turbo kid (francois simard/anouk whissell/yoann-karl whissell, kanada/neuseeland/usa 2015)

Veröffentlicht: November 23, 2015 in Film
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TURBO KID verzückte in diesem Jahr u. a. sowohl die Besucher des Sundance Festivals als auch die des hiesigen Fantasy Filmfests und verleitete sie zu Bemerkungen wie „TURBO KID is hands down the most entertaining film that screened at Sundance this year.  I had a ridiculous amount of fun watching this movie, and it one [sic!] I know that a lot of you would like as well. Everything about this movie exploded with pure awesomeness in the most nostalgic and extreme ways. In meiner Facebook-Timeline bin ich gar auf euphorisierte Urteile gestoßen, es hier mit einem echten Meisterwerk zu tun zu haben. Wenn ich so etwas lese und dann nach eigener Sichtung feststelle, doch milde underwhelmed zu sein, weiß ich nicht, worüber ich mich mehr ärgern soll: Über solche völlig übertriebenen Meinungsäußerungen, die zu nichts weiter beitragen, als die eigene Erwartungshaltung übermäßig anschwellen zu lassen und dem Werk selbst nicht mehr unvoreingenommen gegenübertreten zu können, oder darüber, dass es Zuschauer gibt, die jede soliden Film mittlerweile abfeiern, als gebe es kein Morgen, weil sie sich daran gewöhnt haben, sonst nur Dreck verabreicht zu bekommen.

Ich gebe zu: Vor 15, 20 Jahren hätte ich TURBO KID mindestens für das Beste seit der Erfindung von geschnittenem Brot gehalten, ihn wahrscheinlich jeden Tag einmal geguckt und Kumpels die besten Splatterszenen vorgeführt. Der Film ist durchaus liebenswert, keine Frage, trägt sein Herz auf dem rechten Fleck, zeugt von sympathischem Humor und einigem handwerklichen Können. Er verfügt zudem über einen absolut begeisternden, erfolgreich auf Eighties getrimmten Soundtrack (m. E. das beste am Film), zauberhafte „handgemachte“, also im besten Sinne altmodische Effekte und der kleine Kniff, ihn „in der Zukunft des Jahres 1997“ anzusiedeln, ist schlicht famos. TURBO KID ist ein Fanboy-Film, für den man sich endlich mal nicht schämen muss, den zu mögen einen nicht von vornherein zum infantilen Nerd mit fragwürdigem Geschmack stempelt. Aber er ist eben trotzdem immer noch ein Fanboy-Film, der jede Substanz vermissen lässt, sich mit zunehmender Spielzeit immer mehr auf (mich) ermüdende Vordergründigkeiten kapriziert (spätestens beim dritten mit einer Blutfontäne explodierenden Menschen ist der Witz weg und hier fliegen schätzungsweise 20 in die Luft) und darüber hinaus durch und durch derivativ ist. TURBO KID ist reines Zitatekino, zugegebenermaßen recht geschmackvoll und zurückhaltend mit seinen Referenzen, aber dann eben doch nur ein Film, der sich damit begnügt, positiv an Vergangenes zu erinnern. Was mich am meisten genervt hat: Jedesmal, wenn sich da echte Emotionen zu entfalten drohen, kann man sicher sein, dass ein Witz kommt, damit auch bloß alles in einem angenehm lauwarmen Bereich bleibt, wo man nicht wirklich berührt wird, alles auf so einem kirmesmäßigen Erregungsniveau lustig und unterhaltsam finden kann. Dasselbe gilt für die Gewalt, die so dermaßen over the top ist, dass damit schon früh jede Spannung flöten geht. (Das ist übrigens typisch für die Neunziger und keinesfalls für die Achtziger, da wir schon beim Thema sind.) TURBO KID bleibt in jeder Sekunde erkennbarer Kintopp, der sich beharrlich weigert, „wahr“ zu werden. Dabei geben die Figuren, allen voran die goldige Androidin Apple (Laurence Leboeuf), durchaus etwas her. Schade, dass sich die Macher damit begnügen, lediglich reue- und konsequenzlosen Fun abzuliefern, der fünf Minuten nach Filmende bereits wieder verflogen ist.

Ich glaube ganz ehrlich, dass die Zeit für solche Filme vorbei ist. Auf jeden Fall gehöre ich nicht mehr zu ihrer Zielgruppe. Da schaue ich doch lieber zum xten Mal BAD TASTE, einen Film, der TURBO KID ideell recht nahesteht, aber meiner Meinung nach hundertmal kreativer, absurder, witziger und wilder ist. Aber wahrscheinlich würde der 16-Jährige, der heute sein Blog mit Lobeshymnen auf TURBO KID vollschreibt, das ganz anders sehen. Und das ist ja auch irgendwie OK.

Kommentare
  1. Als „reines Zitatekino“ ist mir der aber jederzeit lieber als Schwaller Tarantino.

    Gruß
    Günter

  2. HomiSite sagt:

    Störend empfand ich das Erzähltempo, dass trotz der geringen Laufzeit sehr langsam wirkte inklusive einiger ziemlich öde geschnittener Szenen. Selbst die an sich wirklich tolle Musik kam mir manchmal zu entkoppelt von den Bildern vor.

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