14. hofbauer-kongress: ich schlafe mit meinem mörder (wolfgang becker, deutschland 1970)

Veröffentlicht: Januar 9, 2015 in Film
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Ein weißer Bungalow im vornehmen München, vor der Tür parkt eine blaue Corvette, im grünen Garten blitzt leuchtend blau ein Swimming Pool. Drinnen leben Angela (Ruth-Maria Kubitschek), wohlhabende Unternehmerin und Firmeninhaberin, und ihr Ehemann Jan (Harald Leipnitz), ihr Geschäftsführer und an der kurzen Leine geführtes, allerdings nicht mehr ganz so knackfrisches Boy Toy: Das schöne Leben in der Bayernmetropole fordert seinen Tribut. Das Haus ist mit protzigem Prunk, geschmacklosen Buddhastatuen und anderem Tand vollgestellt, den man anhäuft, wenn man nicht mehr weiß, wofür man seine Kohle ausgeben soll. Angela trägt wallende Gewänder mit psychedelischen Dekoren und macht sich ihr Kristallglas an der gut sortierten Hausbar halbvoll mit Whiskey, wird den berühmten Schwips, der solch mondänen Damen immer einen Hauch von Verrucht- und Verkommenheit verleiht, gar nicht mehr los, trägt ihn aber mit Würde. Jan hat dicke Koteletten und ein verlebtes Gesicht, der nicht mehr zu verleugnende Bauchansatz hindert ihn nicht daran, die Hemden bis zum Nabel aufzuknöpfen, und auf der Fahrt in dem schicken Sportwagen durch München lässt er sich von seiner leicht bekleideten Geliebten, der dümmlich-püppchenhaften Gina (Véronique Vendell) so unverhohlen am Schwanz herumfummeln, dass er den ein oder anderen Unfall verursacht. Den guten Ehemann spielt er Angela noch nicht einmal mehr vor. Warum auch? Die Gattin lässt ja keinen Zweifel daran, dass sie ebenfalls nur an seinem Körper interessiert ist, weil sie weiß, dass er zu sehr an ihrem Geld hängt, als dass er sie und das Leben, das ihm ihr Vermögen ermöglicht, aufgeben würde. Die beiden sind die bittere Karikatur eines Ehepaares, das sich so weit auseinandergelebt hat, dass es nicht einmal mehr für Hass reicht. Sie schießen unentwegt kleine Giftpfeile aufeinander ab, weil sie ja irgendeine Form der Kommunikation pflegen müssen, wenn sie schon zusammen unter einem Dach wohnen. Das alles verfängt längst nicht mehr. Alkohol, Geld und folgenloser Sex haben einen dichten Nebelschleier um die beiden gelegt, der alles dämpft, was vom anderen auf sie eindringt. Es könnte eigentlich ewig so weitergehen – und das wäre auch ein toller Film geworden –, aber Jan fasst dann doch den Plan, seine Gattin umzubringen, mithilfe seiner Freundin, die sich vor Zeugen als Angela ausgibt, ihren Selbstmord vorzutäuschen und so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Aber weil ICH SCHLAFE MIT MEINEM MÖRDER ein Film vom erfahrenen Krimi-Regisseur Wolfgang Becker ist, geht alles schief, was nur schiefgehen kann.

Man könnte sich ICH SCHLAFE MIT MEINEM MÖRDER gut als DERRICK-Episode vorstellen. Die Beziehung der zwei bzw. drei Protagonisten, der Mordplan und die Ausführung desselben, die unerwartete Panne, die sich weiter anhäufenden Komplikationen, das beharrliche Nachhaken eines strengen, gewissenhaften, asketisch wirkenden Kommissars (Friedrich Joloff), die wachsende Panik der heißen Täter, die sich immer tiefer in Widersprüche verstricken: Die Struktur des Films nimmt den Standardverlauf der 1974 gestarteten Erfolgsserie und deren Handlungsort München deutlich vorweg, bleibt mit dem Fokus aber die ganze Zeit auf dem Täterpärchen, statt sich irgendwann ganz dem Ermittlerteam zuzuwenden. Auch das Sujet, die Atmosphäre neureicher Dekadenz, großbürgerlicher Langeweile, selbstverliebter Schickeria und schnapsgetränkter Selbstkasteiung und das sensationslüsterne Wühlen Beckers in den verschlackten Seelenabgründen des Ehepaars erinnern an die Krimiserie, deren Titelfigur sich mit unerschütterlicher Geduld am Großbürgertum abarbeitete. Verstärkt wird der ätzende Humor Beckers, seine Verachtung für die beiden Manipulatoren, die glauben, sich alles kaufen zu können, durch die Tatsache, dass der zunehmend verzweifelter agierende Jan eigentlich gar nichts getan hat: Nun sieht es so aus, als würde er für ein Verbrechen bestraft, dass er gar nicht begangen hat, während er mit dem planmäßig ausgeführten Mord wahrscheinlich davongekommen wäre (als Todesschütze hat er freilich und vorbeugend seine willige Gina auserkoren, das feige Dreckschwein). Das passt auch gut zur Schlusspointe, die an die fiesen Moralkeulen erinnert, mit denen die TALES FROM THE CRYPT-Episoden zu enden pflegen und ICH SCHLAFE MIT MEINEM MÖRDER in ein ganz anderes Fimuniversum überführt.

ICH SCHLAFE MIT MEINEM MÖRDER war am letzten Kongresstag noch einmal ein echter Höhepunkt, ein wunderbares Beispiel dafür, was für Schätze deutscher Psychotronik in den Archiven dem unweigerlichen Vergessen entgegenschimmeln. Der von Wolf C. Hartwig produzierte Film sah toll aus (einen Kameramann kennt die IMDb leider nicht), verfügte über einen beschwingten Score von Martin Böttcher, ein wunderbares, mit tollen Details und bissigen Dialogen vollgestopftes, wendungsreiches Drehbuch, die hüpfenden Brüste von Veronique Vendell und natürlich das fantastische Hauptdarstellerpaar. Ruth-Maria Kubitschek, mittlerweile längst in den ungnädigen Armen des Altersirrsinns versunken, brilliert als manipulative Männermörderin mit Whiskyatem, Harald Leipnitz, gibt eine dunkle, heruntergekommene Variation der Sunnyboys, mit denen er ein knappes Jahrzehnt zuvor berühmt wurde. Mit seiner Boxernase hatte er zugegeben schon immer das Potenzial zum Schurken (siehe DER ÖLPRINZ), doch erst hier kann er es dank einer vom ausufernden Lebenwandel gezeichneten Figur zu voller Wirkung entfalten. Super, wie er gegenüber seinem dümmlichen Betthäschen immer mehr die Fassung verliert, langsam die Erkenntnis einsinkt, dass es eine ziemliche Schnapsidee war, ausgerechnet diese Frau zu seiner Komplizin in einem Mordkomplott zu machen. Und Ellen Umlauf, humoristische Nebendarstellerin in zahllosen deutschen Filmen der Sechziger- und Siebzigerjahre setzt als erpresserische Althure ein wirkungsvolles i-Tüpfelchen. Toller Film, der zudem Lust auf eine Hausbar macht.

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