las garras de lorelei (amando de ossorio, spanien 1974)

Veröffentlicht: Juni 10, 2014 in Film
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Wenn ich gewusst hätte, welches Vergnügen dieser Film kredenzt, hätte ich ihn mir schon vor 20 Jahren geschnappt, als er für einen lausigen Zehner als ramschiges Videotape in jener berühmt-berüchtigteten Venloer Videothek feilgeboten wurde, von der ich hier schon so oft berichtet habe. Von Ossorio kannte (und liebte) ich bereits die REITENDEN LEICHEN-Filme, aber LAS GARRAS DE LORELEI wurde in den einschlägigen Horrorlexika immer als eher vernachlässigbarer Billighuber gehandelt, sodass ich leichtfertig auf den Zuschlag verzichtete. Die Blu-Ray, die den Film dieser Tage, vierzig Jahre nach seiner Entstehung, zum ersten Mal in Deutschland verfügbar macht (in einer eigens erstellten Synchro, an die ich mich aber nicht herangetraut habe), lässt dieses Versäumnis allerdings als vorausschauendes Steigern der Vorfreude erscheinen, denn der Film erstrahlt hier in einem Glanz, der seinen Zauber noch verstärkt.

Ich habe an anderer Stelle schon einmal eine Lanze für den spanischen Horrorfilm gebrochen: Gegenüber seinem mediterranen Nachbarn aus Italien fristet er ein etwas trauriges Schattendasein. Selbst wenn einige seiner berühmtesten Vertreter – man denke an die schon erwähnten REITENDEN LEICHEN oder die WaldemarDaninskyFilme mit Paul Naschy – verdienten Kultstatus unter Freunden des ungewöhnlichen Films erlangt haben, werden seine eigenartigen Reize insgesamt doch weitaus weniger lautstark besungen. LAS GARRAS DE LORELEI ist ein perfektes Beispiel für den Zauber, den spanische Horrorfilme (vor allem der Siebzigerjahre) mit schöner Regelmäßigkeit entfachen: hoch emotional, voller ausufernder, die Grenze zum Kitsch lustvoll überschreitender (Düster-)Romantik, unter deren Oberfläche mühsam unter Kontrolle gehaltene Lust auf ihre orgiastische Schmieruption wartet, geprägt durch den großzügigen Verzicht darauf, nein, sogar die pure Unfähigkeit dazu, die Narration in geordnete Bahnen zu lenken, die Poesie mithilfe schnöder Logik einzuzäumen und zu zähmen. Und dann wird dieses Märchen immer wieder durch krude Splattereien durcheinandergewirbelt, die im Kontext wie das sich in höchste Höhen emporschaukelnde Crescendo eines von Herzschmerz und Liebespein kündenden Schlagers anmuten.

LAS GARRAS DE LORELEI basiert, wenig überraschend, auf dem deutschen Lorelei-Mythos, modifiziert ihn aber zum im Kern tragischen Monsterfilm mit Science-Fiction-Einsprengseln und fabuliert sich zum Schluss mit der Erwähnung von Nibelungenschätzen, Walhalla und Asgard sowie dem Auftritt knapp bekleideter Amazonen in Unterwassergewölben endgültig ins Nirwana. Gerade für deutsche Zuschauer ist diese sehr freie iberische Approximation germanischer Sagen ein Fest und fast nichts erfreut das Herz so sehr, wie der Kontrast zwischen den Archivbildern von Rüdesheim und dem Rhein und den spanischen Stand-ins, an denen der Film tatsächlich gedreht wurde. Tony Kendall gibt den markigen Jägersmann namens Sigurd, der eine Mädchenschule oder vielmehr ihre Bewohnerinnen, die kaum jünger sind als die gestrenge Lehrerin (Silvia Tortosa), vor den Übergriffen des Monstrums beschützen soll. Das bietet Gelegenheit für diverse Poolszenen (Unterricht gibt es hingegen nicht) sowie kurz vor Schluss eine lesbische (?) Badeeinlage zweier Mädels, deren fast hysterische Freude angesichts von Schaumbad und Dusche auf ein reichlich schlichtes Gemüt oder aber die Verabreichung harter Drogen vermuten lässt. Natürlich bahnt sich eine Liebesgeschichte zwischen Sigurd und der prüden Gouvernante an, doch eigentlich hat er sein Herz an Lorelei (Helga Liné) verloren, die ihm am Ende immerhin verspricht, in Walhalla auf ihn zu warten. Koblenz verfügt zum Glück über gute Bahnanbindung.

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