die sieger (dominik graf, deutschland 1994)

Veröffentlicht: Februar 18, 2015 in Film
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Bei einem Einsatz gegen einen Falschmünzerring erkennt der SEK-Beamte Karl Simon (Herbert Knaup) in einem der Verdächtigen, dem die Flucht gelingt, seinen alten Kollegen Heinz Schaefer (Hannes Jaenicke). Heinz hatte vor einigen Jahren sein zwei Tage altes Kind ermordet und war dann, nach Fund einer kopflosen Wasserleiche, für tot erklärt worden. Als Karl seine Beobachtung offenbart, gesteht man ihm, dass es sich bei dem Mann um einen verdeckten Ermittler gehandelt habe, der aber keinesfalls mit dem Toten identisch sein könne. Karl stellt jedoch weitere Nachforschungen an, die seinen Vorgesetzten ein Dorn im Auge sind – es wäre schließlich ein Skandal, wenn ein Kindsmörder im Dienste der Polizei stünde – und bringt damit zunehmend sich und seine Familie in Gefahr. Als der Politiker Dessaul (Thomas Schücke), der einen Untersuchungsausschuss in einer Korruptionsaffäre leiten soll, von Schaefer entführt und ein Lösegeld von mehreren Millionen Mark gefordert wird, gerät Karl zudem in Verdacht, mit dem Entführer unter einer Decke zu stecken …

Ich erinnere mich noch an den großen Bericht in der „TV Spielfilm“, als DIE SIEGER damals als ambitionierter Versuch eines deutschen Actionfilms in die Kinos kam. Der Artikel sparte nicht mit Lob, bezeichnete den Versuch als fulminant gelungen und DIE SIEGER als großes Unterhaltungskino, das sich hinter den Vorbildern aus Hollywood nicht verstecken müsse. Das alles half leider nicht: DIE SIEGER ging an den Kinokassen baden, auch die Kritik war nicht durchweg positiv und eine mögliche Zukunft mit großbudgetierten, fürs Kino inszenierten deutschen Action- und Polizeifilmen fiel mit lautem Platschen ins Wasser. Der Film hatte wohl eine recht schwierige Entstehungsgeschichte, die auch dazu führte, das sich Dominik Graf selbst von ihm – und seiner eigenen Arbeit – distanzierte: „Günter Schütters erste und stärkste Drehbuch-Fassung (zwei Jahre vor Drehbeginn) unterschied sich in vielem vom heute vorliegenden Endprodukt. […] Wir hatten am Ende, nach jahrelanger Finanzierungs-Arbeit und Drehbuch-Diskussion viel zu wenig Geld und das Skript war ein mühsam zusammengekürzter Flickenteppich geworden. Alle leidenschaftlichen Eigenschaften des Schütter’schen Universums waren zwar noch vorhanden, aber durch die stark nach finanziellen Kriterien vorgenommenen Reduktionen war das Buch total aus der Balance geraten. Und man kann wohl im Nachhinein sagen, der Regisseur inzwischen auch.“ 

Man merkt dem Film diese „Flickschusterei“ allerdings nicht wirklich negativ an, wie ich finde. Sicher, der Film ist mit seinen rund 130 Minuten Laufzeit randvoll mit Handlung, ohne dass er dabei komplett „auserzählt“ wäre. Manches steht ein bisschen fragmentarisch darin herum, anderes, wie die Liebesbeziehung zwischen Karl und der Politikergattin Melba Dessaul (Katja Flint), scheint ein Zugeständnis ans Publikum, das eben auch eine Sexszene erwartet. Aber dieses Bruchstückhafte, Elliptische, Fragmentarischer, Unvollendete macht einen nicht unerheblichen Teil des Reizes aus, den DIE SIEGER auf mich ausübte. Wo die Dramaturgie vielleicht versagt, Handlungssprünge kurzzeitig verwirren (auch das kann ja eine Stärke sein), überzeugt der Film, unterstützt von eine fantastischen, sphärischen Soundtrack (von Graf mitkomponiert), vor allem auf atmosphärischer Ebene. Die faktische „Härte“ des Stoffes – Männer, Waffen, Politik, Geld – wird immer wieder gezielt durch träumerische Noten aufgeweicht, die eine ganze beunruhigende Welt voller zerrütteter Psychen hinter der kühlen Fassade suggerieren. Da passiert etwas, was über das faktisch Gezeigte hinausgeht. Ganz stark etwa Karls erster Besuch bei Sunny, der Gattin des toten Kollegen, die wie in einem Mausoleum lebt, seit dem Tod ihres Mannes nichts verändert hat, immer noch voll verträumter Zärtlichkeit von ihm spricht, und Karl im Schein der Babylampe im unbenutzten Kinderzimmer fragt, ob sie noch einmal mit ihm schlafen werde, „aus Mitleid“. In seinen Suspense-Momenten merkt man, dass Graf durchaus ein Fan des italienischen Giallo-Kinos ist und auch das spektakuläre Finale hoch oben auf einem nächtlichen Alpengipfel erreicht jene kalt-fiebrige Stimmung, die man von den italienischen Thrillern kennt. Das vereint sich mit den typischen Polizeifilm-Motiven und -Themen zu einer höchst eigenständigen Mischung, wie ich sie in dieser Form noch nicht gesehen habe.

Die Tonspur spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Erzeugung dieser speziellen Atmosphäre: Es wird viel geredet, aber nicht immer so, dass man es auch versteht. Figuren flüstern oder nuscheln, Dialoge überlappen sich, werden von Hintergrundgeräuschen übertönt, mehrfach sieht man bloß, das eine Figur etwas sagt, ohne hören zu können, was. Nicht nur Hörstürze kündigen sich so an. DIE SIEGER, dessen Titel niemals laut als Ironie enttarnt wird, ist nicht zuletzt eine Zusammenbruchsgeschichte, auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene. Der Glaube an die starken Männer – in der Politik, in der Polizei – er ist am Ende zerbröselt, zu Staub zerfallen. Ein Sieger ist nur, wer den Ausstieg schafft und überlebt – so wie Karl, der den Dienst schließlich quittiert, um gegen die Verschwörer aussagen zu können. Am Ende nimmt Karls Frau eine Biene in ihre Hand, legt sanft die andere darüber, öffnet die entstandene Höhle wieder, ohne gestochen worden zu sein. „Sie ist eingeschlafen“, sagt sie. „Ja“, antwortet Karl und lächelt.

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