flatliners (joel schumacher, usa 1990)

Veröffentlicht: August 17, 2016 in Film
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flatliners-posterHing damals vielleicht sogar das deutsche Kinoposter in meinem Zimmer? Ich weiß es nicht mehr genau, wohl aber, dass ich FLATLINERS damals im Kino sah und ziemlich knorke fand. Wobei die Tatsache, dass ich mir für die Zweitsichtung trotzdem satte 26 Jahre Zeit gelassen habe, einige Rückschlüsse auf die Belastbarkeit dieser Meinung zulässt. Dass die Ernüchterung groß gewesen wäre, kann ich nicht behaupten: Schumacher hat ein paar brauchbare Filme gedreht, aber bedeutend häufiger großen Käse verbrochen. FLATLINERS ist nicht ganz so hirnerweichend dumm wie sein magnum opus 8MM, aber das liegt einzig daran, dass er sich für seine Auseinandersetzung mit der Frage, was nach dem Tod kommt, ins Reich der Fantasie begibt, wo man sich eben grundsätzlich einigen Unfug erlauben kann, ohne dafür ausgelacht zu werden. Dass die „Erkenntnisse“, die er bei seinem kleinen Ausflug ins Nachleben gewinnt, erschreckend banal sind für den Lärm, mit dem sie dargeboten werden, dürfte aber selbst dem einfältigsten Zuschauer kaum entgehen. Man spielt nicht mit dem Tod, weil es dafür gute Gründe gibt, die sich der liebe Gott in seiner Weisheit ganz allein ausgedacht hat. Und wenn doch, etwa weil man ein übermotivierter Medizinstudent ist, sollte man durch die Erfahrung wenigstens zum besseren Menschen werden, das ist ja wohl das Mindeste. So oder ähnlich könnte man FLATLINERS zusammenfassen.

Ich scheue trotzdem davor zurück, den Film rundheraus zu verreißen, obwohl er es durchaus verdient hat. Aber ich habe Mitleid mit ihm, denn er entspricht ziemlich genau dem Bild, dass man sich von einem Schumacher-Film aus dem Jahr 1990 macht. Der Mann war nie für seine besondere Subtilität bekannt, sondern dafür, seine Filme so zu designen, dass man den Zeitpunkt ihrer Produktion beinahe punktgenau benennen kann. FLATLINERS ist dann auch eine schöne Zeitkapsel, in der alles, was am Jahr 1990 glatt und oberflächlich und dumm und zum Glück schnell wieder vorbei war, für immer konserviert ist. Kiefer Sutherland trägt Restvokuhila und macht mit undefinierter Speckplauze klar, warum er seinen damaligen Jungstar-Status nicht zu einer richtigen Hollywood-Karriere ausweiten konnte. William Baldwin gibt einen Vorgeschmack auf SLIVER, einen anderen Nineties-Kackfilm, und bekommt von einer Verehrerin gesagt, er sehe aus wie ein Model. Ja, damals sahen Traumtypen eben aus wie schmierige Rasierwerbungsvergewaltiger. Julia Roberts hat fritzelige Endloslocken und trägt diese hüfthohen, arschbetonten Jeans. Kevin Bacon hat lange Haare, Lederjacke und Holzfällerhemden, fährt einen Armee-Jeep und seilt sich aus seinem Apartement ab, anstatt die Treppe zu benutzen. Außerdem ist er Atheist und hat die Regeln der Medizinschule gebrochen: ein Rebell eben. Oliver Platt ist brillant, deshalb trägt er Fliege und darf sonst nichts machen. Alles ist in goldbraunrotes Licht getaucht, man sieht ständig Kreuze und Heiligenbilder, weil es ja um Tod und Gott und so geht, und wenn es gruselig werden soll, knallt Jan de Bont den Blaufilter rein, passt dann schon.

FLATLINERS ist so besessen von seinem eigenen Style, dass er seine haarsträubend dumme Geschichte gar nicht bräuchte, um Lachattacken auszulösen. Die Medizinstudenten wohnen allesamt in riesigen Loftwohnungen oder Altbauappartements mit jeweils eigener Lichtstimmung und perfekt ihren Charakter widerspiegelnder Einrichtung. Aus Gullideckeln steigt immer diese ominöse Dampf auf. Mit Vorliebe stromern die Protagonisten des nachts durch menschenleere Straßen in abgerissenen Vierteln oder an Bahndämmen entlang. In einem riesigen, blutrot ausgeleuchteten Diner ist außer ihnen keine Menschenseele. Ihre geheimen Experimente machen sie in einer prachtvollen alten Kirche, die eigentlich eine Touristenattraktion sein sollte, hier aber völlig verlassen ist. Die erste Gruselszene ereignet sich wie durch Zufall in einer dunklen Sackgasse mit ominösen Neonfratzen-Grafittis. Und die Todeserfahrungen beinhalten so originelle Bilder wie den Flug über verschneite Berggipfel und im Wind wogende Wiesen oder hinein in dunkle U-Bahn-Schächte. Man versteht sofort, dass das alles sehr, sehr deep ist, weshalb es gar nicht schlimm ist, dass FLATLINERS tatsächlich soviel Tiefgang hat wie ein Fischkutter auf einer Sandbank.

