figur dafür sorgt, dass Salud nicht zum zynischen Opportunisten wird. Im Kern ist er nämlich ein herzensguter Kerl: Nur gerät er schnell in Versuchung, das Gegenteil zu erproben.

PIÙ FORTE, RAGAZZI! wird noch nicht von der Formel erdrückt, die er entscheidend mitzuformulieren half und die dann später wieder und wieder abgespult wurde. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern ist zwar bereits etabliert – und filmgeschichtlich m. E. total unterschätzt: Hill und Spencer gehören für mich zu den großen komödiantischen Duos des vergangenen Jahrhunderts – , Rainer Brandt sorgt mit seiner erneut genialen Synchro für den richtigen Ton, doch stehen Hill & Spencer noch im Dienste einer richtigen Geschichte. Es gibt einige wunderschöne, ja geradezu herzzerreißende Szenen in Colizzis Film: Ich liebe die Verzweiflung des Hinkenden, der zu spät zu Saluds und Platas Bierverkauf kommt und darüber fast zu vergehen scheint – Glück ist manchmal etwas sehr Banales. Auch toll ist die Sequenz, in der Salud bei einem Unwetter und einer Sichtweite von „zero zero“ mit seinem Flugzeug startet, um einen schwer Verwundeten ins nächste Krankenhaus zu bringen. Hier braucht es dann auch keinen Plata mehr, um den Philantropen aus Salud herauszukitzeln. Nichts übertrifft jedoch das Ende und das Schicksal, das den sympathischen Irren Matto ereilt: Die entsprechende Szene packt mich auch nach über 20 Jahren immer noch am Kragen und wringt die Tränen aus mir heraus. Nimmt man nun noch unsterbliche Sprüche hinzu, wie jenen, als Salud ein Klappmesser als „Ansichtskarte aus Solingen“ bezeichnet oder einen „Griff zum Wegschmeißen“ an seinem schrottigen Flugzeug vermisst (ein Spruch, der zum festen rhetorischen Inventar meiner Familie zählt), dann hat man ein Gottesgeschenk von einem Film, der für mich ohne Frage zu den allergrößten zählt und auf der imaginären Punkteliste natürlich eine glatte 10 erhält.

Kommentare
  1. Markus Hächler sagt:

    Da unterschreibe ich jeden Satz!

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