the molly maguires (martin ritt, usa 1970)

Veröffentlicht: Juni 15, 2009 in Film
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389px-Molly_maguires_movie_posterPennsylvania in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts: In einem kleinen vom Kohlebergbau lebenden Dorf regieren Elend und Armut. Die Arbeiter, überwiegend irische Einwanderer, werden unter Tage geknechtet und mit einem Hungerlohn abgefertigt. Gegen diese Zustände lehnt sich eine kleine terroristische Vereinigung unter der Führung von Jack Kehoe (Sean Connery) auf, die „Molly Maguires“. Um die Identität der Terroristen aufzudecken, wird der Polizist James MacParlan (Richard Harris) undercover eingeschleust. Er soll sich das Vertrauen der Aufmüpfigen erschleichen. Der Plan gelingt: Doch dann entwickelt sich eine Freundschaft zwischen James und Jack …

Martin Ritt darf wohl als einer der interessantesten amerikanischen Regisseure der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden – wohl auch, weil er nicht zum Kanon jener Filmemacher gehört, deren Namen jeder auf Anhieb herunterbetet, wenn er nach den „Großen“ des US-Kinos gefragt wird. Ritts Laufbahn begann in den Fünfzigerjahren als Fernsehregisseur, bis er im Zuge der Kommunistenhetze auf die Schwarze Liste geriet und er gezwungen war, sich vom Fernsehen ab- und dem Kino zuzuwenden. Später sollte er sich den Umtrieben der HUAC mit dem niederschmetternden THE FRONT widmen, ungewöhnlich besetzt mit einem abseits seines typischen Rollenprofils brillierenden Woody Allen. Den politischen und sozialkritischen Impetus legte er jedoch nie ab und genau dieser ist auch in THE MOLLY MAGUIRES allgegenwärtig (dessen Drehbuchautor, Ritts Freund Walter Bernstein, in den 50ern ebenfalls Opfer des McCarthyanismus war und Ritt als Vorbild für die Hauptfigur von THE FRONT diente). In kräftigen Bildern, die vom Kontrast der frühindustriellen Kleinstadt und der sie umgebenden majestätischen Natur leben und (ausgesprochen erhellende) Vergleiche zum auf der anderen Seite des Kontinents angesiedelten Western förmlich erzwingen, erzählt Ritt vom sich nicht für alle gleichermaßen auszahlenden Fortschritt, von der Fortsetzung der Sklaverei mit den Mitteln des Kapitals.

Während im Westen nämlich noch der Pioniertraum gelebt wird und an der realen Utopie gestrickt wird, hat in Pennsylvania längst wieder die Ernüchterung Einzug gehalten. Einen Traum kann sich hier niemand leisten, die Perspektive, die sich den Bergarbeitern und ihren Familien bietet, ist so überschaubar wie trist: Man schuftet, bis der Körper aufgibt, und hat dann noch nicht einmal genug Geld für ein anständiges Begräbnis. Die Revolte der Molly Maguires ist zwar von vornherein zum Scheitern verurteilt, aber in ihren Aktionen fühlen sie sich lebendig, haben sie das Gefühl, etwas für sich und ihresgleichen zu tun, ein Signal, ein Lebenszeichen zu hinterlassen, während der Rest ihres Lebens bloß Knechtschaft, Sklavendasein und stummes Erdulden ist. Aber Ritt ist nicht so naiv, zu glauben, dass man sich diesem System entziehen könne. Die Gegenüberstellung MacParlans und Kehoes offenbart dann auch mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen: MacParlan wird von seinen Vorgesetzten gegängelt und schikaniert, ja sogar misshandelt, auch er ist nur ein billiger Diener, ein Untermensch letztlich. Wenn er mit Kehoe loszieht, Sprengsätze legt, korrupte Beamten ermordet oder Hütten niederbrennt, ist auch er ganz bei sich, weil er sich den Regeln widersetzt, die ihn in Ketten legen. Doch letzten Endes fehlt ihm der Mut, diesen Weg der Revolte bis zum Ende zu gehen. Er träumt von einem besseren Leben, von einem Schritt nach oben auf der Karriereleiter. Ob er seine Aussicht von dort oben noch genießen kann, nachdem er seine Leidensgenossen verraten und dem Henker überantwortet hat, darf bezweifelt werden. Vielleicht wird aber auch er das Vergessen lernen, dass für den Menschen im Spätkapitalismus – für uns – so charakteristisch ist.

THE MOLLY MAGUIRES ist kein leichter Film: Weil er seine Botschaft nicht breittritt, sondern hinter der Fassade eines Plots verbirgt, der zu den Standards des Copfilms zählt und den man deshalb erst beiseite räumen muss. Die dann zum Vorschein kommende Sensibilität der Rittschen Inszenierung, die Feinheiten in seiner Charakterzeichnung und Dramaturgie, seine tief empfundene Empathie erkennt man erst, wenn man den Film mit seinen wunderbaren Bildern langsam in sich einsinken lässt. Dann hat der Film, der sich so unscheinbar zwischen seiner spektakulären Auftakt- und seiner emotional verheerenden Schlusssequenz verbirgt, einen langen Nachhall.

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