kill switch (jeff f. king, kanada/usa 2008)

Veröffentlicht: April 3, 2011 in Film
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Wie man keinen Seagal-Film macht: Ein Ratgeber in 10 Schritten

1. Seagal gegen einen Serienkiller antreten zu lassen, hat schon bei GLIMMER MAN nicht wirklich funktioniert. Seagal ist gut als knochenbrechende One-Man-Force und meinetwegen auch als mit allen Abwassern gewaschener CIA-Agent, aber nicht als Profiler. Ihn mit einem einzelnen Psychopathen zu konfrontieren, minimiert die Zahl der Gelegenheiten, in denen er seiner Kernkompetenz nachgegen kann: Knochen brechen. Niemand will Seagal dabei zusehen, wie er Leichen untersucht oder Psychologie für Baumschüler betreibt. Außer Seagal selbst.

2. Seagals ätzend herablassende und altväterliche Art, die er in Dialogen zum Besten gibt, wird noch potenziert, wenn man ihm a. einen Schwarzen und b. eine Frau zur Seite stellt. Der Pseudo-Ghetto-Lingo, in dem er sich in KILL SWITCH artikuliert und jeden Satz mit halbschwachsinnigen „Baby“s und „Brother“s anfüllt, als sei er einst höchstpersönlich mit einem Sklavenschiff aus Afrika rübergepaddelt, erfüllt den Tatbestand rassistischer Verunglimpfung, der offene Chauvinismus, mit dem er der als frigide Schreibtischpolizistin gezeichneten FBI-Agentin gegenübertritt, ist nicht cool, sondern weckt mit laufender Spielzeit mehr und mehr das Bedürfnis, ihm mit Anlauf in die unter seinem Speckwanst hängenden Eier zu treten. Ganz wichtig: Die Hauptfigur eines Films darf einem nicht schon nach drei Minuten die Zornes- und Schamesröte ins Gesicht treiben.

3. Seagal als Lover ist eine der widerlichsten Dinge, die je auf Zelluloid gebannt wurden. Dass man ihm in den letzten Jahren beständig halb so alte Striptänzerinnen als Freundinnen andichtet, kann nur an einer Vertragsklausel liegen, die sich Produzenten von Seagal aufschwatzen lassen. Als denkender Mann schämt man sich in Grund und Boden, wenn er Frauen das angedeihen lässt, was er anscheinend für „Zuneigung“ hält. Und Sexszenen, in denen man nur Gesichter sieht, sind eh überflüssig. (Bitte nicht falsch verstehen: Seagals nackten Leib zu zeigen, verbietet sich aus ästhetischer Sicht völlig.)

4. Seagal ist fast 60 und nicht mehr so beweglich. Nicht, dass er früher agil wie ein Panther gewesen wäre, aber offensichtlich sind ihm auch die Moves, die er in seinen ersten Filmen vollführte, nicht mehr möglich. Um das zu kaschieren, sollte man eine bessere Strategie haben, als bloß auf eine Augenkrebs erzeugende Mischung aus wackliger Kameraführung, totaler Fragmentierung per Schnittcomputer, Einsatz jederzeit erkennbarer Body Doubles und nicht dazu passender Close-ups von Seagals Gesicht aufzufahren. Das täuscht nämlich über gar nichts hinweg und sieht dazu auch noch scheiße aus.

5. Wenig spektakuläre Szenen werden nicht dadurch spektakulärer, dass man sie fünfmal wiederholt. In der Filmgeschichte sind schätzungsweise schon 125.873 Menschen aus dem Fenster geworfen worden, rund 53.412 aus einem höheren als dem ersten Stockwerk. Der popelige Fenstersturz, den King am Anfang förmlich in Dauerschleife laufen lässt, hat dem rein gar nichts hinzuzufügen, außer eben der Dauerschleife. Und die wirkt in diesem Kontext ebenso hilflos, wie die verzweifelten Beteuerungen des pickeligen Teenagers, er onaniere nicht mehr.

