red heat: unschuld hinter gittern (richard collector/ernst r. von theumer, deutschland/usa/österreich 1985)

Veröffentlicht: Oktober 2, 2011 in Film
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Christine Carlson (Linda Blair) besucht ihren Freund Mike (William Ostrander), einen in Deutschland stationierten US-Soldaten, um ihn zu heiraten. Nach einem Streit mit ihm verlässt sie nachts das gemeinsame Hotelzimmer, wird unfreiwillig Zeugin, wie die Wissenschaftlerin und Überläuferin Hedda Kleemann (Sue Kiel) von zwei DDR-Agenten überwältigt wird und mit ihr zusammen hinter den Eisernen Vorhang verschleppt. Nach quälenden Verhören gesteht sie ihre angebliche Schuld und wird wegen Spionage zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Knast führt die sadistische, lesbische Gefängnisdirektorin Einbeck (Elisabeth Volkmann) mithilfe ihrer Gespielin, der Gefangenen Sofia (Sylvia Kristel), ein hartes Regime, unter dem die als Staatsfeindin gebrandmarkte Christine zu zerbrechen droht. Und Mike kämpft in der Zwischenzeit gegen die Mühlen der Bürokratie, um seine zukünftige Ehefrau ausfindig zu machen …

Es wird immer besser. RED HEAT: UNSCHULD HINTER GITTERN ist nicht nur eine runterziehende Sleaze-Granate mit einer furchteinflößenden Elisabeth Volkmann, er gewinnt durch sein Kalter-Krieg-Szenario auch noch zusätzliche Sprengkraft, geht über den Rahmen des Exploitationkinos weit hinaus und gewinnt Bedeutung als einzigartiges Zeitzeugnis. Wer wissen will, was die Achtzigerjahre neben lustigen Frisuren, komischen Accessoires und plastikhafter Wave-Musik auszeichnete, wird hier a) fündig, b) sein blaues Wunder erleben und c) sein bisheriges Bild dieser Zeit überdenken müssen. RED HEAT ist Paranoia- und Propaganda-Kino vom Feinsten, öffnet das Fenster in eine Zeit, als das Böse ganz reale Gestalt hatte und geografisch genau zu verorten war; als man zwar lustige Sonnenbrillen trug (wieChristine in ihrer ersten Szene), aber sich damit vielleicht nur von der drohenden Gefahr des atomaren Krieges ablenken wollte; als man in Westdeutschland quasi noch die Hitze des hinter der Mauer züngelnden Höllenfeuers spüren konnte. RED HEAT ist ein perfider Titel, weil er auf der einen Seite das Lodern der sexuellen Leidenschaften und des schwelenden politischen Konflikts adressiert, aber dann viel eher eine eisige Kälte abbildet, in der jede Menschlichkeit erst taub wird und dann abstirbt. Der ganze Film ist in Schwarz-, Blau- und Grautönen gehalten und das rosige Babyspeck-Gesicht von Christine verwandelt sich im Laufe der 95 Minuten in eine aschfahle Totenmaske. Schlimmer als der Tod ist nur ein Gefängnis im Ostblock, in dem man im wahrsten Sinne des Wortes lebendig begraben wird. Tangerine Dream spielen dazu den Totentanz auf ihren Maschinen.

Wie so viele andere westliche Filme, die sich mit dem Feind im Osten auseinandersetzen, bemüht sich auch RED HEAT, den Gegner als unmenschlich, irrational und grausam zu zeichnen, und so durchsichtig die Mittel, die er wählt, auch sind, es ändert nichts daran, dass er immens effektiv ist: Die Beamten, die Christine verhören, sieht man kein einziges Mal, man hört nur ihre Stimmen; der Gerichtssaal ist vollkommen abgedunkelt, wird nur von einem gleißend weißen Licht erhellt, das durch ein Fenster fällt, vor dem sich die unerbittlichen Richter als gesichtslose Schemen abzeichnen. Die „Liebesspiele“, die Einbeck und Sofia mit ihren Opfern spielen, werden nur in kurzen, wenig enthüllenden Einstellungen eingefangen, die die Angst und Verzweiflung, die sich auf deren Gesichtern danach abzeichnet, noch schwerer wirken lässt. Der ganze Film versinkt mehr und mehr in einer Dunkelheit, die auch die finale Rettung Christines nicht mehr wirklich aufzulösen vermag. Der Film endet mit einem Freeze Frame, just in dem Moment, in dem sich die Schranke am Grenzübergang in die Freiheit öffnet. Christine wird die DDR nie ganz verlassen. Und selbst wenn: In der Heimat, wo man sich für ihren Verbleib nicht interessiert hat, ist es kaum besser.

Eine Szene möchte ich noch kurz exemplarisch beschreiben: Christine schreibt einen Brief an ihren Mike, ihre Stimme rezitiert das Geschriebene als Voice over. Sie sagt, wie sehr sie ihn vermisst, wie sehr ihr der Gedanke an ihn Trost bietet, wie sehr sie sich wünscht, er nehme sie in den Arm und sage ihr, das alles gut werde. Sie wisse nicht, ob dieser Brief ihn je erreichen werde. Die Kamera fährt durch ihr Zimmer, filmt sie schreibend auf ihrem Bett liegend, blendet schließlich mit dem letzten Satz kaum merklich über zu dem Beamten, der die Briefe kontrolliert, sie auf verräterische Inhalte prüft. Seine Hand – man sieht wieder kein Gesicht – zerknüllt den Brief, unterbricht damit jäh Christines Stimme und wirft den Brief auf einen großen Haufen weiterer Briefe, die ihre Adressaten niemals erreichen werden. Schweigen.

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