Die Story dreht sich bekanntlich um ein paar Jungmediziner, die herausfinden wollen, was nach dem Tod passiert, weshalb sie ihren Tod medizinisch kontrolliert herbeiführen und sich dann zurückholen lassen. Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse treten jedoch bald zugunsten eines jugendlichen Mutprobengehabes in den Hintergrund. Nachdem der coole Nelson (Kiefer Sutherland) zwei Minuten im Jenseits verblieben ist, müssen die anderen ihn überbieten, bringt ja sonst nix, so wissenschaftlich gesehen und so. Das bietet Anlass für cooles Mackergehabe der Typen einerseits und für beleidigtes Weibergezicke von Rachel (Julia Roberts) andererseits, weil sie immer wieder von den Kerlen überboten wird. Sie darf zum Ausgleich dafür den BH anbehalten, als sie ins Jenseits geschickt wird. Die Probleme, die die Protagonisten aus dem Totenreich mitbringen, sind, wie man das von Schumacher erwarten darf, erschreckend bieder und furchtbar moralisch: Nelson hat als Kind aus Versehen einen Schulkameraden getötet (und nebenbei noch dessen Hund). David (Kevin Bacon) hat immer ein kleines Mädchen gehänselt. Joe (William Baldwin) benutzt und belügt Frauen (und filmt sie beim Sex!). Rachel hat ihren Veteranenpapa beim Fixen erwischt und in den Selbstmord getrieben. Was das mit dem Jenseits zu tun hat, bleibt das Geheimnis von Schumacher, der am Ende aber trotzdem alle zu besseren Menschen macht, weil das so schön amerikanisch ist und zu einem Film halt dazugehört, auch wenn es keinen Sinn ergibt.

FLATLINERS erinnert mich ein bisschen an meine Tochter, die sich manchmal die Ohren zuhält, wenn wir sie mit etwas Unangenehmem konfrontieren oder sie schimpfen. Schumacher hat seine Idee, von der lässt er sich nicht abbringen, auch wenn er sich damit selbst widerspricht. Einmal fragt Rachel den Atheisten David, warum alle Menschen, die von einer Todeserfahrung sprechen, Ähnliches davon berichten, wenn es doch seiner Meinung nach kein Jenseits gebe. David antwortet überzeugend, dass dahinter die Tätigkeit eines Hormons stecken könnte, das im Moment des Todes freigesetzt wird. „Now you’re reaching“, ist Rachels Antwort, die das Gespräch autoritär beendet. Schumacher ist der Troll unter den amerikanischen Filmemachern: kackdreist, unverschämt, dumm und für vernünftige Argumente unempfänglich. Aber manchmal auch ganz praktisch, wenn man jemanden ohne Reue beleidigen will. Schumacher, du blöde unfähige Sau, deine Filme sind so kackfickdumm wie ein Meter Feldweg. Bitte mehr davon.

Kommentare
  1. Das passt ja bestens zu diesem Blog-Artikel von heute. Dafür, dass Du „davor zurück[scheust], den Film rundheraus zu verreißen“, ist Dir das übrigens trotzdem ganz hervorragend gelungen … 😉

  2. Panik! Props sagt:

    Ich als Schumachersfilmeirgendwiedochsehrmögender sehe seit einer guten Woche Batman & Robin. Seit einer guten Woche, weil es für mich unmöglich ist, mehr als 20 Minuten von diesem Film, in dem Schumacher den Regler permanent auf 11 gedreht hat, am Stück zu sehen.

    Ganz ehrlich, man muss ihn gesehen haben, um zu glauben, daß so etwas möglich ist! Wenn die alte TV-Serie mit Adam West ja als Parodie angelegt war, dann ist Batman & Robin eine Parodie der Parodie. Ich sage nur: Bat-Credit Card… 🙂

    Wäre der nichtmal was für eine Rezension?

    Übrigens, Blood Creek ist auch sehr empfehlenswert. Ein räudiges, kleines und unerhebliches Dampfhammer-Filmchen das un-heim-lich viel Spaß macht, ohne drübergestülptem Anspruch, Ironie oder Meta-Chichi, mit einem Prä-Hollywood-Fassbender als Bösewicht…

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