6. Practice what your preach: Wenn einem Charakter die Zähne rausgeschlagen werden, man zusätzlich zum Close-up auf jene rausgeschlagenen Zähne das Opfer auch noch seine Empörung darüber zum Ausdruck bringen lässt, dass ihm soeben die Zähne rausgeschlagen wurden, man mithin keinerlei Zweifel daran lässt, dass dieser Person tatsächlich die Zähne rausgeschlagen wurden, dann macht es einen ziemlich armseligen Eindruck, wenn besagtes Opfer in der nächsten Szene mit perlweiß glänzender, vollkommen unbeschädigter Kauleiste zu sehen ist. Das ist so, als würde man oben genannten pickeligen Teenager auf dem Schulklo beim Wichsen erwischen, unmittelbar nachdem er … siehe 5.

7. Creed, Nickelback, Puddle of Mudd oder Staind waren das letzte Mal vor ca. acht Jahren für maximal fünf Minuten der geistigen Unzurechnungsfähigkeit nicht für jeden halbwegs intelligenten Menschen als kompletter Scheißdreck identifizierbar. 2008 einen Haufen gefährlicher Rocker in einem abgeranzten Rockclub, in dem sich mit Vorliebe ein derangierter Massenmörder aufhält, zu einem minderbemittelten Klon jener eh schon peinlicher Combos amoklaufen zu lassen, zerstört die Illusion, es mit dem Film eines Mannes, der das Alter von 15 überschritten hat, zu tun zu haben, sofort.

8. Dynamik ist etwas anderes als Hektik, Virtuosität etwas anderes, als im Menü des Schnittprogramms bei „Effekte“ „Alles“ anzuwählen. Du bist Jeff F. King und nicht Michael Bay.

9. Wenn man nicht einen, sondern zwei Serienmörder braucht, um eine Geschichte zu erzählen, hat man etwas falsch gemacht. Noch dazu, wenn einem beide dieser Killer komplett auf den Zeiger gehen.

10. Wenn man einen miserablen Film gedreht hat, ist das auch dadurch nicht wettzumachen, dass man in der letzten Szene eine Frau blank ziehen lässt. Schon gar nicht, wenn das das Vorspiel für eine Sexszene mit Seagal sein soll. Siehe Punkt 3.

Kommentare
  1. Nils sagt:

    Vielleicht noch als Ergänzungsregel:

    11. Entscheide dich, ob deine Hauptfigur ein hart durchgreifender Sympathieträger oder doch ein gewalttätiger Psychopath sein soll, der auf andere gewalttätige Psychopathen angesetzt wird.

    Seagals Gegner haben sowieso selten eine Chance in seinen Filmen, aber der Genuß mit dem KILL SWITCH draufhält, wenn er bereits besiegte Hanswürste weiter auseinandernimmt, ihnen entweder die Zähne raushaut oder ihnen sämtliche Knochen mit einem Hammer bricht, das ging mir doch ein Stück zu weit. Und ich gehöre zu den Leuten, welche die Nahkampfeinlagen eines MARKED FOR DEATH freudig abfeiern.

  2. Chrisch sagt:

    Mich würde interessieren, was Sie gegen Bands wie Creeds oder Nickelback haben. Treffen die nur musikalisch nicht Ihren Geschmack oder stehen sie auch inhaltlich – durch ihre Texte – für etwas, dass Sie als verwerflich ansehen?

    Beste Grüße

    • Oliver sagt:

      Hi Chrisch,

      um sie „verwerflich“ zu finden, sind sie einfach zu harmlos, was dann wohl auch der Hauptvorwurf ist, den ich ihnen machen würde – neben rein ästhetischen Kritikpunkten. An Creed fand ich dieses christliche Pathos und Gepose immer hochnotpeinlich, die Musik halte ich – wie bei Nickelback auch – für relativ überraschungsfreies Knöpfchendrücken (das meine ich jetzt nicht im wörtlichen Sinne). Ich bin kein Musiker, aber da werden einfach musikalische Klischees runtergenudelt, die dem Zuhörer suggerieren, etwas zu fühlen, dabei ist da gar nichts. Wahrscheinlich könnte man diesen Vorwurf auch Bands machen, die ich selbst mag, aber an denen meine ich eine gewisse „Ehrlichkeit“ zu hören, die den genannten Bands in meinen Ohren völlig abgeht.
      Um es mal auf eine griffige Phrase zu bringen: Creed und Nickelback sind Rockmusik für Leute, die keine Rockmusik mögen.

      Aber letztlich ist das natürlich Geschmackssache. Ich würde niemanden verurteilen, bloß weil er Creed mag. Ich hoffe, das beruhigt dich. 🙂

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