domicile conjugal (francois truffaut, frankreich 1970)

Veröffentlicht: Februar 18, 2009 in Film
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Antoine und Christine sind mittlerweile glücklich verheiratet und führen ein einfaches, aber beschwingtes Dasein in einer kleinen Mietwohnung. Antoine ist sich treu geblieben und verdient sein Geld mit harmlosen (und meist absurden) kleinen Jobs, während Christine Musikunterricht gibt. Als Christine ein Kind bekommt, tritt der bisher ungekannte Ernst in ihr Leben: Antoine übernimmt eine sinnlose Stelle in einem großen amerikanischen Wirtschaftsunternehmen, wo er die attraktive Japanerin Kyoko kennen lernt und mit ihr eine Liebesbeziehung eingeht. Die Ehe mit Christine steht vor dem Aus …

71560ce98c8250ce57a6a970c9991a5f1Manchmal sollte man sich mit Prognosen zurückhalten: Nach BAISERS VOLÈS hatte ich für DOMICILE CONJUGAL prophezeit, dass Antoine seine Leichtigkeit und Sorglosigkeit vollkommen verlieren und endgültig in der Nüchternheit des Erwachsenenlebens ankommen würde. Vor dem geistigen Auge sah ich statt der episodischen Leichtigkeit der bisherigen Doinel-Filme ein schweres Ehedrama komponiert in steifen, symmetrischen Bildern, aus denen jegliche Freude und Sponatneität gewichen ist. Diese Ahnung hat sich jedoch nur zur Hälfte bestätigt. Wie schon in der Inhaltsanagbe erwähnt sind Antoine und Christine zwar im „Ernst des Lebens“ angekommen, sind beide nicht mehr nur für sich verantwortlich, stellen sich zum ersten Mal echte Probleme ein und entpuppt sich vor allem Antoines vagabundenhafter Charakter als deren Ursache; dennoch vermeidet Truffaut es, den Ton der Vorgänger gänzlich zu verraten. Immer noch gibt es diese unverwechselbar leichten, euphorischen Momente, etwa wenn Antoine auf einem Bahnsteig dem tolpatschigen Monsieur Hulot aus den Filmen Tatis begegnet, der unheimliche, von den Nachbarn schon als „Würger“ titulierte Bewohner sich als talentierter, freundlicher Schauspieler herausstellt. Ob man das Leben als schwer und dramatisch oder aber als leicht und komisch betrachtet, hängt wohl von der eigenen Perspektive ab. Für Antoine wird die zunächst als Abenteuer begonnene Liason zu der exotischen Japanerin zum Albtraum: Die devote Frau sagt kein Wort, es gibt keinerlei Gemeinsamkeiten, der Reiz des Neuen und Anderen hat sich für Antoine schon bald abgenutzt. Geopfert hat er dafür seinen Sohn und seine Frau, deren Bedeutung ihm umso drastischer vor Augen geführt wird. Doch als  Zuschauer kann man sich das Schmunzeln nur schwer verkneifen, zu unbeholfen und naiv agiert Atoine, zu deutlich ist sein Fehlgriff, zu klar, dass die von beiden eilig, aber ohne rechte Überzeugung vollzogene Trennung auch nur ein Spiel ist, das Christine und Antoine spielen. Wie ihr gesamtes Leben als „Erwachsene“: So richtig passen ihnen die neuen Kleider noch nicht. Aber eines ist sonnenklar in diesem nur vordergründig tristgrauen Film: Beide werden es lernen.

Kommentare
  1. Camillo sagt:

    Für mich der leichteste und formvollendetste Film Truffauts. Sehr autobiographisch vor allem in Bezug auf die Ehe mit Madeleine Morgenstern und die Fast-Ehe mit Claude Jade, die hier nach BAISERS VOLÉS natürlich wieder Christine ist. „Du bis meine Schwester, du bist meine Tochter, du bist meine Mutter“ – „Ich wär auch gern deine Frau gewesen.“

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