paris blues (martin ritt, usa 1961)

Veröffentlicht: März 23, 2011 in Film
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Der Posaunist Ram Bowen (Paul Newman) ist ein in der Jazz-Szene anerkannter Musiker. Gemeinsam mit dem Saxophonspieler Eddie Cook (Sidney Poitier) begeistert er Abend für Abend das Publikum in einem kleinen Pariser Nachtclub und arbeitet nebenbei an einer großen Komposition. Als Ram und Eddie die beiden amerikanischen Touristinnen Lilian (Joanne Woodward) und Connie (Diahann Carroll) kennen lernen, entwickeln sich zwei Liebesbeziehungen, die die Musiker ihre bisherigen Lebensentwürfe hinterfragen lassen …

Während der Title-Sequenz wohnt der Zuschauer der rauschhaften Begeisterung bei, die Ram, Eddie und ihre Band mit ihrer Musik in dem kleinen Kellerclub auslösen: Die Menschen tanzen, klatschen, schnippen mit den Fingern, scatten und singen oder sind einfach nur tief versunken in den Harmonien und dem Rhythmus. Ein harter, unvermittelter Schnitt erlaubt danach den Blick auf die nun von keinem Laut gestörte Morgendämmerung über Paris, die Kamera gleitet nach rechts, schwenkt das unglaubliche Panorama der Metropole ab, bevor sich ein Gebäude dazwischen schiebt und die Kamera langsam in die sich hinter diesem öffnende Straßenschlucht hinuntersinkt. Sie fängt eine Frau ein, die die Tür zu besagtem Nachtclub öffnet, in dem Ram und Eddie nun zwar keine Menschen mehr unterhalten, aber immer noch ganz im Dienste der Musik an einer Komposition feilen. In nur wenigen Sekunden hat Ritt deutlich gemacht: Diese beiden Männer leben Musik. In den folgenden 90 Minuten wird es in PARIS BLUES darum gehen, die Konsequenzen dieser Tatsache auszuloten. Zwei Frauen treten in das Leben der Männer, ohne Vorankündigung platzen sie in ihre Pläne und stellen deren Unverrückbarkeit in Frage. Paris, das wird klar, ist nicht nur der geografische Ort, an dem diese Geschichte angesiedelt ist, Heimat der lebensfroher Beatniks und Poeten, es ist auch die Utopie, die Ram und Eddie davor bewahrt, sich mit dem Leben jenseits ihrer Profession beschäftigen zu müssen, an dessen Existenz die beiden Frauen sie nun wieder erinnern.

Ritts Liebes- und Künstlerfilm folgt natürlich der für letzteren gemeinhin etablierten dramaturgischen Blaupause: Die Profession macht den Künstler zum Außenseiter, der letztlich unfähig ist, ein „normales“ Leben zu führen, weil neben seiner Kunst alles andere zur Nebensache verkommt – auch die Liebe. Ram, dessen wie zum Selbstschutz errichtete arrogante, ja unhöfliche Fassade von Lilian zum Bröckeln gebracht wird, sieht sich durch die Zuwendung der Frau in seiner Existenz zwar bedroht, lässt sich aber auf das Abenteuer ein, bevor er schließlich die für ihn unvermeidbare Entscheidung trifft. Doch wie man es von Ritt erwarten darf, tischt er dem Zuschauer kein Märchen vom Genius auf, der seine Befähigung teuer bezahlen muss und als tragischer Held der verlorenen Liebe nachweint, vielmehr erdet er seine beiden männlichen Protagonisten in einer eher unromantischen sozialen Realität: Eddies Liebe zu Paris ist keine unbedingte, sondern nicht zuletzt Folge der rassistischen Verunglimpfungen, die er in den USA zu ertragen hatte, und Rams nonkonformistisches Künstlerdasein ist nicht unabdingbare Voraussetzung für seine Produktivität, sondern in nicht unerheblichem Maße einer Bequemlichkeit geschuldet, die ihn auch in der Sphäre der Musik irgendwann am Fortkommen hindern wird und mit der er sich auseinandersetzen muss, wenn er seine Träume einst verwirklicht sehen möchte.

PARIS BLUES begeistert natürlich in erster Linie durch die Verbindung von Duke Ellingtons wunderbarem Jazz-Score und der traumhaften Schwarzweiß-Fotografie, die die Atmosphäre der französischen Hauptstadt perfekt einfängt und ungemein inspirierend wirkt, sodass man am liebsten in den Film hineinsteigen möchte, um dort mit Ram und Eddie zu feiern und die Nächte durchzumachen. Ein Auftritt des großen Louis Armstrong bringt Authentizität mit, die es aber eigentlich kaum bräuchte, weil es Newman als Ram Bowen dank seiner angeborenen Lässigkeit mühelos gelingt,  ein eher nicht mit diesem Begriff assoziiertes Instrument wie die Posaune noch unverschämt cool aussehen zu lassen, und Poitier in der Rolle des  sachlich-detailversessenen Cook den Schauspieler hinter der Rolle ebenfalls vergessen lässt. Die Integration solcher Themen wie Rassismus und Drogensucht gelingt hingegen deutlich weniger leichtfüßig, was aber wahrscheinlich einfach der Zeit zuzuschreiben ist. Dass Ritts Film in den betreffenden Passagen etwas didaktisch und pädagogisch anmutet, ließ sich wohl kaum vermeiden, sprach er doch Probleme an, deren Thematisierung im Hollywoodkino noch längst keine Selbstverständlichkeit war.

Kommentare
  1. Robert POYER sagt:

    Dieser Film ist so unglaublich schön, diese Musik von Duke Ellington ist Jazz in höchster Vollendung, ich
    mußte 78 Jahre alt werden,um zu erfahren,dass es diesen Film überhaupt gibt, und danke meinem Schicksal,dass ich ihn noch sehen durfte,da ich aufgrund meines Alters ja nicht weiß, wielange es mich geben wird.Ich wünsche jedem Musikfreund,dass er diesen Film sieht.

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